Eugen Adelsmayr
Das Vermächtnis des Barons
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Inhaltsverzeichnis
Titel Eugen Adelsmayr Das Vermächtnis des Barons Dieses ebook wurde erstellt bei
Ⅰ
Ⅱ
Ⅲ
Ⅳ
Ⅴ
Ⅵ
Ⅶ
Ⅷ
Ⅸ
Ⅹ
Ⅺ
Ⅻ
XIII
XIV
XV
Impressum neobooks
Der alte Baron wehrte sich nicht mehr. Trotzdem hielt Erik das rote Seidenkissen noch eine Weile fest auf sein Gesicht gedrückt, bevor er zögernd lockerließ. „Du kannst jetzt kommen Nora, es ist vorbei, “ sagte er in Richtung Badezimmer, stand langsam auf und setzte sich an ihr Schminktischchen neben dem Bett. Er steckte sich eine Zigarette an. „Du kannst herauskommen!“, wiederholte er etwas lauter als zuvor. Die Badezimmertür blieb zu, nichts rührte sich. Die Zigarette tat ihm gut, er entspannte sich und betrachtete den alten Mann, der da am Rücken ausgestreckt, leblos vor ihm auf dem Bett lag. Ein gebrechlicher Körper, das makellos weiße Hemd bis oben zugeknöpft, die Hosenträger im Todeskampf von den schmalen Schultern gerutscht. Erik nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch schnaubend aus, stand auf und deckte die Leiche bis über den Kopf mit der Bettdecke zu. Nora stand schon hinter ihm, er hatte sie gar nicht kommen gehört. „Ist er tot?“ „Mausetot!“ „Bist du dir auch wirklich ganz sicher Erik?“ „Nora, bitte! Spiele jetzt nicht verrückt! Komm, hilf mir ihn auszuziehen. Komm schon! Ich mache mich dann aus dem Staub. Nora nickte. Sie fröstelte. Sie hätte sich jetzt gerne eine warme Jacke angezogen, aber Erik meinte, dass ihre Geschichte glaubwürdiger klang, wenn das Rettungsteam sie so wie jetzt halbnackt, nur in ihrem Negligé, sah. Nachdem sie den alten Mann entkleidet hatten ging Erik ins Bad, schrubbte seine Hände lange mit Seife und Bürste ab und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Dann beeilte er sich wegzukommen. Nora sah ihm vom Fenster aus nach, bis er, ohne noch einmal zu ihr hochzusehen, im Park gegenüber verschwunden war. Ein paar Minuten warten noch, dann sollte sie den Notruf wählen. Mit schützend vor der Brust verschränkten Armen ging Nora im Zimmer auf und ab, bis sie nicht mehr anders konnte, als doch zum Leichnam auf dem Bett hinzusehen. Wie friedlich schlafend lag der alte Mann auf dem Rücken, eine weiße Strähne hing ihm ins Gesicht. Nora beugte sich über ihn und strich sie ihm zurück. Fast zwei Jahre hatten sie sich gekannt, aber noch nie zuvor hatte sie ihn nackt gesehen. Teetrinken, ihre Gesellschaft genießen und dabei ihre Hand halten dürfen, mehr hatte er nie von ihr verlangt. Für diese Zweisamkeiten hatte er sich stets sehr großzügig erkenntlich gezeigt. Außerdem, das hatte er ihr vor einigen Wochen anvertraut, hätte er sie auch in seinem Testament bedacht. Nora hatte ihrer Mutter und Erik davon erzählt und die Dinge nahmen ihren Lauf. Sie hatte sich wieder gefasst, atmete noch einmal tief durch, wählte den Notruf und schlug Alarm, dass der alte Mann einen Herzanfall erlitten hatte. Ein Notarztteam wurde auf den Weg geschickt. Wie von der Einsatzzentrale angewiesen, ließ sie die Wohnungstür einen Spalt weit offenstehen, dann setzte sie sich in die Küche und zündete sich eine Zigarette an. Sie hatte noch nicht fertig geraucht, stürmten schon die Helfer bei der Tür herein. Die Notärztin konnte nur noch den Tod des alten Herren feststellen und versuchte in Anbetracht der schon verstrichenen Zeit erst gar nicht mehr ihn wiederzubeleben. Zu den Sanitätern meinte sie, dass dies ein klassisches Beispiel dafür sei, wie ein altes Herz im Rausch der Leidenschaft überanstrengt wurde, bis es seinen Dienst quittierte. Noras verführerisches Nachthemd und das zerwühlte Bett untermauerten diesen naheliegenden Schluss. Ein Sanitäter fand den Ausweis des alten Herren in der Innentasche seines Sakkos und schrieb die persönlichen Daten für das Einsatzprotokoll ab. „Kranach- Walde, ein bekannter Name!“ stellte er fest. Die Notärztin erstarrte für einen Moment, dann sah sie sich das Gesicht des Toten noch einmal genauer an. Ihr schien etwas auf den Lippen zu liegen, sie behielt es aber für sich. Sie ging zu Nora, die sich in das Wohnzimmer zurückgezogen hatte. „Ich verständige jetzt noch den diensthabenden Arzt, er wird dann noch vorbeikommen und die Totenbeschau durchführen. Erst danach dürfen sie den Bestatter verständigen, damit er den Leichnam abholen kommt. Kommen sie bis dahin allein zurecht?“ Nora versicherte, dass sie das schon schaffe, aber ihr graute davor wieder mit dem Baron allein zu sein. Nachdem das Rettungsteam gegangen war, machte sie die Schlafzimmertür zu und sperrte sie auch ab. Dann duschte sie lange und zog sie sich an. Beim Warten auf den Totenbeschauer kam ihr jede Minute unendlich lang vor und sie musste sich zwingen, nicht dauernd auf die Uhr zu sehen. Erik wollte sie nicht anzurufen, er würde sicher ungehalten reagieren. Sie musste nur genau nach dem abgesprochenen Plan vorgehen. Als es endlich an der Tür läutete, war erst wenig mehr, als eine halbe Stunde vergangen. Der Arzt war ein älterer Herr, einen Kopf kleiner als Nora, mit von der Kälte geröteten Ohren und Gesicht. Er stellte sich höflich und leise als Doktor Lenau vor und streifte sorgfältig seine Schuhe ab, bevor er Nora bis zum Schlafzimmer folgte, wo sie ihm dann den Vortritt ließ. Einige Schritte vor dem Bett stoppte er und ließ seine Tasche fallen. „Armin? Mein Gott! Armin!“ „Sie kennen ihn?“ Nora drehte sich erstaunt zu ihm um. Heftig atmend beugte sich der Arzt über den Toten, suchte zittrig am Hals nach einem Puls, dann strich er mit den Fingern sanft über die Augenlider, obwohl sie geschlossen waren. „Ja, ich kenne ihn. Ich bin seit fast dreißig Jahren sein Arzt, der Hausarzt der Familie Kranach-Walde, von Kranach-Walde. Ein altes Adelsgeschlecht. Schrecklich! Die Familie! Wenn das bekannt wird, dass er hier, bei ihnen, dass er so…“ „..., dass er peinlicherweise im Bett einer Nutte verstorben ist!“ beendete Nora Lenaus Gedanken. Er nickte abwesend, er dachte nach. „Aber, es braucht niemand zu erfahren. Ich trage als Ort des Todes das Stiegenhaus und nicht diese Wohnung ein. Kein Problem, das fällt nicht auf, niemand wird jemals fragen. Hier im Haus hat auch ein bekannter Wirtschaftsanwalt seine Kanzlei, die Familie wird annehmen, dass er auf dem Weg dorthin war. Helfen sie mir bitte!“ Nora half dem Doktor dabei den alten Mann wieder anzukleiden, dann schleppten sie ihn gemeinsam in den Vorraum hinaus und riefen den Leichenbestatter an. Doktor Lenau meinte, er würde warten, bis der Baron abgeholt war. Nora entschuldigte sich, sie wollte nicht mit Lenau neben dem Leichnam warten. Sie ging ins Schlafzimmer, zog die Bettwäsche ab und warf den ganzen Packen in den Müllcontainer unten im Hof. Auf dem Weg zurück zur Wohnung rief Erik sie an, was denn so lang dauerte, ob leicht etwas schiefgegangen war. Er war nicht nur erleichtert, sondern geradezu begeistert, als Nora ihm erzählte, was der Arzt sich hatte einfallen lassen, um seinem adeligen Freund einen makellosen Nachruf zu bewahren. Er hatte dadurch aus einem gut geplanten Mord einen geradezu perfekten gemacht. . Als der Leichenbestatter dann endlich da war erklärte Lenau ihm, dass sie den Toten hier herein in den Vorraum gezogen hatten, damit er nicht so pietätlos draußen im Stiegenhaus lag. Nachdem sein toter Freund eingepackt war, verließ Lenau hinter dem Metallsarg das Haus. Es war schon spät in der Nacht. Er setzte sich in sein Auto, steckte den Schlüssel ins Schloss, startete den Motor aber nicht. Er würde nun den Kindern des Barons die traurige Nachricht überbringen müssen und das tat er besser gleich jetzt als später.
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