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Valderan de’Soto , seines Zeichens erster Offizier der Heiligen Kuh ,
biss die Zähne zusammen und fluchte still in sich hinein. Sein
hartes Gesicht mit den stechend blauen Augen verzog keine Miene.
Verluste an Menschenleben kalkulierte ein adeliger Offizier
der Tempelsekte kühl mit ein. Die einfachen Matrosen waren für
ihn nur simple Schachfiguren, einfach Bauern ohne großen Wert.
Nützlich nur, wenn man sie für die Zwecke des Tempels einsetzen
konnte, doch ansonsten ohne Bedeutung.
Jetzt jedoch wurde jeder Mann gebraucht, um die Galeone unter
Kontrolle zu bekommen, daher galt es, verflucht sei Neptun ,
auf das Leben der Besatzung Rücksicht zu nehmen. Heftig trieb
Valderan de’Soto die Männer an und endlich gelang es, die Segel
soweit zu reffen, dass die Gefahr des Kenterns gebannt war. Ihm
schien, dass die Gewalt des Sturms abflaute und das Schlimmste
wohl überstanden war. Mit Geschick, Glück und Neptuns Hilfe
würden sie diesen unerwarteten Orkan hinter sich lassen und den
sicheren Hafen erreichen.
Ein Knarren zeigte ihm, dass sich die Tür der Kapitänsmesse
öffnete und lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Gestalt des Kapitäns,
der sich mühsam gegen den immer noch heftigen Wind den
Aufgang zum Vordeck hoch kämpfte. Mürrisch grüßte de’Soto die
vermummte Schiffsführerin und schluckte seinen tief sitzenden
Groll hinunter, denn eigentlich hatte er sich das Kommando über
die Heilige Kuh erhofft. Doch im letzten Moment hatte sich Fürst
Ramoris höchstpersönlich für seine Ex-Gemahlin Aurelia von Lethos
entschieden.
Sie sollte die Galeone als Kapitän befehligen, so lautete sein Befehl
und gegen die ausdrückliche Order des Tempelobersten wagte
de’Soto nicht aufzubegehren. Seit drei Jahren segelten sie nunmehr
zusammen mit der Heiligen Kuh auf den Ozeanen vieler Welten
und mithilfe seiner Magie, auch durch das unendliche Sternenmeer .
So schwer es ihm fiel, dies einzugestehen, sie machte ihre Sache
verdammt gut und wäre sie der Sternenstaubmagie mächtig, die
für Fahrten im Sternenmeer unerlässlich war, würde er sich niemals
Hoffnung auf die Kapitänswürde machen können.
»Wie sieht es aus, de’Soto. Lässt der Sturm langsam nach?«,
erkundigte sich Aurelia mit i hrer dunklen rauchigen Stimme.
»Aye, Käpt’n, der Sturm legt sich allmählich. Wir konnten die
Segel gerade noch rechtzeitig einholen. Leider ging dabei ein Matrose
über Bord und konnte nicht mehr gerettet werden.«
De’Soto schaute sie mit gemischten Gefühlen an. Als Mann
kam er nicht umhin, ihre Erscheinung zu bewundern. Sie war eine
prachtvolle Frau, kein Wunder, das Fürst Ramoris sie zur Gemahlin
genommen hatte, auch wenn es sicherlich politische Gründe
für diese Verbindung gab. Aurelia von Lethos entstammte einer
alteingesessenen Adelsfamilie, die über weitreichende wichtige
Verbindungen auf Thetis sowie zu anderen Welten verfügte. Dank
dieses engen Beziehungsgeflechts übte sie erheblichen politischen
Einfluss aus.
Sie war groß für eine Frau, beinah sechs Fuß und damit fast so
groß wie er. Es brachte ihre schlanke Figur vollendet zur Geltung.
Aufregend lange Beine, eine schmale Taille sowie ein nicht zu kleiner
Busen betonten ihre Weiblichkeit ohne dabei aufdringlich zu
wirken. Auf dem schlanken Hals befand sich ein Kopf mit wahrhaft
aristokratischen Zügen, der ihr gleichmäßig fein gegliedertes
Aussehen unterstrich und damit die edle Abstammung, der sie sich
rühmen konnte.
Ihr von vollen roten Lippen eingerahmter Mund offenbarte eine
Doppelreihe perlweißer Zähne, die nicht den Hauch einer Abnutzung
oder Verfärbung zeigten. Das kam in Kreisen des Adels seltener
vor, weil die Angehörigen dieser Klasse gewissen Genüssen
üb ermäßig zugeneigt waren. De’Soto war sich sicher, dass sie für
ihr makelloses Aussehen bestimmte wenn auch teure Schönheitszauber
benutzte. Darüber erblickte er die vollkommenste Nase,
die er je bei einer Frau gesehen hatte. Sie passte einfach perfekt
in dieses Gesicht. Kühn und edel geformt, nicht zu groß oder
zu breit, verlieh sie ihr das gewisse Etwas. Ihre Miene trug einen
kraftvollen Ausdruck, der noch durch ein Paar grüner Augen verstärkt
wurde, die allerdings für seinen Geschmack eine Winzigkeit
zu weit auseinander standen.
Ein diesen Augen innewohnender Schimmer zog unweigerlich
jeden in den Bann, der zu lange hineinschaute und sich in ihnen
verlor. Obwohl ein solcher Austausch tiefer Blicke bei ihr zu den
eher seltenen Vorkommnissen zählte, wie er ihrer Akte entnommen
hatte. Denn im Umgang mit Menschen verhielt sich die schöne
Frau eher scheu und zurückhaltend. Sie nahm sich in den ganzen
Jahren der Suche nach ihrer Tochter keinen festen Gefährten und
nur gelegentlich durfte ein Liebhaber ihr Lager teilen. Doch leider,
Neptun sei es geklagt, gehörte er nicht zu den Auserwählten, dem
diese Ehre und Lustbarkeit zuteil geworden war.
Überhaupt, fiel ihm nach kurzer Überlegung ein, erhielt nie
ein Angehöriger des Tempels je ihre Gunst. Abgesehen von ihrem
Ex-Mann Fürst Ramoris, doch dies war eher der Familienpolitik
geschuldet als wahrer Liebe. Am auffälligsten war jedoch ihr
kupferfarbenes Haar, das in einer fülligen lockigen Mähne über
den halben Rücken fiel und im immer noch heftigen Wind wie
ein Banner wehte. Über der Kapitänsuniform trug sie einen regenfesten
grauen Umhang aus weichem Leder, der bis hinab zu den
Knöcheln reichte und die langen Stiefel aus Brontus haut verdeckte.
De’Soto hatte nie ganz verstanden, warum sich der Fürst von dieser
Frau getrennt hatte. Zwar besagten Gerüchte, dass es mit dem
Verschwinden ihrer gemeinsamen Tochter Mylinda zusammenhing,
die vor vielen Jahren entführt worden war. Allerdings konnte es
das nicht allein gewesen sein. Er schüttelte den Kopf und machte
sich frei von diesen Gedanken, denn er musste der Schiffsführerin
seine ganze Aufmerksamkeit widmen. Eines der Dinge, die
sie absolut nicht vertrug, war Unaufmerksamkeit gegenüber dem
Gesprächspartner. Schon gar nicht, wenn es sich dabei um den
Vorgesetzten handelte.
Aurelia musterte ihren ersten Offizier scharf. Sie wusste um die
menschliche Rücksichtslosigkeit in den Reihen des Tempels, vor
allem bei den ranghöheren Offizieren. Daran war letztendlich auch
ihre Ehe gescheitert, da ihr Ex-Mann dieselbe Geisteshaltung offenbarte.
Diese war bei fast allen Angehörigen der Führungselite
der Priesterschaft anzutreffen. Auch, dass de’Soto Ambitionen auf
die Insignien des Kapitäns verspürte, war ihr nicht verborgen geblieben.
Doch bis jetzt hatte sie keinen Anlass gefunden, ihn seines
Postens zu entbin den und es war sicher auch nicht ratsam, sich
seiner zu entledigen.
Denn der Arm des Tempelgeheimdienstes reichte weit, sehr
weit, daher musste sie noch gute Miene zum finsteren Spiel der
Priester machen. De’Soto war ein gut ausgebildeter Geheimdienstoffizier
der Sekte und ihr sicher mit Bedacht und im Auftrag ihres
Ex-Mannes zugeteilt worden. Es war ihm einfach nicht beizukommen.
Außerdem erledigte er seine Arbeit pflichtgetreu und zuverlässig,
auch wenn ihr klar war, dass er als Aufpasser und Wächter
im Auftrag ihres Ex-Mannes fungierte. Zudem brauchte sie seine
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