Einen Augenblick später, kam er auch schon hinter dem Gerät hervor, eilte zu einem der Tische, holte die schwarze lederne Tasche, überreichte sie Margret, die sie sich sofort umhängte und in die dunkle verhüllende Kutte schlüpfte, die ihr in Falten bis zu den Füßen fiel. Die große Kapuze reichte ihr bis zur Hüfte, sodass sie, wenn sie sich diese über den Kopf zog, ihr Gesicht komplett in der Dunkelheit verbergen konnte. Margret fühlte sich bereit, so bereit, wie sie nur sein konnte. Nachdem sie noch einige Worte gewechselt hatten, wünschte Archimederius ihnen viel Glück und Sicherheit auf ihren geheimen Wegen.
Margret sah an diesem Tag zum ersten Mal in ihrem Leben, ein derart beeindruckendes Bauwerk, denn sie und Hubertus hatten den Weg in die Höhle genommen, raus aus dem Smaragdschloss, denn nur dort konnte die geplante Mission beginnen.
Mehrere Stockwerke reichte das glitzernde Smaragdschloss bis zur Höhlendecke. Mit unzähligen Türmchen und Erkern geschmückt entsprach es für Margret genau dem Traumbild eines Märchenschlosses. Aus weißem Gestein erbaut, verziert mit kostbaren Steinen, präsentierte es sich im gleißenden Licht.
Besonders in dieser riesigen Höhle wirkte das Schloss noch imposanter. In einem Traum hätte es nur noch auf einem grün bewachsenen Hügel stehen müssen, das Gras sich leise wiegend im aufkommenden lauen Wind eines Frühlingsmorgens, um sie sofort in eine malerische Fantasie hineinzuziehen.
Das helle Licht, das von der Höhlendecke strahlte, irritierte Margret, sodass sie forschend zu Hubertus hinüberblicke.
Dieser erkannte sofort die Frage in Margrets Augen: „Das, was ihr dort oben seht, ist der Grund für den Glanz in dieser Höhle.
Das Licht.
Es handelt sich hierbei um eine Erfindung von Archimederius, die Sphaera illumina die leuchtende Himmelskugel. Sie besteht in der Außenhülle aus Glas, ein gläserner Ballon, gehalten von Fäden, gesponnen von einer sehr seltenen Spinnenart, die schon seit Jahrhunderten unzählige Meilen tiefer im Innern der Erde lebt. Mittels Rohren wird das flüssige Gestein aus einer Magmablase tief unter uns hier herauf befördert und wir vermischen es anschließend mit geringen Mengen von Tamalin und können die Höhle mit Licht und Wärme versorgen.“
„Eine Magmablase hier unter uns?“, fragte Margret in einem ungläubigen Ton und mit großer Mühe nach Worten ringend, während sie ängstlich auf ihre Schuhe starrte.
„Ja, heißes fließendes Gestein, das sich damals, vor rund zweihunderttausend Jahren, den Weg durch diese Höhle nach draußen gebahnt hatte. Über unzählige Rohrleitungen führen wir es nun aus den Tiefen der Erde zu uns hinauf“, erklärte er Margret beruhigend und fügte noch hinzu: „Mach dir darüber keine Gedanken, wir haben eine andere Aufgabe zu erledigen, deren Erfüllung von höchster Dringlichkeit ist!“
Margret und Hubertus durchquerten die Höhle, deren felsiger Boden Margret an den Boden der Grotte erinnerte, durch die sie den Weg hierher gefunden hatte.
Dann vor einer Wand, bewachsen mit einem rankenden Gewächs, endete abrupt ihre Reise.
„Margret, diesmal werden wir kein Portal nutzen können, dass uns zu unserem Ziel bringen kann. Um zu diesem kleinen Völkchen zu gelangen, nutzen wir diesmal eine Fähigkeit der Smaragdkäferlinger. Es wird dir ungewöhnlich erscheinen, aber eine Frage habe ich noch: Wie gut kannst du schwimmen?“
Margret antwortete nur mit einem kurzen Nicken und schaute auf die Wand vor ihr.
„Du musst in diese Wand hineingehen und sobald du durch die Oberfläche getaucht bist, musst du anfangen zu schwimmen“, erklärte Hubertus.
In dem Moment, als die Information Margrets Gehirn zu erreichen schien, schob sich der Pflanzenvorhang zur Seite und die dunkle Wand, die sich dahinter auftat, begann sich in Wellen zu bewegen. Margret streckte eine Hand in Richtung der Wand. Die Berührung fühlte sich an wie fließendes Wasser.
„Um dir die Frage in deinem Gesicht zu beantworten, mittels des Tamalins ist es uns Käferlingern möglich, ganz bestimmtes Gestein, das sich hier in dieser Höhle befindet, so zu beeinflussen, dass sich seine chemische Struktur so verändert, dass es sich verflüssigt. Flüssig wie schwarzes Wasser, durch das man dann hindurchschwimmen kann, um an einen anderen Ort zu gelangen. Es ist schwer zu erklären. Wir wollen zu den Squirels gelangen, doch zu ihnen führt kein Weg. Es ist ein Zauber, der sie schützt.“
Frisches schwarzes Wasser umfloss ihre Hand.
„Geh, Margret!“, forderte Hubertus sie auf.
Margret mochte das kalte Wasser, doch sie beschlich ein sonderbares Gefühl, trotzdem stieg sie hinein und begann zu schwimmen. Sie schwebte, getragen vom Wasser.
Da sah sie Hubertus neben sich, der elegant wie ein Vogel dahinflog.
„Lass uns fliegen!“, hörte sie Hubertus in ihrem Kopf.
Hubertus und Margret glitten durch das Gestein, wobei Hubertus die Richtung wies. Gleichmäßig schlug der Käferlinger mit seinen Beinen und wäre alleine wesentlich schneller vorangekommen. Margret genoss dieses neue Gefühl, noch nie hatte sie sich so federleicht gefühlt, viel zu schnell war es vorbei. „Mach dich bereit, unsere Reise wird nun zu Ende sein“, hörte Margret Hubertus neben sich. Margret schwebte für wenige Sekunden auf der Stelle.
„Du musst wieder nur hindurchtreten, wie du es vorhin bereits getan hast.“
Margret glitt durch das rauschende Wasser hindurch, erstaunt, nicht einen Tropfen Wasser an ihrem Körper zu spüren.
Die Illusion war perfekt.
„Wie ist das möglich, Hubertus? An mir ist nicht ein bisschen Wasser zu finden. Und woher wusstest du, dass wir an dieser Stelle hinaus mussten?“, fragte Margret.
„Zum einen war es kein richtiges Wasser, auch wenn es dir ein solches Gefühl vermittelt hat. Und die Sache mit dem Ausgang hat etwas mit der Frequenz zu tun, die der Ton hat, den wir Käferlinger aussenden, um eine derartige Reise zu absolvieren. Der Ton zeigt das Ziel.“
Margret und Hubertus fanden sich in einer viel größeren Höhle wieder. Man sah nicht einmal die Decke. Im Unterschied dazu stand kein großes Schloss in der Mitte, das die Höhle ausfüllte, sondern viele kleine Hütten, die sich aneinander kuschelten.
Seltsam mutete die Architektur an, denn diese Häuser besaßen keine Ecken in dem Sinne, sie waren vollkommen rund gebaut und an der Stelle, an der eigentlich ein Dach hätte sein müssen, saß auf dem Haus eine große, runde Kugel auf.
In dieser großen Kugel befand sich jeweils ein großes ebenso rundes Fenster aus Glas, durch das man, wenn man sich etwas Mühe gab, ins Innere des kleinen Hauses schauen konnte.
Die beiden Reisenden standen abseits des Gewusels und Trubels, das in den Straßen vor sich ging. Lauter bunte Wesen mit kurzen Beinen gingen ihren Aufgaben nach und trugen Körbe und etliche andere Dinge durch die Gassen.
„Wir sind angekommen. Das, was du hier siehst, ist die Stadt der Squirels, Squirelton. Er steht öfter geschrieben, wenn es um die Felder und das Wunder von Squirilion geht“, erklärte ihr Hubertus. Margret hatte davon noch nie etwas gehört, doch der Anblick faszinierte sie. Sie konnte sich nicht satt sehen an den vielen Farben. Ein jeder von ihnen sah anders aus und wenn er sich nicht durch seine Farbe von einem anderen Artgenossen unterschied, so durch unzählige Formen. In der kurzen Zeit erspähte Margret einige, die Fell trugen, manche, die wiederum nur eine Haut hatten, und einen, der über den Körper verstreut leuchtende Schuppen trug. Dann lief ganz dicht an Margret ein blauer Bewohner vorbei, der lange Stacheln auf seinem gesamten Körper trug, doch bevor Margret auch nur einen Schritt zur Seite gehen konnte, in der Angst von den Stacheln getroffen zu werden, war dieser auch schon an ihr vorbeigeeilt und die anfänglich bedrohlich aussehenden Stacheln bogen sich ganz sanft an ihr vorbei.
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