Ich will Ihnen nun einige Tatsachen nennen, mit denen Sie sich abfinden müssen und die von der Wissenschaft beglaubigt, wenn auch nicht erklärt sind. Natürlich darf man sich, wenn man überhaupt denken will, nicht auf den Standpunkt des absoluten Ignoranten stellen, der eine Tatsache, die er oder seine wissenschaftliche Autorität nicht erklären kann, für keine Tatsache mehr ansieht. Ich werde Ihnen diese Dinge, wie überhaupt das ganze Gebiet der sogenannten niederen Magie später ausführlicher erläutern, ich will aber erst eine gewisse Gesinnung erzielen, da Sie sonst bei den späteren Erörterungen kaum mitgehen würden.
Vergessen Sie bitte nicht, dass es nicht nur darauf ankommt, dass Sie eine Reihe von Tatsachen erfahren, sondern dass bei Betrachtung gewisser Erscheinungen allmählich etwas organisch in Ihnen entwickelt wird, was in Ihnen liegt als eine Art übersinnlicher Organe, eines anderen Auffassungsvermögens, das in jedem Menschen vorhanden ist und das am meisten Ähnlichkeit haben dürfte mit dem Denken künstlerischer Intuition. Es gibt auch im menschlichen Körper Teile, die physisch nicht erklärbar sind, zum Beispiel das sogenannte Sonnengeflecht im Nervensystem in der Gegend der Magengrube, für das eine andere Bestimmung bisher nicht gefunden werden konnte, als die eines Grenzorganes zwischen den Organen des Sinnlichen und Übersinnlichen. In dem Sinne bedeutet auch richtige Beschäftigung mit dem Okkultismus die Erhöhung der Lebenspotenz bis zur Harmonie von Denken, Fühlen und Wollen, die Sie wohl schon oft im Symbol des Dreiecks dargestellt sahen. Es werden neben Kenntnissen, die verstandesgemäß fassbar sind, Kräfte in Ihnen wachgerufen, die in Ihnen allen latent sind und die Sie nun entwickeln nicht mehr mit der Weltabgewandtheit des Inders, sondern mit dem vollen Ichbewusstsein des Europäers. Tun Sie das, werden Sie gewiss der einmal geübten Mystik alter Kulturen in ihrer Gruppenhaftigkeit und ihrer Weltflucht überlegen, – tun Sie das nicht, sind Sie heute noch mit dem gewöhnlichen Verstandesdenken dem Orient gegenüber der unterlegene Teil.
Ich sprach eben von einem Symbol, und ich will Ihnen gleich auf diesem Gebiet eine Reihe verbindender Beispiele geben, die Ihnen auch das Wesen des Symbols charakterisieren mögen, das alles andere ist, als ein beliebig ausgedachtes Zeichen. Allgemein gilt das Kreuz lediglich als christliches Symbol. Sie finden es aber durchgehend in der Geschichte aller Völker, und wenn Sie tiefer in das Wesen der Symbole eindringen, werden Sie bemerken, dass man damit früher nicht, wie heute vielfach, spielte, sondern sehr reale Vorstellungen mit diesen Zeichen verband. Sie finden in Indien das Hakenkreuz oder sogenannte Svastika,
auch der arischen Kultur Europas geläufig, in Ägypten das Thau
, den Lebens- oder Nilschlüssel. In den christlichen Gemeinschaften das Kreuz in verschiedenen Formen, zum Beispiel das Templerkreuz T, das Andreas- oder Malkreuz X und die der griechischen
und der römischen Kirche † eigenen Formen. Auch die Freimaurer stellten die Weltkugel gerne dar überspannt mit dem Zeichen des Kreuzes, das gleichsam darauf geflochten ist. Es bedeutet die Stellung, in der die Weltseele über die Erde gespannt ist. Ferner nenne ich Ihnen noch das Fünfeck oder Pentagramm
als Zeichen des Ichs. Abgesehen von anderen Bedeutungen dieser Figur entspricht die Stellung des Menschen mit ausgestreckten Armen und Beinen in der Form des Pentagramms am meisten dem Kreislauf der rein pflanzlichen Kräfte seines Körpers. Versuchen Sie einmal, sich nach einer völligen Erschöpfung in dieser Lage zu erholen, und Sie werden sehen, dass die Erholung unendlich viel schneller vor sich geht, als in anderer Lage. Es steckt eben in diesen Dingen ein ganzes Stück unbekannter oder heute vergessener Naturwissenschaft.
Ich möchte Ihnen nun noch einige andere Gesichtspunkte geben: Denken Sie einmal darüber nach, dass die Sphinx von Gizeh komponiert ist aus einem Menschen, einem Löwen, einem Stier und einem Adler. Das aber sind die vier Wesenheiten der Apokalypse des Johannes. Es handelt sich bei diesen Überlieferungen oder bei Büchern, wie dem indischen Veden, der Bibel usw., um sogenannte Schlüsselbücher, hinter deren Bildern oder Worten gewisse Deutungen und Naturgeheimnisse liegen. Der heilige Augustin, den gewiss niemand für einen Dummkopf erklären kann und der auch kirchlichen Kreisen als einer der besten Bibelkenner bekannt sein wird, hat einmal gesagt, dass allein in der Schöpfungsgeschichte des Fünfbuches Mosis jedes Wort eine vierfache Bedeutung habe. Gerade in der jetzigen Zeit, wo der Materialismus bankrott gemacht hat und alles sich nach religiös orientierten Erklärungen der Weltkatastrophe sehnt, tauchen auch die verschiedensten Bibeldeutungen wieder auf, auch solche, die sich auf erstaunlich genaue Berechnungen der eingetretenen Ereignisse zu stützen vermögen. Sie haben nicht alle recht, schon deshalb nicht, weil sie oft fanatisch vertreten werden, und ich kann es nicht genug betonen, dass jede Art von Fanatismus auf dem Gebiet des Übersinnlichen noch verhängnisvoller wirken muss als auf dem des sinnlich Wahrnehmbaren.
Fanatismus führt vom Erleben allemal ab in Dogmatismus, in Gedankenstarre, und es liegt auf der Hand, dass eine solche Erscheinung weit verwirrender wirken muss da, wo es sich um intuitives, um höheres Denken handelt, das allem Dogmatischen wesensfern in sich ist, als beim gewöhnlichen Verstande, dessen bescheidene Wahrnehmungen sich weit eher in ein dogmatisches System bringen oder einem solchen annähern lassen. Auch darum aber haben diese oft recht interessanten Deutungen nicht recht, weil sie allein recht haben wollen. Sie mögen sonst in vielem sehr recht haben, aber sie haben nicht allein recht, sondern auch recht. Ein Urteilen hierin verlangt schon den Überblick über die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten, denn in allen solchen Büchern sind tatsächlich sehr verschiedene Deutungen und Geheimnisse gleichzeitig enthalten und nur mit verschiedenen Schlüsseln zugänglich. Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass zum Beispiel das Evangelium Johannis ein Buch ist, das demjenigen, der sich darin vertieft, alle Naturgeheimnisse zu offenbaren imstande ist. Sie mögen das nun glauben oder nicht. Freilich wird dabei eine Vertiefung vorausgesetzt, der sich der heutige Europäer ohne andere Hilfsmittel kaum noch hinzugeben vermag.
Gestatten Sie, dass ich Ihnen nun einige andere Gesichtspunkte nenne, die der heutigen Wissenschaft und dem ganz gewöhnlichen Verstandesdenken näher stehen und mit den Methoden dieses Denkens festgestellt worden sind. Nicht wahr, es ist üblich, die Hexenprozesse als überaus finsteren Aberglauben zu betrachten? Ich will gewiss nicht für das Verbrennen Stimmung machen, aber ich möchte darauf hinweisen, dass gewisse Ursächlichkeiten zu den Dingen, die da geschahen, doch vorhanden waren, ohne dass damit natürlich gesagt sein soll, dass der Hexenwahn als solcher zu beschönigen wäre. Nur waren die Leute damals doch nicht ganz so dumm, wie wir heute meinen. Sie erinnern sich an die sogenannte Hexenwaage: man wog die Hexen und befand, dass sie Hexen waren, wenn sie sehr leicht waren, oder man warf sie ins Wasser und verbrannte sie dann, wenn sie nicht untergingen, hielt sie aber für unschuldig, wenn sie untersanken und dabei oft genug auch ertranken. Das ist gewiss nicht sehr geistreich. Ebenso wenig geistreich aber ist unser heutiger Hochmut diesen Dingen gegenüber. Man hat nämlich bei wissenschaftlichen Experimenten der Gegenwart Medien gewogen und sie dann auf der gleichen Waage in Tieftrance versetzt, wobei man eine Gewichtseinbuße im Trancezustand bis zur Hälfte des normalen Körpergewichts festgestellt hat. Das klingt sehr sonderbar, aber Sie können das unter anderem nachprüfen in dem bekannten, sehr sorgfältigen Werk von Cesare Lombroso: »Hypnotische und spiritistische Forschungen«. Ich werde über diese Phänomene noch bei Behandlung des Spiritismus und des Hexenwesens sprechen, in dem Sie noch sehr viel erstaunlichere Dinge erfahren werden. Weiter: Der sogenannte aufgeklärte Mensch hält die Stigmatisationen, die Begabung mit den Wundmalen des heiligen Franz von Assisi und anderer christlicher Märtyrer und Heiligen für Unsinn, bestenfalls für eine hübsche Legende. Solche Stigmatisationen sind aber in wissenschaftlichen Experimenten durch Hypnose oder Autosuggestion in zahlreichen Fällen erzielt worden, die unter anderem Dr. Carl du Prel in seiner »Magie als Naturwissenschaft« namhaft macht, einem besonders für materialistisch orientierte Wissenschaftler sehr empfehlenswerten Werk.
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