Man lacht heute auch gerne über Talismane und glaubt, dass Gegenstände nichts Übertragbares enthalten können, es sei denn Bazillen, die man im plump-physischen Sinne greifbar nachweisen kann. Das ist nicht ganz der Fall. Ich selbst habe oft einem medial oder hellseherisch Veranlagten Gegenstände von Personen gegeben, die ihm völlig fremd waren, und nach denen er mir genau Aussehen und Schicksal der fraglichen Personen beschrieben hat. Denken Sie daran, mit welcher Genauigkeit die sogenannte Seherin von Prevorst alle Dinge genau unterschied, ohne sie zu sehen, wie sie auf das Bestimmteste angab, ob sie Silber, Blei, Gold oder Kupfer in der Hand habe. Es ist heute noch sehr interessant, Kerners »Seherin von Prevorst« zu lesen. Freilich ist es ein Buch, das eine gewisse Kenntnis des Okkultismus voraussetzt, wenn man viel davon haben will. Zum Kennenlernen des Gebietes sind die Bücher der heutigen Forscher wohl vorzuziehen.
Sie sehen aus alledem bereits, in welcher Richtung Sie hier einige Erklärungen zu suchen haben werden. Sie brauchen bloß das Problem der sogenannten Hyperästhesie oder Überempfindlichkeit zu studieren, resp. seinen Gegenpol, die Anästhesie oder Unempfindlichkeit. Aus dieser Anästhesie heraus lassen sich viele Erscheinungen erklären, die uns aus den Zeiten der frühchristlichen Mystik von Schmerzunempfindlichkeit berichtet und die ebenfalls allzu gerne ins Gebiet der Fabel verwiesen werden. Auf ähnlicher Grundlage stehen auch die angezweifelten oder auf die Eselsbrücke der Selbsttäuschung geschobenen Experimente der Fakire, der Derwische und die verwandten Leistungen der niederen Magie. Man nennt das gerne Schwindel, vergisst dabei aber die Tatsache, dass zum Beispiel die meisten Schwerverbrecher anästhetisch sind, woraus sich auch ihre oft eminente Rohheit herleiten lässt. Ich selbst habe in der Psychiatrischen Klinik in Leipzig einen Schwerverbrecher gesehen, der sich eine große Nadel durch die Hand und die Wange stach, ohne jede Schmerzempfindung und ohne einen Tropfen Blut zu verlieren. Das einzige Sekret war ein schwacher Tropfen Blutwasser. Hier liegt eine Parallele, die sich geradezu mit Fingern greifen lässt. Sie sehen also, ganz so leicht wird einem das Ablehnen aller okkulten Tatsachen und das vermeintliche Drüberstehen vom hohen Olymp unserer heutigen Scheinkultur nicht gemacht. Beispiele der sogenannten Exteriorisation, das heißt des Verlassens des physischen Körpers in einem feinstofflichen, möchte ich Ihnen heute noch nicht geben. Es ich vielleicht etwas viel auf einmal für diejenigen, die sich an eine Neuwertung der Begriffe erst gewöhnen müssen. Ich werde Gelegenheit dazu haben, wenn ich Ihnen das Gebiet der niederen Magie schildern und erklären werde.
Heute kommt es mir nur darauf an, Sie in das Gesamtgebiet, das wir in den nächsten Vorträgen besprechen werden, gleichsam hineinzusetzen, damit Sie selbst mit darin sind und nicht nur die Tatsachen an sich vorüberziehen lassen. Glauben Sie auch, bitte, nicht, dass ich Ihnen einzelne, besonders seltene Fälle herausgreife. Es gibt über diese Phänomene eine Fülle streng wissenschaftlicher Literatur, streng wissenschaftlich im Sinne der heutigen Hochschulbildung und des rein verstandesgemäßen Denkens. Was ich heute erwähnte, waren noch keine für viele Wissenschaftler strittige Namen der höheren Esoterik, wie Theophrastus Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, Jakob Böhme, Angelus Silesius, Swedenborg und andere, es sind streng akademische Namen, wie zum Beispiel Alfred Russel Wallace, Crookes, Aksakow, Kotik, du Prel, Reichenbach, Daumer, Perty, Rochas, Flammarion, Richet, Schrenck-Notzing, Kemmerich und ähnliche.
Ich habe meine Beispiele bisher aus diesem Gebiet menschlichen Denkens geholt, um Ihnen zu zeigen, dass selbst vom Standpunkt des reinen Verstandes der Okkultismus ein nicht zu umgehendes Problem ist. Mit dieser Einschätzung soll natürlich keineswegs gesagt sein, dass die letztgenannten Forscher sich auf ein niederes Verstandesdenken beschränkt hätten. Hätten sie das getan, wären sie wohl, wie die akademische Mehrzahl der Nichtpersönlichkeiten, ängstlich diesen schwierigen Fragen aus dem Wege gegangen. Es soll damit nur festgestellt werden, dass diese Forscher erst einmal die auch dem Materialisten gangbare Brücke zu schaffen versuchten und damit ihre Forschung auf die Schwelle zwischen dem allgemein Bekannten und den ersten Anfängen des Unbekannten zu stellen hatten.
Es ist nun meine Aufgabe, Sie auch in die höhere Esoterik, in höheres, über dem Verstand lebendes Denken einzuführen, bevor ich bei dem einen wie dem anderen auf genaue Schilderung und Erklärungen eingehen kann. Sie werden mich nun fragen, was ich unter höherem Denken verstehe, und ich möchte Ihnen dafür ein Beispiel nennen. Denken Sie sich den Keim einer Sonnenblume, der doch gewiss etwas Reales ist. Denken Sie sich, dass dieser Keim wächst, Blätter und Blüten bildet, und in diesen Blüten wieder tausend Keime sitzen, die das gleiche ergeben und also in sich tragen. Stellen Sie sich vor, dass also im ersten Keim von Anfang an enthalten waren alle die tausend Blüten und abertausend Keime in die Unendlichkeit hinein. Ich habe diesen Gedanken, der eigentlich bereits eine Meditation ist, in meinem Buche »Genius astri« künstlerisch behandelt. Oder denken Sie daran, dass Getreidekörner, die man in den Pfahlbauten der Schweiz fand, noch nach Tausenden von Jahren keimfähig geblieben waren. Das sind Gedanken, die verstandesgemäß nicht denkbar, nur im höheren Denken erahnbar, auf Kräfte hinweisen, die weit stärker und realer sind, als alle greifbaren und analysierbaren Dinge, so wenig sie physisch greifbar sind.
Schon hier, beim einfachsten Beginn höheren Denkens, erhält man ein Bild davon, dass das eigentliche Leben, das eigentlich Wirkliche sinnlich nicht fassbar ist. Es ist wertvoll, sich öfters solchen Gedanken hinzugeben, sie bringen einen dem Kosmischen, dem Weltgeschehen näher, von dem das reine Nützlichkeitsdenken so sehr entfernt. Wie wichtig das ist, werden Sie sehen, wenn ich Ihnen später immer weiter erklären darf, dass der Mensch ein Mikrokosmos im Makrokosmos ist, eine kleine Welt in der großen, verbunden untereinander mit Fäden, die zu überschauen menschliches Begreifen übersteigt. Ich werde darauf zurückkommen bei Besprechung der Astrologie, aber etwas über Astrologie will ich Ihnen gleich jetzt in diesem Zusammenhange sagen. Sie werden nun einwenden, dass Sie gewiss manches zugeben wollen, dass aber Astrologie denn doch ein überwundener Aberglaube sei. Auch diese Illusion muss ich Ihnen nehmen, und ich tue das vorläufig nur ganz im Vorübergehen, um Ihnen den Zusammenhang des Menschen mit der Umwelt, dem Kosmischen, zu zeigen, auch des heutigen Menschen mit seiner drahtlosen Telegrafie, seinen Flugzeugen und allen den vielen ähnlichen Errungenschaften der Technik, mit denen man gegenwärtig glaubt, sich von der Natur emanzipiert zu haben. Der Arzt Dr. Wilhelm Fließ hat aufgrund äußerst mühsamer und sorgfältiger Forschungen festgestellt, dass Beginn und Schluss allen Lebens auf bestimmte periodische Tage fallen. Im Auszug hat er diese Tatsachen in einer kleinen Schrift »Vom Leben und vom Tode« (Eugen Diederichs Verlag, Jena) niedergelegt, in der er unter anderem sagt, dass alles Leben nach einem inneren, in der lebendigen Substanz selbst gegebenen Mechanismus abläuft, einem Mechanismus, welcher für den Menschen, das Tier und die Pflanze der gleiche ist, einem Mechanismus, der die Stunde unserer Geburt mit der gleichen Sicherheit kündet wie die des Todes. In der Natur ist eben alles nach Maß und Zahl geordnet, und auch die moderne Wissenschaft muss die von Fließ zitierten Worte des Pythagoras »Gott rechnet« wieder aufnehmen und unterschreiben. Denken Sie daran, welche Merkwürdigkeiten beim Versehen schwangerer Frauen stattfinden, wie stark kosmische Einflüsse hier auf den durch das Schaffensmysterium überempfänglich gewordenen Mutterleib einwirken können, so haben Sie wieder ein Beispiel für kosmische Verbindungen, die keinem Eigenwillen oder Eigendenken unterliegen. Als besonders interessant will ich noch ein Kuriosum erwähnen, das du Prel in seiner »Magischen Psychologie« anführt, nämlich dass der Hofrat Spener, Berlin, in seinem Naturalienkabinett ein Ei hatte, während der Sonnenfinsternis 1706 gelegt, mit dem Bild der Sonne, vor welche der Mond tritt. Dr. Fließ hat übrigens auch die engen Beziehungen aufgedeckt, die zwischen Mutter und Kind auch nach der Geburt, bis zu dessen siebentem Lebensjahre, dauern und sich in Zusammenhang mit der monatlichen Regel der Frau bringen lassen. Die Existenz eines Menschen ist eben, um du Prels Worte zu brauchen, viel wunderbarer als sämtliche Gespenster. Sie sehen, es ist nicht gut möglich, Astrologie ganz einfach abzutun, bloß weil sie einem unbequem ist.
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