Was das Mittagessen anbelangt, da mussten wir uns um nichts kümmern, der Wirt aus dem Flecken hat seine Bedienung mit zu uns in die Struth gebracht und nachdem wir alle in der Scheune wieder verschwunden sind und gemeinsam das Tischgebet gesprochen haben, begann die Bedienung das Essen zu servieren. Als erstes gab es eine kräftige sehr warme Nudelsuppe mit selbstgemachten Eiernudeln, die nicht nur dem Wetter angepasst sehr warm, sondern wieder mit sehr vielen, bei uns noch nicht üblichen Kräutern und Gewürzen gut abgeschmeckt war. Sicher hat der Wirt da wieder einige uns noch unbekannte, neue Gewürze verwendet, die er durch seine Beziehungen zu den Römern wieder da bei ihnen aufgetrieben hat und sie sich von uns auch dem entsprechend gut bezahlen ließ. Als zweiten Gang gab es Schweine- und Rinderbraten mit Sahnesoße, Spätzle oder dicken Nudeln und ein deftiges Sauerkraut und zu aller Überraschung ein frischgebrautes Weizenbier, das Evelyn noch vor ihrer Hochzeit angesetzt hat und nicht nur uns, sondern zum Leidwesen aller auch den jungen Leuten schmeckte und bei ihnen sich bald da und dort auch die ersten Spuren zu wirken begannen. Nach dem dritten Glas konnte man schon da und dort merken, dass das Weizenbier auch so seine Prozente hatte, die da und dort bereits zu wirken begann und die Zunge immer lockerer wurde. Zur Tischordnung möchte ich noch sagen, dass der Gottesmann zwischen den Brautleuten saß, an der linken Seite des Bräutigams saß Evelyns Mutter Heidi und an der rechten Seite der Braut saß Didilind. Den Brautleuten gegenüber saßen wir, Frieda und ich. Als wir dabei waren, den zweiten Gang zu verspeisen, wurde plötzlich das Türchen im Scheunentor aufgerissen und herein stürmte oder mehr torkelte laut Grölend oder polternd ein Mann, der scheinbar nicht mehr der Jüngste und der Nüchternste war, der sich sicher für diesen Auftritt reichlich Mut angetrunken hat. Mutter Heidi, die mit ihrer Tochter am Tisch gegenüber dem Türchen saßen und das Türchen im Scheunentor voll im Blick hatte, erkannte sofort das Übel, aber auch die Gefahr, die da scheint aufzuziehen oder die da hereinstürmte. Es war Evelyns Vater oder Heidis Mann Jochen, der auch schon schrie, nein regelrecht grölte, wo denn seine missratene Tochter Evelyn ist, die sofort mit ihm zurück in die Spitzensen Feste kommt, um ihr die Manieren, die eine Tochter ihrem Vater entgegenzubringen hat wieder beibringt. Geistesgegenwärtig sprang ich auf und stellte mich zur Tür gewandt vor Evelyn auf und rief, wenn du sie haben willst, dann musst du sie dir schon selber holen. Da hob er auch seinen gespannten Bogen und schoss auf mich. Scheinbar war nicht allzu viel Druck dahinter, denn der Pfeil traf wohl meine Brust, durchbohrte meine Stoffbluse, blieb aber in meinem neuen dicken Lederpanzer stecken, ohne mich wirklich schmerzhaft zu verletzen. Einen zweiten Schuss konnte er nicht mehr in meine Richtung abschießen, denn unser Sohn Eberhard, der diesen Eindringling oder Störenfried nicht kannte, hat ihn mit einem gekonnten Faustschlag, den er zur Genüge bei uns in den Wintermonaten an den Heubündeln geübt hat, in das Reich der Träume verabschiedet und ihm alle Waffen, mit denen er vielleicht noch ein Unheil anrichten könnte abgenommen. Was unser kleiner Eberhard noch weiter mit ihm vorhatte, das habe ich erst am nächsten Tag erfahren, dass er ihn hinaus in den Schnee bringen wollte wo er in der kalten Kälte über sein so sein und das Warum noch ein bisschen nachdenken konnte, bevor ihn die Wölfe wieder laufen ließen, aber sicher nicht mehr in die Scheune zu uns; das ganz bestimmt mit ihren scharfen und starken Zähnen gewusst hätten es zu verhindern. So aber haben wir ihn nach vorn an unsern Tisch gebracht und setzten ihn mir gegenüber neben seine Frau Heidi. Sein rechter Nachbar war Rainhard, der vielleicht durch seine Herkunft schon beruhigend auf Jochen wirken konnte, denn der Name von Odens hat ihm nicht viel gesagt, der war in ihren Breiten noch nicht so bekannt, der hatte hier noch keine blutige Vergangenheit mit der man sich rühmen konnte wie es sicher Evelyns Vater auch dachte und danach handelte. Aber auch hier vorn am Tisch gab er keine Ruhe und glaubte je auffälliger er aus der Rolle falle, umso respektvoller müsse er von den andern behandelt werden, was aber nur das Gegenteil bewirkte. Er benahm sich so daneben, was Evelyn immer peinlicher wurde, dass Rainhard ihn mit aller Einverständnis hinaus in die leere, stabil gebaute Wagenremise sperrte, in der er poltern und schreien konnte so viel er wollte. Hier in der Scheune auf der Tenne hat niemand etwas davon gehört oder mitbekommen. Mutter Heidi und Evelyn war das Erlebte mit ihrem Vater mehr als peinlich und beiden ist der Appetit auf das weitere Festtagsmenü, das sie, Evelyn, ja mit Didilind zusammengestellt hat, restlos vergangen. Auch meine Gedanken waren nun geteilt; die eine Hälfte war hier beim Hochzeitsmahl, das wir uns auch etwas kosten ließen, die zweite Hälfte war bei Evelyns Vater, und ich ihn am liebsten vor das Thinggericht bringen möchte, das ihn wieder zu Vernunft bringen sollte, denn sein Benehmen hier in der Struth war keinesfalls junkerhaft sondern mehr als gassenhaft. Auf jeden Fall war die Festtagsstimmung trotz des guten Nachtischs und des guten Abendessen dahin. Den beiden Spitzensenmädchen, Mutter Heidi und Tochter Evelyn war der schönste Tag in ihrem Leben völlig entweiht, was Evelyns Vater sicher gelungen sein mag, den schönsten Tag ihres Lebens so zu vergraulen, zu vergiften. Mit Rainhard habe ich in der Kaffeepause darüber gesprochen, dass ich am liebsten ihn vor das Thinggericht bringen möchte wegen seines heutigen Verhaltens, sein Pfeilschuss auf mich, den er sicherlich nicht in Notwehr abgeschossen hat und dass er von mir für seine Tochter zwanzigtausend Goldflocken haben will, die er uns wie seine Leibeigene uns verkaufen wollte und immer noch will. Vielleicht können sie ihn wieder zu Vernunft bringen, bevor er über seinen Hochmut stolpert, ins Gras beißt, falls er wieder uns angreifen sollte und nicht mehr hochkommt. Nur es wäre sehr schade, wenn er dabei auch noch andere dabei zu Schaden bringen kann, was nicht unbedingt hier bei uns in der friedlichen Struth sein muss. Über Nacht habe ich ihn in der Remise gelassen und am Montag bald dem Flecken einen Besuch abgestattet und für Dienstag das Thinggericht einberufen. Heidi war es anfangs gar nicht Recht dass ich ihn vor das Thinggericht bringen will, sie aber auch nicht sagen konnte, wie wir ihn anders wieder zu Vernunft bringen können. Am Dienstag früh habe ich ihn, bisschen unsanft, in unsern Schlitten gesetzt. Ich habe mich neben ihn gesetzt und unser kleiner Eberhard spielte den Kutscher und ab ging es in den Flecken. Bald nach uns kamen auch die ehrwürdigen Thingherren, denen ich die ganze Geschichte, angefangen wie er und seine Frau ihre Tochter zu uns brachten, um hier alles zu lernen, was eine zünftige Hausfrau auch können sollte, um eine Wirtschaft und den Haushalt in Ehren und nach den neuesten Erkenntnissen zu führen. Wie er glaubte seine Tochter Evelyn an einen wohlhabenden Edlen von Harz verkuppeln zu könnte, vor dem wir ihn aber warnten, dass er dabei sicher den Kürzeren ziehen werde und seine Tochter Evelyn an Vaters Vorschlag, sie da zu verkuppeln kein Interesse zeigte. Im letzten Moment merkte er, dass er hier mit dem Ehevertrag über den Tisch von ihm gezogen werde und jagte den Heiratsschwindler aus dem Haus. Doch einige Wochen später beschlossen die beiden jungen Leute, seine Tochter Evelyn und unser Sohn Frieder, dass sie heiraten und ein Paar bilden und eine neue Familie gründen wollen. Unsern Segen hatten die beiden jungen Leute. Und so fuhren wir am vergangenen Sonntag vor vier Wochen zu ihr nach Hause, um auch ihre Eltern von ihrem Vorhaben, dem Vorhaben der beiden jungen Leute in Kenntnis zu setzen. Ihre Mutter hat auch zu diesem Vorhaben bald ihren Segen gegeben, doch ihr Vater, der hier sitzt, der wollte seine Tochter nur für viele Goldflocken, wie ein Stück Ware oder ein Stück Vieh an unsern Sohn verkaufen, gerade so wie eine Kuh aus seinem Stall. Insgesamt verlangt er für seine Zustimmung zwanzig Tausend Goldflocken, die wir ihm möglichst noch vor der Heirat oder seinem Ja zu dieser Hochzeit übergeben, denn wie er sagte, verliere er etwas sehr wertvolles durch die Heirat seiner Tochter. Wir verlieren dagegen nichts, sondern gewinnen viel. Mit diesem Freikauf seiner Tochter ist er bei mir aber an die falsche Adresse gekommen, denn ich handle nicht mit oder um ein Menschenleben, um den Preis eines Menschen wie beim Kauf einer Kuh, Ochsen oder einen Sack Getreide vom Schüttboden. Im Gegenteil, wenn ich irgendwo den einen oder den anderen Leibeigenen sehe, dann versuche ich ihn so schnell wie möglich von seinem Herrn freizukaufen, was schon passiert ist. Einer dieser Freigekauften hat dann bei uns in der Struth eine Mitarbeitertochter als seine Frau geheiratet. Die beiden sind heute die ersten und die besten Mitarbeiter bei seinem ehemaligen Herrn, dem Edlen von Trippelfelz, der zweite ist der erste Mitarbeiter bei meinem Sohn Jan I. und seiner Frau Sieglinde von Trippelfelz im Neuhof, der dritte freigekaufte ist mit dem Getreidehändler gezogen, der gerade einen starken Mitarbeiter gesucht hat. Am vergangenen Freitag ist seine Frau alleine, ohne diesen Versager zur Hochzeit ihrer Tochter zu uns in die Struth gekommen, die am Sonntag bei uns in der Scheune auf der Tenne stattfand, ohne ihn. Dann beim Mittagessen, riss er das Türchen am Scheunentor in die Tenne plötzlich auf, torkelte laut brüllend und betrunken, recht unjunkernhaft in den Tennenraum und verlangte nach seiner Tochter, die sofort zu ihm zu kommen hat und er ihr wieder die Manieren, wie sich eine Tochter ihrem Vater gegenüber zu benehmen hat, beibringen werde. Ich, der seiner Tochter gegenüber gesessen habe, stand sofort auf und mein erster Gedanke war, wenn dieser Unmensch auf sie schießen sollte, er zuerst mich töten oder zumindest treffen müsste, wenn er bewaffnet sein sollte. Und so rief ich ihm zu, „wenn du deine Tochter haben willst, so musst du sie dir schon selber hier bei uns……“ Weiter kam ich nicht, denn ihm gelang es noch einen Pfeil auf mich zu schießen, diesen Pfeil hier, den ich euch verehrte Thingherren hier und jetzt zeige, der dann in meinem Lederwams, den ich ihnen hier zeige, in diesem Einschussloch stecken blieb und keinen weiteren und größeren Schaden anrichten konnte, als nur einen Piekser in der Hut! Einer meiner jüngeren Söhne hat ihn dann mit einem gekonnten Faustschlag außer weiteres Gefecht gesetzt, ihn entwaffnet und dann, als er wieder munter war, ihn an den Esstisch zu seinen Leuten gebracht, wo er glaubte jedem hier zu zeigen was er doch für eine miese, betrunkene und miserable Krötengestalt ist, die sich keineswegs beruhigen ließ und seinem Stand keine Ehre erwies. Unser Schwiegersohn, Rainhard von Trippelfelz, hat ihn immer wieder versucht und erinnert, dass er doch, wie es sich für ihn, einem Edlen gehört, doch ein kleines bisschen Haltung zu wahren und stolz zu sein, dass seine Tochter hier sein darf, wo die Welt noch in Ordnung ist. Aber nichts half; er spielte immer wieder den bekloppten und rechthaberischen und den völlig aus der Rolle gefallenen Möchtegern, dem wahrscheinlich, ohne dass wir es wussten schon das Wasser bis unter der Nase stand, was er bis jetzt gekonnt vor allen geheim halten konnte. Unser Rainhard, der neben ihm saß, schnappte ihn schließlich an seinem Schlawickel und bugsierte ihn hinaus ins Freie. Hier versuchte er sich zwecklos zu wehren und landete schließlich in der massiven Wagenremise. Hier konnte er schreien und poltern so viel er wollte, ohne weiteren Schaden anzurichten und letzten Endes seinen Rausch ausschlafen. Wir in der Tenne haben nichts von alle dem, seinem Theater mitbekommen. Nur seiner Tochter Evelyn hat er ihren schönsten Tag ihres Lebens total vermießt. Und nun bin ich bei ihnen, dass sie versuchen ihm klar zu machen, dass seine Tochter auch ein freies Wesen, ein freier Mensch ist wie auch er einer glaubt zu sein, die nichts weiter von ihm verlangt, nicht einmal die ihr zustehende Erbschaft, obwohl er wahrscheinlich ohne es zu wissen, ein Sklave seiner Sucht zu sein scheint und wahrscheinlich nichts mehr zu vererben hat. Auch er hatte sich in eine Heirat nach der Wahl seines Vaters nicht zwingen lassen, sondern da in die Feste seiner Frau eingeheiratet hat und glaubte damals, dass es eine reine Liebeshochzeit gewesen ist. Und vielleicht sagt er dem Thinggericht, wie viele Goldflocken er seinem Schwiegervater da hat zahlen müssen, um an seine Tochter zu gelangen und woher er sie denn dann hatte oder wem er sie weggenommen hat, bevor er seine Frau, seine Auserwählte hat heiraten dürfen. Und zu den Thingrichtern sagte ich noch, dass ich euch für das Zuhören danke. Die Thingrichter begutachteten danach meinen Lederwams und ganz besonders die Einschussstelle, die so ziemlich über dem Herzen lag; wiewten ihre Köpfe nachdenklich hin und her, schauten sich an und nickten kurz zustimmend und waren wohl auch der Meinung, dass, wenn da ein kleines Bisschen mehr Druck dahinter gewesen wäre, wäre der Pfeilschuss sicher für den Lederwamstragenden tödlich und der Schütze, der Edle von Tiefensen wäre hier und jetzt als Mörder. Dann nahmen sie den Pfeil, begutachteten ihn von allen Seiten, prüften die Spitze und fragten ihn ob er den Pfeil hier kenne, was er verneinte und es abstritt, ihn je gekannt oder benutzt zu haben. Sicher glaubte er, wenn er den Pfeil nicht kenne, kann er ihn auch nicht abgeschossen haben, was die Thingrichter ihm nicht ganz abnahmen.
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