1 ...8 9 10 12 13 14 ...39 magischen Fähigkeiten für die Fahrten im Sternenmeer. Den dafür
notwendigen Sternenstaub lieferte der Tempel während de’Soto
seine speziell dafür ausgebildete Magie beisteuerte, ohne die Sternenfahrten
nicht möglich waren. Sie hätte längst selbst diese Ausbildung
gemacht, doch unter fadenscheinigen Vorwänden war ihr
dies stets verwehrt worden.
Sie vermutete nicht zu unrecht, dass dies der offizielle Anlass
war, ihr einen zuverlässigen Aufpasser des Tempelgeheimdienstes
an die Seite zu stellen. Und so hatten sie in mehreren Jahren einige
Fahrten zusammen gemacht und dabei wertvolle Fracht zu den
geheimen Schatzdepots des Tempels befördert.
»Das ist bedauerlich, es tut mir um jeden Mann leid, den sich
die See holt. Neptun möge seiner Seele gnädig sein, auch wenn es
sich nur um einen einfachen Matrosen handelt, der sicherlich ein
loyaler Anhänger des Tempels war. Sorgen sie dafür, dass seine Angehörigen
benachrichtigt werden, de’Soto und dass seine Familie
die offene Heuer sowie die ihm zustehende Entschädigung erhält,
die der Tempel großzügigerweise für die Hinterbliebenen zahlt.«
Ehrliches Mitgefühl war der Stimme Aurelias zu entnehmen.
›Sie ist einfach zu weich‹, dachte de’Soto verächtlich und sagte
laut: »Wird erledigt, Käpt’n. Ich werde dem Zahlmeister entsprechende
Anweisung geben und er wird im nächsten Hafen das Erforderliche
veranlassen. Die dortige Niederlassung des Tempels
wird über das Netz die Nachricht an die Zentrale zur weiteren Erledigung
weiterleiten.«
»Gut, dann wäre das geklärt. Lasst unverzüglich alle Schäden,
die der Sturm angerichtet hat, feststellen und soweit als möglich
beheben. Meldet mir anschließend Vollzug, de’Soto. Wenn das
Schiff wieder seetüchtig genug ist, nehmen wir mit ganzer Takelage
und mit Vollzeug Kurs auf Shan’hor, um den Hafen noch rechtzeitig
zu erreichen. Jedoch erst, wenn die Schäden an der Takelung
behoben sind. Der dortige Agent hat we rtvolle Fracht für mich
und wartet ungeduldig auf mein Erscheinen. Wir sollten ihn nicht
zu lange warten lassen.« De ’Soto nickte zustimmend, denn er
wusste, auch ohne die Andeutung des Kapitäns, von der kostbaren
Ware, die sie erwartete. Im Anschluss ging es noch nach Ladimara,
wo sie weitere Handelsgüter entladen würden, die sie zur Tarnung
ihres eigentlichen Tuns mit sich führten. Danach war endlich der
Zeitpunkt gekommen, das unendliche Sternenmeer aufzusuchen,
um Kurs auf das Geheimdepot des Tempels zu nehmen. Nur er
und die Schiffsführerin waren über die Route zu dieser Schatzkammer
der Sekte informiert, von denen es sicher mehrere gab.
Doch aus Gründen der Geheimhaltung und Angst vor Verrat, wurde
auch ein verdienter und loyaler Offizier wie er, nur mit den nötigsten
Informationen versehen. Die Besatzung musste nach jeder
Fahrt zum Depot einer aufwendigen Prozedur unterzogen werden,
in der ihr mit einem speziellen Zauber die Erinnerung an Kurs
und Aufenthalt genommen wurde. Dies war eine weitere, wenn
auch teure, Sicherheitsmaßnahme der Tempelführung.
Mit einem Kopfnicken entließ Aurelia ihren Stellvertreter und
kehrte in die Ruhe ihrer Kapitänsmesse zurück. Sie hatte noch einige
Vorbereitungen zu treffen, sobald sie im Hafen von Shan’hor
einliefen. Die Reparaturarbeiten wusste sie bei de›Soto in den
richtigen Händen. Niemand würde die Arbeiten schärfer überwachen
als dieser Darq von einem Geheimdienstler, der sie immer
mit gierigen Augen abtastete und in Gedanken auszog. Sie wusste,
dass er nur zu gern ihr Bett teilen würde. Doch niemals wieder, so
hatte sie sich geschworen, würde sie einen Mann der Sekte in ihr
Schlafgemach lassen.
Langsam löste sie den Umhang, den sie an einen Messinghaken
hängte. Dabei öffnete sie mit einer grazilen Bewegung gleichzeitig
mehrere Knöpfe der engen roten Kapitänsjacke und holte tief
Luft. Wie sie diese Uniform hasste, wie sie alles, was mit der Sekte
zu tun hatte, hasste. Dass nur der Glaube an die geliebte Tochter
ihr Kraft gab, diese Scharade aufrecht zu halten. Sie würde Mylinda
finden, selbst wenn die Suche noch Jahre dauern sollte, denn ihr
Herz sagte, dass ihr Kind noch lebte und irgendwo auf Rettung
wartete …
Einige Tage später erreichte die Galeone den Hafen von
Shan’hor und machte am langen Pier die Taue fest. Aurelia übergab
ihrem ersten Offizier das Kommando und wartete nicht einmal
das Eintreffen des Hafenmeisters ab, sondern eilte schnurstracks
zum Hafenbüro. Dort hoffte sie, den örtlichen Agenten Joliko
Gnorx anzutreffen, der hier auf Riva die Interessen des Tempels
wahrnahm. Unterdessen überwachte de’Soto die Verladearbeiten,
die sofort begonnen hatten, nachdem der Hafenmeister die Unterlagen
überprüft und kei nerlei Beanstandungen hinsichtlich ihrer
Richtigkeit geäußert hatte. Doch hierbei handelte es sich nur um
eine Formalität, denn Schiffe des Tempels wurden nicht nur auf
Riva bevorzugt behandelt und die Papiere niemals angezweifelt,
wenn sie das Siegel der Zentrale trugen. Der Stempel der Hafenmeisterei
war eine Farce, doch niemand würde dies zugeben, denn
zu groß war auf Riva die Macht der Rotröcke geworden, als dass
irgendjemand wagte, unbequeme Fragen zu stellen.
Am Kai herrschte reges Treiben, wo die bulligen zotteligen
Soho ’s, die anerkannt stärksten Träger weit und breit, Kisten, Säcke
und in Segeltuch verschnürte Bündel auf ihre breiten Rücken
wuchteten, um sie unter ständigem Gesumme ihrer bienenähnlichen
Sprache über die Gangways von Bord und hin zu den
Lagerschuppen zu schleppen. Mehrere Schiffe lagen im Hafen,
darunter einige kleinere Galeonen, Schaluppen sowie zahlreiche
Fischerboote. Auch zwei Klipper erspähte Aurelia am Ende des
langen Piers, konnte jedoch ihre gehissten Flaggen nicht erkennen.
Die Heilige Kuh entlud Stoffe und Holzfässer mit Wein von Risetta
und nahm außer den Artefakten , die sie von Joliko Gnorx erhalten
sollte, noch mehrere Tonnen Bastillafelle an Bord, die für Thetis
bestimmt waren. Pelzmäntel aus dem Fell der Bastillamännchen
waren hoch begehrt bei den edlen Damen der hohen Gesellschaft.
Im Naturzustand waren sie schlicht und unscheinbar. Doch wurde
der Mantel getragen, entwickelte er ein seltsames Eigenleben und
spiegelte das Gefühlsleben seiner Trägerin wieder. Dabei bot er ein
irrlichterndes Farbspiel, das in immer neuen Variationen über das
Fell flackerte. Man nahm an, dass es Teil des Balzverhaltens der
Bastillamännchen war, mit der sie eine Partnerin umwarben und
für sich zu gewinnen suchten. Kenner verstanden dieses Farbspiel
zu deuten und so konnten sie auf die Gefühlslage der Mantelträgerin
schließen. In den Kreisen des Adels und der Reichen war es
derzeit ein beliebtes Gesellschaftsspiel, dem sie mit einer geradezu
perversen Lust auf ihren vielen Festivitäten nachgingen. Das
trieb die Nachfrage nach diesen exquisiten Mänteln extrem in die
Höhe. Allerdings vermochte das knappe Angebot das große Interesse
nicht zu befriedigen.
Für dergleichen Zerstreuung hatte sich Aurelia nie erwärmen
können. Doch als lukratives Handelsgut waren die Felle hervorragend
geeignet, denn es ließen sich außergewöhnlich hohe Gewinne
erzielen und auch hier hatte sich der Tempel ein Monopol
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