Herausfordernd grinste sie ihn an.
Warum sollte sie das Unvermeidliche unnötig lange hinauszögern?
Mit einem tiefen Seufzen schloss Cathrynn ihre brennenden Augen, als sie sich auf die Predigt einrichtete, die nun zwangsläufig folgen würde – so wie all die Male zuvor.
Es war ein Ritual nach festen Spielregeln, dass sie jedes Mal in stillschweigender Übereinkunft aufführten, ohne jemals gravierend von dem vorgefassten Drehbuch abzuweichen. Er tadelte sie wegen ihres Verhaltens und beschwor sie dann, endlich einzusehen, dass dies hier keine Lösung war.
Womit er, das wusste sie, vollkommen Recht hatte.
Es war eine Flucht.
Das reichte ihr.
Sie gab sich unnachgiebig in ihrem Beharren, dass ihr Leben keinen Sinn mehr machte und forderte, dass er ihre Entscheidung endlich akzeptierte.
Das tat er nie.
Schließlich war sie es immer, die nach einem lautstarken Streit einlenkte und versprach, dass sie es nie mehr tun würde, dass sie versuchen würde, endlich mit der Vergangenheit abzuschließen.
Auch wenn sie beide ganz genau wussten, dass sie log, nahm er ihr Versprechen hin und sie waren wieder Freunde.
„Was soll ich noch sagen, außer dass du durchgeknallte Schlampe mich hundert Mäuse gekostet hast“, knurrte Nathan trocken.
„Ich war echt so dämlich dagegen zu wetten, dass du dich nach deinem letzten Versuch nochmal steigern könntest“, fuhr er mit einem bitteren Lachen fort.
„Ihr habt inzwischen Wetten darauf laufen, ob ich mich versuche umzubringen?“, keuchte sie fassungslos.
Das konnte nicht wahr sein!
„Die Wetten laufen schon seit deinem zweiten Selbstmordversuch, ich habe nur bisher nie mitgemacht“, gestand Nathan gleichgültig.
„Aber ich glaube, das nächste Mal sollte ich besser gegen dich wetten, oder?“
Sie blickte den stämmigen Hunter weiterhin fassungslos an.
Das konnte nur ein schlechter Scherz sein, den Nathan sich hier mit ihr erlaubte.
Ein Schnauben rollte über ihre Lippen.
„Was?“, fragte Nathan mit einem desinteressierten Schulterzucken.
„Ich glaube es echt nicht, dass ihr Wetten auf mein Leben abschließt!“
Das war pervers .
„Du tust gerade so, als würde dir dein Leben etwas bedeuten!“, konterte er wegwerfend.
„Ich dachte wir sind Freunde!“
Sie bedachte Nathan mit einem anklagenden Blick, den er mit einem weiteren harten Lachen quittierte.
„Witzig, diese Worte gerade aus deinem Mund zu hören!“
„Was soll das nun wieder heißen? Ich bin es schließlich nicht, die irgendwelche kranken Wetten gegen dich abschließt!“, fuhr sie ihn beleidigt an, was dem Mann an ihrem Bett ein weiteres kurzes Lachen entlockte.
„Nur um das klarzustellen: Ich habe nicht gegen dich gewettet!“, betonte er ruhig, bevor seine Gesichtszüge sich verhärteten.
„Aber um deine Frage zu beantworten: Würdest du dein aktuelles Verhalten ernsthaft als Ausdruck von Freundschaft bezeichnen wollen?“, polterte er los. Sein Blick bohrte sich in ihren.
„Ich war in der letzten Zeit vielleicht etwas neben der Spur, das gebe ich gerne zu“, setzte Cathrynn ruhig an.
Sie wusste, wenn sie sich jetzt nicht zusammenriss, würde sie jeden Moment explodieren und das Ausmaß der daraus resultierenden Zerstörung konnte sie nicht absehen.
Wenn es so weiterging, dann würde heute Blut fließen und sie wirklich in der Gummizelle landen, soviel war sicher.
„Aber das ist mit Sicherheit kein Grund, aus der ganzen Geschichte so ein gottverdammtes Drama zu machen!“
Er quittierte ihre Worte mit einem fassungslosen Prusten.
„Du bezeichnest deinen Zustand als „ etwas neben der Spur “? Meine Liebe, das ist die Untertreibung des Jahrhunderts!“
Nathan erhob sich mit einem ärgerlichen Grunzen.
Ein flüchtiger Blick in seine Augen machte ihr deutlich, dass sie im Moment nicht die Einzige war, die kurz vor einer Explosion stand.
„Der Whiskey-Schlaftabletten-Cocktail hätte, für sich genommen, mehr als ausgereicht, um einen ausgewachsenen Elefanten ins Jenseits zu befördern! Aber du überlässt zum Glück nichts dem Zufall und kommst dann noch auf die grandiose Idee, dir die Pulsadern aufzuschneiden!“, er unterbrach sich mit einem bitteren Lachen.
„Ich bin nur froh, dass du dich bis heute noch nicht endgültig entschieden hast, ob du dir die Kugel durch die Schläfe oder durch den Mund ins Hirn jagen willst!“
Cathrynn zuckte kurz zusammen, als er auf ihren vorletzten Selbstmordversuch anspielte, den er, wie die drei davor, vereitelt hatte.
„Der Notarzt, den ich gerufen habe, wusste gar nicht, womit er sich zuerst befassen sollte. Damit, deine Blutungen zu stillen oder damit, dir den Magen auszupumpen“, schloss er mit einem ärgerlichen Knurren.
„Du hättest den Notarzt nicht zu rufen brauchen!“, fauchte Cathrynn aufgebracht.
„Du kannst dich darauf verlassen, dass ich es beim nächsten Mal nicht tun werde!“
„Hervorragend, Dr. Gregory! Wir machen augenscheinlich Fortschritte!“
„Merkst du eigentlich nicht, wie lächerlich das ist?“, seufzte Nathan kopfschüttelnd und setzte sich dann wieder zu ihr ans Bett.
„Cat, ich will dir wirklich nichts Böses und wenn wir beide ganz ehrlich sind, dann weißt du selber, dass es so nicht weitergehen kann!“
„Wage es dich nicht, mir jetzt mit diesem Psychodreck zu kommen!“, fuhr sie ihm brüsk über den Mund.
„Selbst du solltest inzwischen begriffen haben, dass der bei mir wirkungslos ist!“
In ihrer jetzigen Verfassung war sie ganz sicher nicht mehr zugänglich für sachliche Argumente.
„Kein Grund gleich aggressiv zu werden“, betonte Nathan gelassen.
„Werde du nicht so herablassend!“, brüllte sie ihn an. Sein ruhiges Gebaren machte sie rasend.
Er blickte sie einen Moment ärgerlich an, dann seufzte er wieder tief.
„Lass es gut sein, Cat. Es bringt sowieso nichts“, murmelte er kopfschüttelnd, bevor er sich langsam erhob.
Sie blickte ihn perplex an, als er sich abwandte, um das Zimmer zu verlassen.
Seine zur Schau getragene Resignation hatte ihr den Wind aus den Segeln genommen.
„Es tut mir Leid“, flüsterte sie tonlos und befürchtete für einen Moment, dass Nathan sie nicht gehört hatte.
Sie räusperte sich, um den Kloß, der ihre Kehle zuzuschnüren drohte, herunter zu würgen.
„Was genau tut dir leid? Dass du es wieder nicht geschafft hast, dich ins Nirwana zu befördern?“, hakte Nathan, weiterhin in diesem unerträglich müden, resignierenden Tonfall, nach.
Wider Erwarten hatte er sie doch gehört und war im Türrahmen stehen geblieben.
Cathrynn musste bei seinen letzten Worten hart schlucken.
Das Brennen in ihren Augen war ein verlässlicher Vorbote eines Schwalls unerwünschter Tränen, die nur darauf lauerten, fließen zu dürfen, doch dazu wollte sie es nicht kommen lassen.
Sie würde unter keinen Umständen schon wieder plärrend vor Nathan zusammenbrechen.
„Nate, ich weiß auch nicht, was mich wieder geritten hat“, gestand sie mit zitternder Stimme.
Sein Verhalten begann sie ganz langsam auf einen emotionalen Zusammenbruch zuzutreiben und für einen Moment fragte sie sich hoffnungsvoll, ob das nicht nur eine neue Masche war.
„Müsste ich raten, würde ich sagen, höchstwahrscheinlich derselbe Schwachsinn, der dir inzwischen seit fast sechs Monaten durch den Kopf spukt“, ließ Nathan sich zu einer trockenen Erwiderung herab, während er weiterhin im Türrahmen lehnte und sie mit verschränkten Armen musterte.
„Es tut mir wirklich leid! Verdammt, was soll ich denn sonst noch sagen?“
Cathrynn erschrak über die Müdigkeit in ihrer eigenen Stimme.
Ihre Resignation war echt, das fiel ihr in diesem Moment zum ersten Mal auf.
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