„Woher kennst du ihn?“ „Von der Akademie.“
Amber hielt inne. Als sie eine Weile nichts mehr sagte, sah Carly sie schief an. „Warum? Gehört er zu ihnen? Was hat er mit den Leuten zu schaffen? Oder arbeiten sie doch für die Regierung?“
Amber schnaubte höhnisch. „Glaub mir, mit der amerikanischen Regierung, hat das hier nichts zu tun.“
„Aber warum ist er dann bei ihnen?“
„Weil...“ Amber holte tief Luft. „Er ist einer wie ich.“
Carly runzelte die Stirn. „Was soll das heißen? Wie du?“
„Er wurde als Kind entführt, Carly.“
„Das ist unmöglich. Sein Vater arbeitet für die Regierung.“ „Richtig. Er hatte die nötigen Mittel, die Wanze einzuschleusen.“
„Die Wanze? Was redest du da?“
„Die unterlaufen die Regierung!“ fauchte Amber. „Verstehst du es wirklich nicht? Wir wurden ausgebildet, um zu töten. Und die, die uns ausgebildet haben, haben es auf das Ministerium der Vereinigten Staaten abgesehen.“
„Und was zu tun?“
„Was weiß ich denn? Um sie zu stürzen? Um sich zu rächen? Man hat uns bloß gesagt, wie beschissen die USA sind, womit sie Recht haben. Aber das rechtfertigt ihre Mittel nicht.“
„Warte...“ Carly schüttelte den Kopf. „Das heißt, Landon hat darauf hingearbeitet...“
„Er ist ein Doppelagent, Carly. Dazu wurde er ausgebildet. Es gibt zweierlei von uns. Es gibt die Rekruten und es gibt die Wanzen.“
„Re... das ist bescheuert!“
„Sag das mal denen.“ Amber rollte mit den Augen.
Dann schauderte Carly. „Ich war mal mit ihm zusammen... nein, ich hätte das mitbekommen, wenn er... nein, unmöglich. Außerdem ist er noch fast ein Kind. “
Amber schnaubte. „Was glaubst du, wie alt ich war, als sie mich ausgebildet haben? Du bist wirklich naiv.“
„Ja und du allwissend, oder wie?“
„Ok, ich erkläre dir, wie das läuft. Die Wanzen wurden in Familien der Aktivisten aufgenommen. Davon hast du doch sicher gehört?“
„Die Kinder, die aus Heimen verschwunden waren. Klar, wir haben schon Mal drüber gesprochen.“
„Ja, genau. Also, manche kamen in ein Lager, so wie ich. Man nennt uns Viper, wir sind so was, wie Schattenkrieger.“
Bei dem Wort Viper, wird Carly schwindelig. Es brannte sich in ihr Gedächtnis und hallte in ihrem Kopf wieder. Was für ein bescheuerter Begriff. Aber gleichermaßen auch erschreckend.
„Schattenkrieger, wie... Ninja?“
„Nenn es wie du willst. Jedenfalls“, Amber sah sich um, „gab es auch jene, die in diese Familien aufgenommen wurden. Sie wurden intern beschult und ausgebildet. Man hat eng mit Ärzten gearbeitet und sie wurden hypnotisiert.“
„Wozu?“
„Sie haben eine Art... Schizophrenie erschaffen.“
Carly blinzelte sie ungläubig an. „Eine gespaltene Persönlichkeit?“
„Es gab die Personen, die ein normales Familienleben führten, sie gingen zur Schule, hatten Freunde und wirkten völlig normal. Und die anderen Personen, die Viper in ihnen, wurden unter Hypnose zum Kampf ausgebildet, ebenso um zu töten. Loyale Maschinen, die den Aktivisten gehorsam leisten und sich irgendwann in die Regierung einschleichen. Doppelagenten, verstehst du? So wie dieser...dieser...“
„Landon.“
„Ja genau.“
„Aber er war völlig normal.“
„Richtig und das ist die Krux der Geschichte. Er wurde aktiviert.“
„Was? Oh bitte, Amber...“
„Das war Teil der Hypnose. Nur so, konnten sie ihre Wanzen authentisch einschleusen. Und er wusste es selbst nicht, bis das Codewort gesagt wird und zack“, Ambers Augen leuchteten, als sie Carly davon erzählte, „dann sind sie nicht mehr die lieben und netten Menschen, die man vorher gekannt hat. Es sind Killermaschinen. Und dieser Typ, den du als Landon gekannt hast, vergesse ihn. Er existiert nicht mehr.“
„Blödsinn...“
„Landon ist tot, Carly. Sein Geist ist gestorben, als sie das Codewort in sein Ohr geflüstert haben.“
Carly sah Amber fassungslos an und spürte kaum, wie sie unaufhörlich den Kopf schüttelte. Tat sie das schon die ganze Zeit? Das was Amber ihr da erzählte, klang eher wie eine Story aus einem Actionroman. Oder einem Krimi. Es klang völlig unlogisch, und doch irgendwie auch beängstigend real. Was, wenn Amber recht hatte? Was, wenn es wirklich so eine Art psychotische, schizophrene Art Killermaschinen gab? Was, wenn sie recht hatte und Landon einer davon war? War das möglich?
Heute
Das Jod brannte auf seiner Haut. Aber klang es seltsam, dass er das Gefühl hatte, sich daran zu gewöhnen?
„Brewster.“ Dale kam mit einem breiten Grinsen durch den Vorhang, der die Behandlungskabine abschirmte, herein gestampft. Er musterte Tate amüsiert.
„Du hast echt ein Faible für scharfe Geschosse, was?“ „Leck mich.“
„Ja, ja.“ Dale reckte seine Arme und setzte sich auf einen Stuhl, der neben der Liege stand. „Ich habe vergessen dir Blümchen mitzubringen. Sei mir nicht böse, ja?“
Tate schnaubte. „Bist du gekommen, um mich aufzuziehen? Schenk dir das.“
„Hey.“ Dale lachte. „Wer will denn gleich so grimmig sein? Du hast Blanche echt den Arsch gerettet.“ Er hustete. „Auch wenn sie es nicht zugeben würde.“
„Wie geht es ihr?“
„Sie ist etwas... nun ja.“ Dale verzog das Gesicht. „Angepisst.“
„Angepisst?“
„Sie ist der Überzeugung, sie hätte das alleine hinbekommen.“
Tate schüttelte den Kopf. Das sah Blanche ähnlich. Sie hatte sich nie gerne etwas sagen lassen, geschweige denn, dass sie je um Hilfe bitten würde. Stures Frauenzimmer. Seit sie vor einem Jahr beim FBI angefangen hatte, trieb sie Tate regelmäßig zur Verzweiflung. Dale grinste. „Sie ist immer noch sauer, was?“
Tate schnaubte. „Ich habe ihr nie versprochen, der Mann für den Rest ihres Lebens zu sein.“
„Ja, aber weißt du, so sind Frauen eben.“ Dale zuckte die Schultern. „Ich hab dir ja gesagt, es ist eine miese Idee sich mit jemandem einzulassen, mit dem man arbeitet. Egal welche Regeln man vorher fest steckt. Und ganz besonders, wenn man, nun ja, nicht gewillt ist, sich auf eine Beziehung einzulassen.“
„Und dieser Ratschlag, von einem alten Hasen wie dir.“ Tate sah ihn schnaubend an und musste doch schmunzeln.
Dale arbeitete mit seinen fünfunddreißig Jahren schon eine ganze Weile beim FBI. Er hatte wirklich reichlich Erfahrungen. Nicht nur beruflich, sondern auch mit Frauen.
„Tja, das lässt sich eben nicht leicht trennen. Deswegen hat mein Partner damals gewechselt.“
Dale hatte Tate schon oft von seinem Fehltritt erzählt, welcher der Gleiche war, wie der, den auch Tate mit Blanche gemacht hatte. Er hätte sich nie darauf einlassen dürfen.
„Naja, zumindest sind wir dem Kartell einen Schritt näher gekommen.“
„Hat man sie schon verhört?“
Dale rümpfte die Nase. „Ja. War aber bisher weniger informativ als gehofft.“
Tate schnaubte und rutschte von der Liege. Vorsichtig zog er ein frisches T-Shirt an. „Ist sie auch noch hier?“
Dale sagte einen Moment nichts. Dann zuckte er die Schultern. „Wie gesagt, sie war etwas angepisst.“
„Versteh“, grunzte Tate und nickte seinem Kollegen und Freund zu. „Lass uns verschwinden.“
Dale fuhr Tate nach Hause. Als sie seine idyllisch wirkende Wohnung, in einem Zweifamilienhaus erreichten, begleitete Dale Tate noch hinein. Er ließ sich im Wohnzimmer auf die Couch sinken und sah sich in dem leicht chaotischen Raum um. Auf dem Schreibtisch, der gleich am Fenster stand, lagen Stapelweise Akten, Ordner und andere Papiere. Über dem Bürostuhl hingen Jacken und ein Pullover und auch auf der Couch hatten sich ein paar Kleidungsteile verirrt.
„Sag mal, hast du mal über eine Haushälterin nachgedacht?“ Dale sah Tate grinsend an.
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