hölzerne Scheide und betrachtete dabei mit Kennerblick den grün
schimmernden Stein, der im Griffstück eingelassen war.
»Ihr habt von drei Artefakten gesprochen, Agent Gnorx. Ich
sehe nur zwei. Wo ist das Dritte?«
»Ach …, ihr wisst es wirklich nicht«, bemerkte Joliko Gnorx
und eine leichte Überheblichkeit schwang in seiner Stimme mit.
»Ich nahm an, ihr wäret informiert, Kapitän Lethos. Nun denn,
dann will ich euch aufklären, Mylady. Das dritte Artefakt ist diese
Dolchscheide. Zugegeben, sie sieht ziemlich unscheinbar aus und
ist doch das Rätselhafteste der drei Gegenstände. Sie besteht aus
dem Holz eines Orcabaums. Jenem Holz, aus dem die Zauberstäbe
der meisten großen Magier bestehen. Vielleicht wisst ihr, dass
diese magischen Stäbe die Kraft eines Zauberers erheblich erhöht
und die Wirkung seiner Sprüche verstärkt. Der Baum kommt a ngeblich
nur auf einem einzigen Planeten vor. Allerdings wissen
wir nicht, um welche Welt es sich dabei handelt. Wir wissen nur,
dass der Baum äußerst selten ist und allein in diesem unbekannten
Lebensraum wächst. Alle Versuche, Sämlinge auf einer anderen
Welt anzupflanzen, sind daran gescheitert, dass uns keine Frucht
des Orcabaums zu Verfügung stand. Eine hohe Belohnung winkt
demjenigen, der dem Rat das Heimatsystem dieser Baumgattung
benennen kann. Ich bin schon jahrelang auf der Jagd nach dieser
Information, leider vergeblich. Es gibt jedoch unbewiesene Gerüchte,
dass manche von diesen Stäben zusätzlich von einem …, hmm
… – von einem Geist besessen sind. Dadurch soll der Stab noch
mächtiger werden, weil dieser Geist angeblich die negativen Auswirkungen
neutralisieren kann. Ihr könnt euch sicherlich denken,
Mylady, dass der Wunsch des Rats nach solch einem Stab ziemlich
groß ist, um es vorsichtig auszudrücken. Die Tempelmagier sind
geradezu versessen darauf, endlich einen solchen Verstärkerstab in
die Finger zu bekommen, damit sie ihn untersuchen können. Die
Macht, die er einem zauberkundigen Magier verleihen kann, muss
gewaltig sein und darf nicht in falsche Hände gelangen. Nur bei
den Oberen unseres Ordens ist er gut aufgehoben und kann zum
Nutzen unseres Tempels wirken.«
Mit geradezu fanatischer Begeisterung hatte der Handelsagent
diese Information ausgeplaudert ohne daran zudenken, dass er
sich damit angreifbar machte. Aurelia nickte zustimmend und war
sich der Zweideutigkeit seiner Aussage sehr wohl bewusst. »Ich
stimme euch zu, Agent Gnorx. In der Tat sind dies allesamt mächtige
Artefakte und ich sollte sie so rasch als möglich zu ihrem
Bestimmungsort bringen, wo sie die Gelehrten des Tempels bereits
voller Ungeduld erwarten.«
Joliko Gnorx wäre nicht Statthalter der Sekte auf Riva, hätte
sein Charakter nicht auch ausgeprägte Züge von List und Verschlagenheit.
Mit einem hintersinnigen Lächeln unterbreitete er
ihr ein verlockendes Angebot.
»Wäre es da nicht ratsam, eurer Galeone Geleitschutz zu geben,
Kapitän Lethos? Es sind unruhige Zeiten und es treibt sich überall
räuberisches Gesindel herum. Unsere Meere werden von Piraten
heimgesucht, selbst der Sternenozean ist vor diesen Freibeutern
nicht sicher. Ich könnte euch eine Fregatte als Geleitschutz mitgeben.
Was haltet ihr von diesem Vorschlag, Mylady? Der Tempel
wäre unter Umständen sogar bereit, die anfallenden Kosten zu
übernehmen. Ich würde mich dafür einsetzen.«
»Es ist sehr lobenswert von euch, Agent Gnorx, dass ihr euch
um diese Gefahren sorgt und euch um meine Sicherheit bemüht.
Leider sehen meine Befehle vor, dass die Galeone nur alleine zum
Bestimmungsort segeln darf. Kein Konvoi oder sonstige Schutzbegleitung
ist zulässig. Meine Tarnung als Handelsschiff, das zudem
gut und schwer bewaffnet ist, war immer ausreichend und wird es
auch weiterhin sein. Verlasst euch auf die Strategie des Tempels,
die sich bisher als sehr erfolgreich erwiesen hat.«
Abfuhr hinunterschluckte, um sich dann rasch in eine geschäftsmäßige
Bemerkung zu flüchten.
»Gut, ich sehe, dass ich euch nicht umstimmen kann, Kapitän
Lethos. Es sei, wie ihr wünscht und es euch eure Befehle vorschreiben.
Ich werde daher jetzt meinen Adjutanten rufen, der euch zum
Schiff begleiten wird.«
Er drückte auf eine verborgene Einrichtung, die nach dem Boten
rief. Es dauerte nur wenige Momente, bis sich die Tür öffnete
und ein junger Rotrock eintrat, der nach einem grüßenden Kopfnicken stumm
neben dem Eingang stehen blieb.
»Leutnant Velaro , ihr werdet Kapitän Lethos zu ihrer Galeone
begleiten. Ihr habt dafür Sorge zu tragen, dass sie wohlbehalten
ohne jede Belästigung ihr Schiff erreicht«, befahl Joli koGnorx
seinem Untergebenen, woraufhin dieser, ohne eine Antwort zu geben,
nur bestätigend den Kopf neigte.
»Ich werde den Dolch unter meiner Uniformjacke am Gürtel
befestigen, dort fällt er praktisch nicht auf. Der andere Gegenstand
passt ohne Probleme in meine Ledertasche«, entschied Aurelia.
»Wenn ihr dies für notwendig erachtet, Kapitän Lethos, dann
macht es so wie ihr es für richtig haltet. Mein Adjutant wird euch
sicheres Geleit geben. Obwohl hier keine Gefahr droht, denn dies
ist schließlich Hoheitsgebiet des Tempels. Doch ich habe meine
Vorschriften und möchte mich keiner Nachlässigkeit schuldig machen
– ihr versteht, Mylady. Ich wünsche euch jedenfalls gutes
Gelingen und werde den Rat von der erfolgten Übergabe unterrichten.«
Mit diesen Worten reichte Joliko Gnorx Aurelia die Hand,
schüttelte sie kurz, um sich dann ohne weitere Bemerkungen an
seinen Schreibtisch zu setzen. Wortlos verstaute Aurelia das Auge
in der Ledertasche und befestigte den Dolch am Gürtel. Anschließend
rückte sie mit wenigen Handbewegungen die Uniformjacke
zurecht, sodass von der Waffe nur noch der untere Teil der hölzernen
Scheide hervorlugte.
»Ich werde eure Worte im Gedächtnis behalten, Agent Gnorx
und hoffe, dass ihr bei eurer Suche nach den gewünschten Informationen
Erfolg haben werdet«, verabschiedete sich Aurelia kurz
und knapp, wobei sie sich bereits dem Ausgang zuwandte. Der mit
einem Rapier bewaffnete Leutnant öffnete die Tür und folgte ihr
schweigsam. Stu mm, fast nachdenklich, machte sich Aurelia auf
den Rückweg. Sie nickte grüßend zu der netten Empfangsdame
in der Eingangshalle hinüber und stand dann mit dem Adjutanten
am Hafenpier.
»Leutnant Velaro, den Weg zu meinem Schiff finde ich selbst.
Wie Agent Gnorx versichert hat, droht mir hier keinerlei Gefahr.
Ihr könnt also getrost in euer Quartier zurückkehren.«
Der Rotrock, ein stämmiger junger Mann in einer tadellos sitzenden
Uniform, schüttelte bedauernd den Kopf.
»Nein, Kapitän Lethos, meine Order ist eindeutig, ich muss
euch zum Schiff begleiten. Erst wenn ihr an Bord gegangen seid,
ist mein Auftrag erledigt.«
»Dann lauft halt mit, es sind ja nur wenige hundert Schritte.«
Aurelia schritt zügig voran, getrieben von einer inneren Unruhe,
die sie sich selbst nicht erklären konnte und die sich erst legen würde,
wenn sie die Artefakte in der Sicherheit ihrer massiven Truhe
wusste. Dort waren sie durch ein stabiles Schloss und von einem
wirkungsvollen Zauber geschützt. Das geschäftige Treiben um sich
herum nahm sie nur aus den Augenwinkeln wahr. Darum entging
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