furchterregend. Die große flache Nase fiel durch ihre weite Nüstern
auf. Sie bebte beim Luft holen mit einem leichten Vibrieren,
immer bestrebt, jeden Duftpartikel einzusaugen. Das Geruchsvermögen
eines Ghurka war einfach phänomenal. Zwei stechend
schwarze Augen blickten unter einer löwengleichen Mähne hervor
und musterten Stern mit einem unverhohlen besorgten Blick.
Die fahlgelbe Fellpracht ließ zwei handtellergroße Ohrmuscheln
frei, die sich wie bei einer Katze, in ständiger Bewegung befanden.
Ghurka besaßen ein sehr empfindliches Gehör, mit dem sie leiseste
Geräusche wahrzunehmen vermochten. Sie waren von der Natur
nahezu ideal ausgestattet worden und waren damit perfekte Jäger.
Im Unterschied zu Menschen sowie anderen zweibeinigen Rassen
verfügten die Ghurka über eine sechsfingerige Hand, die mehr an
eine krallenbewehrte Pranke denken ließ als an ein feingliedriges
Instrument zur Erschaffung handwerklicher Dinge. Dabei dienten
die beiden äußeren Glieder als Daumen, was ihnen eine unerhörte
Geschicklichkeit verschaffte.
Stern wusste, dass er sich keinen besseren Leibwächter wünschen
konnte als diesen gut ausgebildeten Ghurka. Nicht, dass er einen
benötigte, doch er konnte die Dienste von Jirr Baa’thok nicht abweisen.
Dieser hatte ihm Treue und Leibeigenschaft bis zu seinem
Tod geschworen als er ihm vor einigen Jahren das Leben rettete.
Eine Ablehnung hätte nach dem eigentümlichen Ehrenkodex der
Ghurka Jirr’s Selbstmord zur Folge gehabt. Außerdem sah er es als
Vorteil, einen guten Kontakt zu den Ghurka zu haben, denn dieses
Volk war stark und mächtig. Es hatte Kenntnis von vielen Dingen,
die für einen Piraten von Nutzen sein konnten
Es war nicht einfach für einen Ghurka, getrennt von seiner Rasse
zu leben, doch hin und wieder bekam Jirr Baa’thok Gesellschaft
von einem Angehörigen seines Volkes. Immer dann, wenn Shak el
Ko’hor, genannt ›Der Löwe<, sich die Ehre gab, als Gast des Kapitäns
an Bord zu sein, um ihn auf einige Fahrten als inoffizieller
Vertreter seines Volkes zu begleiten, unterhielt Jirr sich ausgiebig
mit dem erfah renen el Ko’hor in der Sprache seines Volkes.
In der Kapitänsmesse wartete ein leichter Imbiss auf Stern,
denn sein Smutje Stinkefisch hatte vorausschauend mit seinem
Erscheinen gerechnet und einige Kleinigkeiten bereitgestellt. Schalen
mit Obst, Gemüse sowie eine hölzerne Platte mit herzhaftem
Brot und feinster Büffelmufftibutter luden zum Speisen ein. Während
sich Stern im angrenzenden Raum frisch machte und seinen
alten Weggefährten, den Papagei Balthasar begrüßte, betrat sein
erste Offizier und Stellvertreter die Messe. Adamir Grimmbart
war ein stattlicher Mann um die Fünfzig. Er stammte, wie sein
Kapitän, von der alten Erde. Sein kurzes Haar färbte sich bereits
mit leichtem Grau, doch die braunen Augen blickten streng, aber
klar aus seinem pockennarbigen Gesicht. Die hohe Stirn verriet
einen scharfen Verstand während das kantige Kinn auf einen willensstarken
Charakter schließen ließ. Sein Körper machte einen
etwas grobknochigen Eindruck und die Bewegungen wirkten nicht
unbedingt geschmeidig sondern eher etwas steif. Doch dieses Bild
täuschte gewaltig, denn der alte Haudegen konnte flink wie eine
Pitakatze sein.
Der Mann machte einen erfahrenen Eindruck, dabei strahlte er
eine gewisse Ruhe und Gelassenheit aus, ideale Eigenschaften für
einen Offizier des Sternenteufel. Auf dem, im Gegensatz zu fast
allen anderen Piratenschiffen, eine Art lockere militärische Ordnung
und Disziplin herrschte. Er trug keine Uniform, sondern
die übliche Bekleidung der normalen Matrosen. Sein grobes blaues
Leinenhemd steckte in einer derben grauen Stoffhose, die allerdings
von einem reich verzierten, breiten schwarzen Gürtel gehalten
wurde. Die Schwertscheide an der Seite war leer, nur ein langer
Dolch steckte in einem ledernen Futteral, wie auch die halbhohen
Stiefel aus dem gleichen Material waren, das er am liebsten trug.
Eine breite grüne Schärpe aus feinem Stoff, verziert mit einem
weißen Totenkopf, dessen rechte Augenhöhle durch eine Augenkappe
verdeckt war, lief schräg von der rechten Schulter bis zur
linken Hüfte. Sie verhalf dem erfahrenen Sternenfahrer zu jenem
Hauch verruchter Piratenromantik, der bei Frauen gut ankam.
»Wie ist es gelaufen, Jirr?«, erkundigte sich Grimmbart bei
dem großen Ghurka und setzte sich lässig auf einen der stabilen
Stuhlsessel, die um den großen Kapitänstisch standen. »Hat der
Kapitän die Informationen erhalten, deretwegen er in die Stadt
gegangen ist?«
Jirr Baa’thok fletschte abweisend mit den Zähnen, denn er redete
ungern und hielt sich lieber schweigsam im Hintergrund.
»Was fragt ihr, Grimmbart. Der Käpt’n ist gerade an Bord gekommen
und hat nichts erzählt. Bewahrt noch einen Augenblick
Geduld, dann werdet ihr es von ihm selbst hören«, bemerkte er
kurz und trocken mit seiner tiefen Stimme, die immer nach dem
grollenden Knurren eines irdischen Löwen klang.
Grimmbart langte zur Obstschale und nahm eine saftige Kirifrucht ,
die er genüsslich in den Mund schob. Bevor er dem mundfaulen
Ghurka eine weitere Frage stellen konnte, öffnete sich die
hintere Tür der Messe und der Kapitän erschien in der Öffnung.
»Lasst es euch ruhig schmecken, Adamir. Ihr bekommt ja selten
etwas Gesundes zwischen die Zähne. Da ist es nur recht, wenn ihr
jede Gelegenheit nutzt, um etwas Vernünftiges zu euch zu nehmen.
Vielleicht solltet ihr weniger von diesen verdammten Räucherstäbchen
qualmen. Sie verpesten nicht nur die Luft, sondern
machen auch die Lenden lahm.«
Grimmbart musste lachen. Dabei gab er Zähne frei, die bereits
ziemlich verfärbt waren. Eine Folge übermäßigen Genusses
dieses Lasters, das immer weiter um sich griff. Stern setzte sich
neben seinen Stellvertreter während der Ghurka es vorzog, stehen
zu bleiben, wobei er mit wachen Augen Tür und Raum im Blick
behielt.
»Es hat geklappt, Grimmbart. Der Informant in dieser schmierigen
Hafentaverne hatte nicht gelogen. Wie ihr wisst, erhielt ich
die Nachricht von einem Agenten der Rotröcke aus Shan’hor, dem
Sitz des hiesigen Statthalters des Tempels. Er bot mir für eine
nicht unbeträchtliche Summe Informationen an, die uns Kurs und
Ladung einer Galeone des Tempels verrät. Und – Grimmbart, sie
hat wertvolle Fracht geladen, unter anderem auch mehrere Tonnen
Bastillafelle.«
Der Erste hob die Augenbrauen, wobei er anerkennend mit der
Zunge schnalzte. »Bastillafelle, wie schön. Die sind einen Haufen
Silberlinge wert, das wird der Mannschaft gefallen. Sie will mal
wieder richtige Beute machen, nicht nur Fässer mit Bier und Wein
schleppen, die sie nicht mal selber leeren dürfen. Oder, wie beim
vorletzten Beutezug, nur Kisten mit Spektrakel als Ladung.«
»Die Felle und der Rest der Ladung sind nur Tarnung, Grimmbart.
Nein, diese Galeone ist ein besonderes Schiff. Wie ich hörte,
segelt dieser Kapitän des Öfteren im Auftrag der Tempeloberen.
Er bringt außerordentlich wertvolle Fracht in ein geheimes Depot
dieses scheinheiligen Ordens. Ich glaube, wir sind auf eine heiße
Spur gestoßen. Wenn wir sie zu deuten verstehen, führt sie uns zu
den Reichtümern des Tempels.«
Grimmbart bekam große Augen.
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