Freudhold Riesenharf - Heine hardcore II - Die späten Jahre

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Eines der rätselhaftesten Gedichte Heinrich Heines ist «Der Asra»:
… Und der Sklave sprach: "Ich heiße
Mohamet, ich bin aus Jemen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben."
Welche sterben, wenn sie lieben? Verständlich wird das nur durch das Leben des Autors. «Tag und Nacht beschäftige ich mich mit meinem großen Buch, dem Roman meines Lebens», schreibt er, «und erst jetzt fühle ich den ganzen Wert dessen, was ich durch den Brand im Haus meiner Mutter an Papieren verloren habe.» Der vorliegende Roman ist daher nicht geschichtstreu. Eine geschichtstreue Biografie könnte, da wir zu wenig von ihm wissen, nicht bis in die hintersten Behausungen seines Blutes dringen. Der Mensch lebt nicht nur in der Realität, und ein Dichter schon gar nicht. Der Mensch lebt auch in der Phantasie, und Heines Phantasie ist eminent erotisch. Da die Phantasien immer ausgespart bleiben, gibt es noch keine echten Biografien. Es werden daher erzählerische Lücken überall dort, wo sie auftreten, damit gefüllt, wie es gewesen sein könnte. «Mein wichtigstes Werk sind meine Memoiren, die aber doch nicht so bald erscheinen werden; am liebsten wäre es mir, wenn sie erst nach meinem Tod gedruckt würden!» Sie offenbaren, was hinter den Kulissen vorging, während seine Dichtungen und Werke nur wie die Schauspieler sind, die auf offener Bühne agieren. «Ich arbeite seit Jahren daran. Das Buch wird drei Bände haben, mindestens drei Bände. Keiner fühlt mehr als ich, wie mühsam es ist, etwas Literarisches zu geben, das noch nicht da war, und wie ungenügend es jedem tieferen Geiste sein muss, bloß zum Gefallen des müßigen Haufens zu schreiben. Wenige haben den Mut, alles zu sagen.» An diesem Mut soll es hier nicht fehlen!

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Wer sprechen wollt, erforschte erst

Den Wind, damit nicht gar

Der alte Brummbär Boreas

Anschnaubt ihn sonderbar.

Die Klügsten freilich schwiegen ganz –

Denn ach, es gab am Ort

Ein Echo, das im Wiederklatsch

Verfälschte jedes Wort.

Inmitten im Schlossgarten stand

Ein sphinxgezierter Bronn,

Der immer trocken war, obgleich

Dort manche Trän geronn.

Vermaledeiter Garten! Ach,

Da gab es keine Stätt,

Wo nicht mein Herz gekränket ward,

Ich nicht geweinet hätt.

Da gab's wahrhaftig keinen Baum,

Wo nicht Beleidigung

Mir zugefüget worden ist

Von fein und grober Zung.

Die Kröte, die im Gras gelauscht,

Sagt alles zu der Ratt,

Die sagt der Muhme Viper gleich

Was sie vernommen hatt.

Die hat's gesagt dem Schwager Frosch –

Und so erfahren konnt

Die ganze schmutzge Sippschaft stracks

Den neuesten Affront.

Des Gartens Rosen waren schön,

Und lieblich ihre Düft;

Doch früh hinwelkend starben sie

An sonderbarstem Gift.

Zu Tod ist auch erkrankt seitdem

Der Nachtigallen Spross,

Der jenen Rosen sang sein Lied; –

Und dann das Gift genoss.

Vermaledeiter Garten! Ja,

Auf dem ein Fluch drauf last;

Manchmal am hellen lichten Tag

Mich dort die Angst erfasst.

Mich grinste an der grüne Spuk,

Der mich grausam verhöhnt,

Und aus den Taxusbüschen drang

Etwas, das röchelt, stöhnt.

Am Ende der Allee war

Der Söller, wo die Welt

Der Nordsee zu der Zeit der Flut

Unten am Stein zerschellt.

Dort schaut man weit hinaus ins Meer.

Dort stand ich oft im Traum.

Brandung war auch in meiner Brust –

Ein Tosen, Rasen, Schaum –

Ein Schäumen, Rasen, Tosen war's,

Ohnmächtig wie die Wog',

Die kläglich brach der harte Fels,

Wie stolz sie auch anzog.

Mit Neid sah ich die Schiffe ziehn

Dahin nach frohem Land –

Doch mich hielt das verdammte Schloss

Verflucht in seinem Bann.

Molly wurde die Frau des Gutsbesitzers John Friedländer, und einsam, wie immer, unter der Sonne bleibt er. Er studiert Jura und Verwaltungswissenschaft und wohnt in einem Studentenheim der Göttinger Burschenschaft. Im Hörsaal sitzen viel mehr Studentinnen als früher – die Frauen sind akademisch längst auf Vordermann –, darunter auch ungemein hübsche; in ihren Zwanzigern aber sind sie meist schon vergeben. Die jungen Mädchen verlieben sich heute im Durchschnitt zwischen sechzehn und achtzehn, haben dank Pille gleich Sex, und wer den Anschluss verpasst, muss selber sehen, wo er bleibt. Ab und zu verliebt er sich ohne besondere Aussicht. In seinem sexuellen Elend bleibt ihm nur die Selbstbefriedigung, so masturbiert er einsam auf seiner Bude. Molly ist schuld, warum hat sie ihn nicht haben wollen.

Einer seiner alten Klassenkameraden, der in Göttingen Medizin studiert, berichtet ihm von einem Kino vor Ort, in dem neuerlich – nach Abschaffung des antiquierten Paragraphen – Pornofilme gezeigt werden. Der Streifen hat den Titel Deep Throat . Die sichtliche Angeregtheit des Freundes erinnert ihn unwillkürlich daran, wie ihm ein anderer einmal von Bergmans Schweigen erzählte. Überhaupt scheint der Dieter für Sex nicht wenig empfänglich. Einmal behauptet er gar, er würde nicht eher ruhen, als bis er alle Tänzerinnen des Fernsehballetts vernascht hat. Harry ist sich der hybriden Natur dieser Phantasien wohl bewusst.

„Das sind die Schimären deiner Einsamkeit!“, belehrt er ihn. Danach verliert er seine Spur und kann nicht sagen, wie weit er es in seinen promiskuitiven Ambitionen gebracht hat.

Tatsächlich scheint dies, denkt Harry, die einzige Art, wie einem eingefleischten Erotiker zu helfen wäre: wenn er jede Frau haben dürfte, auf welche immer er scharf ist. Wenn er bei jeder abschießen dürfte, die ihm vor die Lunte kommt. Nur unter dieser Bedingung ja wäre überhaupt die Erfahrung zu machen, dass es bei jeder Frau mehr oder weniger das Gleiche ist – und folglich laut Schopenhauer das so sehnsuchtsvoll Begehrte nichts mehr leistet als jede andere Geschlechtsbefriedigung auch: so dass er sich nicht sehr dadurch gefördert sieht . Vielleicht würde man so überhaupt die Lust an der Promiskuität – dem Donjuanismus in effigie – verlieren und sich von Hause aus auf eine einzige bestimmte Frau beschränken wollen, – womit man dann genauso weit wäre wie jeder andere Normalsterbliche auch, der sich von Anfang an so bescheidet.

Ja, mehr noch: vielleicht würde man dann endlich erkennen, dass es gar nicht der reale Geschlechtsverkehr ist, der uns solch frenetischen Genuss verschafft, wie er uns ideell vorschwebt, – sondern dass es die bloße Illusion bei der Selbstbefriedigung war, die ihn uns vorgegaukelt. Man würde dann, von der Realität enttäuscht und gewitzt geworden, vielleicht sogar freiwillig wieder zu seinen ipsistischen Phantasien Zuflucht nehmen, womit man wieder genauso weit wäre wie vorher. Alles hängt ab von der Illusion, die uns beim Anblick einer schönen Frau überkommt, und ob sie wirklich stark und überwältigend genug ist, um uns an unserem besseren Wissen wieder irrewerden zu lassen. Da der Erotiker, der fehlenden Promiskuität wegen, das Experiment mit dem Fernsehballett aber nicht machen kann, ist die Überlegung müßig und ihm schwer zu helfen.

Nun erlaubt der pornografische Film – via Identifikation des Betrachters mit den Darstellern – das Experiment zumindest aber in vitro . Eines Abends, als ihm wieder einmal das Dach auf den Kopf fallen will, macht er sich auf den Weg in das bezeichnete Kino. Da er alt genug ist, braucht er keinen Ausweis vorzuzeigen. Man kauft hier keine Eintrittskarte wie in den normalen Kinos, sondern bezahlt eines herrschenden Gedeckzwangs wegen einen erhöhten Betrag für ein paar Getränke inklusive mit. Man ist nämlich, wenn man den Film sehen will, von Gesetzes wegen gezwungen, so zu tun, als träte man einem privaten Club oder Verein bei, der ,nur für Mitglieder' ist. Der Club der Voyeure.

Er kommt, während vorn die blendende Leinwand flimmert, in einen ungewohnt dunklen, abgedunkelten Saal. Als er sich an die Finsternis gewöhnt hat, stellt er fest, dass die Besucher – anscheinend lauter Männer – isoliert und in weitem Abstand voneinander auf den Plätzen sitzen. Der Grund dafür wird ihm bald klar: Sie wollen allein für sich bleiben.

Deep Throat – , Tiefer Schlund' – ist ein amerikanischer Porno von anno 1972. Der – fast surrealistische – Inhalt ist schnell berichtet. Die hübsche Hauptdarstellerin, die etwa 20-jährige Linda, hat sexuelle Probleme. Dem Vernehmen nach hatte sie noch nie einen Orgasmus, in ihrem Alter natürlich ein ganz unerträglicher Zustand. Aber auch ihre Freundin Helen kann ihr nicht helfen, und der von ihr organisierte Gruppensex befriedigt nur sie selbst. Also begibt Linda sich in ärztliche Untersuchung. Da entdeckt Doktor Young mit Hilfe gezielter Auskultationen, dass Linda keine Klitoris hat – will sagen, zumindest nicht da, wo die Frauen sie normalerweise haben, so dass sie beim Koitus das männliche Genital nicht entsprechend spüren kann. (Einmal abgesehen davon, dass selbst beim Koitus die Frauen Probleme damit haben dürften, den Mann an der Klitoris zu spüren.) Das ist die Erklärung für den fehlenden Orgasmus. (Dass die Klitoris auch beim normalen Geschlechtsverkehr nicht ohneweiters gereizt wird, so dass die Frau womöglich auch dabei unbefriedigt bleibt, bleibe hier einmal außer Betracht.)

Der Onkel Doktor lokalisiert das verirrte Organ bald an einem Ort, wo man es vermutlich nicht vermutet hätte: in Lindas Kehle. Daraufhin probiert sie, um den männlichen Penis zu spüren, versuchsweise Fellatio, indem sie tief erigierte Penisse schluckt, sie gewissermaßen inhaliert – und findet prompt ihre sexuelle Erfüllung. Während Linda ihren palatalen Orgasmus hat, ejakulieren die Männer happy in ihren Hals – deep throat . Sie beginnt als Dr. Youngs Assistentin und beglückt so nicht nur sich selbst, sondern auch andere bedürftige Patienten. Die absurde Story endet damit, dass sie mit einem Mann schläft, der ihr einen Heiratsantrag macht. Wir erfahren nicht, wie ihr weiteres Eheleben verläuft.

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