„Wunderbar, einfach beschissen wunderbar!“, murmelte sie in den Kragen des schwarzen Baumwollhemdes, das sie unter der kugelsicheren Weste trug, während ihre Hand fahrig eine Strähne ihres schwarzen Haars, die sich aus dem Knoten gelöst haben musste, hinter ihr Ohr schob.
Selbstmitleid war jetzt gerade sicherlich nicht die Lösung, dennoch war diese Regung endlich einmal erfrischend normal in Anbetracht der Situation.
„Dein bescheuerter Ehemann hat beschlossen, noch einmal nach Serpentine zu suchen!“, knurrte eine Stimme neben ihr. Cathrynn wandte den Kopf, während ihr Herzschlag sich noch einmal beschleunigte und ließ ihren Blick kurz über den schlanken hochgewachsenen Mann, der neben sie getreten war, schweifen.
Das schwache Licht aus dem Innenraum des Transporters verlieh seinem grauen Haar einen fast silbernen Glanz und der tanzende Widerschein der Flammen, schien seine leblosen grauen Augen in flüssigen Stahl zu verwandeln, während Frank Jackson, der Leiter ihrer Spezialeinheit, die Hände in den Taschen seiner abgetragenen braunen Lederjacke vergraben, die genau wie sein Gesicht, von den unzähligen Kämpfen der mehr als zwei Jahrzehnten gezeichnet war, zu ihr blickte.
Nickend schloss Cathrynn die Augen.
„War nicht zu überhören“, murmelte sie abwesend, als in ihrem Geist bereits einige Rettungsszenarien Gestalt anzunehmen begannen, für den Fall, dass die Männer in den nächsten paar Minuten nicht herauskämen.
Sie blickte kurz auf ihre Uhr. Es mochten vielleicht zwanzig Minuten seit dem Rückzugbefehl vergangen sein, schätzte sie, und der Großteil der Hunter hatte inzwischen das Gebäude verlassen, stellte sie frustriert fest, als zwei weitere, der vier fehlenden Kollegen sie passierten.
„Seid ihr irre?“, brüllte Frank den beiden Neuankömmlingen zur Begrüßung zu. Ausnahmsweise sprach er ihr damit aus der Seele.
„Ich sollte euch für die Scheiße abknallen, wenn wir nicht jetzt schon dermaßen unterbesetzt wären!“, tobte er weiter, doch Cathrynn schenkte seinem Wutanfall keine besondere Aufmerksamkeit.
Langsam glitt ihre Hand in die Tasche ihrer schwarzen Hose und förderte nach einigen umständlichen Fehlversuchen, ein Päckchen Zigaretten hervor. Sie hoffte, das Nikotin würde ihre Nerven lange genug beruhigen, bis sie wusste, ob sie noch einmal zurück ins Haus musste oder nicht, denn noch immer waren zwei ihrer Kollegen vermisst und ihre Chancen wurden mit jeder weiteren Minute, die verstrich, schlechter.
Ein lautes Poltern durchschnitt ihre Gedanken und mit einem heiseren Stöhnen wandte sie den Blick zurück zu der brennenden Hausfront, in Erwartung des Schlimmsten. Noch wehrte das Haus sich gegen den unvermeidlichen Einsturz, wenngleich ein Teil des Dachstuhls gerade eingeknickt war.
Es war nur noch eine Frage von wenigen Minuten bis der Rest des Gebälks dieses Schicksal teilen würde.
„Ich kann hier nicht länger herumstehen!“, murmelte sie mit einem weiteren kurzen Blick zu Frank, der prüfend die Augen zusammenkniff, als sie ihre Beretta entsicherte und sich vom Transporter abstieß.
„Was denkst du, wo du hingehst?“, fragte ihr Vorgesetzter barsch. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er die Antwort auf seine Frage bereits kannte.
„Ich werde John und Ian jetzt rausholen, vielleicht ist den beiden etwas passiert“, antwortete sie trotzdem.
Dann presste ein harter Aufprall ihr die Luft aus den Lungen, als Frank sie an den Schultern packte und gegen die Außenwand des Transporters stieß.
„Einen Scheißdreck wirst du, Rayven! Ich schicke nicht noch einen dritten Agenten für nichts und wieder nichts in den Tod!“
Sein Blick hatte sich in ihren gebohrt und einen Augenblick verharrten die grünen Augen der Hunterin unschlüssig auf dem zerfurchten Gesicht, das ihr in all seinen Facetten so vertraut war, als sie sich, wie schon viel zu oft in der Vergangenheit, zu fragen begann, was jenseits der kalten Maske vor sich ginge, zu der Franks Züge, solange sie denken konnte, erstarrt waren.
Falls überhaupt etwas hinter ihr vorging , dachte sie mit aufkeimender Bitterkeit, als sie durch das Heben der Hände ihre Aufgabe signalisierte, denn solange sie Frank kannte, war er nie ein Mann großer Gefühlsregungen gewesen.
Franks behandschuhte Finger verschwanden von ihren Schultern, während sie sich fassungslos zur Ordnung rief. Sie hatte jetzt gerade eindeutig wichtigere Probleme, als Frank schon wieder zu analysieren, das hatte sie eigentlich schon vor vier Jahren aufgegeben.
Ihre Gedanken schweiften zurück zu den vordringlichen Problemen des Abends und der Frage, wie sie es am Effektivsten schaffen konnte, innerhalb weniger Minuten zwei möglicherweise verletzte Männer, aus dem brennenden Haus zu holen.
„Sie werden gleich herauskommen!“, versicherte sie sich stumm.
Diese vier Worte schienen für sie inzwischen zu einem Mantra geworden zu sein.
Mit einem weiteren kurzen Blick auf ihre Uhr beschloss sie, ihren beiden Kollegen noch fünf Minuten zu geben, bevor sie Frank notfalls außer Gefecht setzen würde, um zurück in das brennende Haus zu gelangen.
Noch immer war keine Spur von den beiden Männern zu sehen und wie immer in solchen Situationen hoffte Cathrynn inständig, dass sie heute keine Verluste erleiden würden. Wenngleich mit dieser Option immer und überall zu rechnen war. Der Job, den sie hier machten, war zu riskant, als dass es Grund zu dieser fast schon absurden Hoffnung gegeben hätte.
Selbst dann nicht, wenn es sich wie heute Abend, theoretisch , um einen Routineeinsatz handelte.
Doch so schön die Theorie auch manches Mal sein konnte, in der Praxis war das von jedem einzelnen Hunter zu tragende Risiko immer immens hoch; besonders dann, wenn Idioten wie McConaghey, irgendwann außer Kontrolle gerieten und auf eigene Faust weiter operierten.
Dennoch kannten sie alle die Risiken und sie alle nahmen sie billigend in Kauf, waren viel mehr sogar gerne bereit, falls notwendig, jenen letzten Dienst zu leisten und ihr eigenes Leben im Kampf gegen die Terroristen, die sie jagten, zu opfern.
Sie erinnerte sich, dass sie in den letzten zwei Jahren, öfter als es ihr lieb gewesen war, hatte miterleben müssen, wie Kollegen nach einem Einsatz spurlos verschwunden geblieben waren oder hilflos hatte zusehen müssen, als andere starben, nicht fähig mehr zu tun, als ihnen in ihren letzten Zügen die Hand zu halten.
Sie hatte das Leid der Familien miterlebt, die Ungewissheit, Angst und Verzweiflung der Hinterbliebenen, aber auch die eigene Hilflosigkeit in solchen Situationen, die Unsicherheit im Umgang mit den Angehörigen, die in der Regel niemals erfuhren, was ihrem Familienmitglied wirklich zugestoßen war.
Sie hatte schon zu oft all die Plattitüden gesagt, derer man sich in solch einer Situation bediente, doch noch immer zermürbte es sie.
MIA und KIA , das Verschwinden oder der Tod eines Agenten im Einsatz für sein Land, hießen diese beiden wohl härtesten Lektionen, die sie in viereinhalb Jahren, die sie innerhalb der Hunter diente, hatte lernen müssen und auf die sie niemand während ihrer Ausbildung zur CIA Agentin hatte vorbereiten können.
Eine Bewegung in ihrem Augenwinkel lenkte kurz ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Automatisch drehte sie den Kopf etwas nach links und sofort traf ihr Blick sich mit dem des stämmigen Mannes, der sich gerade zu ihr und Frank gesellt hatte.
Sie spürte seine warme Hand, die sich auf ihre kalte legte, gleichwohl als hätte er durch die dünne Wand des Transporters ihre Gedanken gelesen.
„Sie werden es schaffen, da bin ich mir sicher“, flüsterte ihr Hunter -Kollege und bester Freund, Nathan Gregory ihr aufmunternd zu, doch ein prüfender Blick in seine haselnussbraunen Augen verriet ihr deutlich, dass er nicht halb so viel Zuversicht empfand, wie er mit seinen Worten zu vermitteln versuchte.
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