1 ...8 9 10 12 13 14 ...32 Die Fläche musste gut fünfmal fünf Seillängen durchmessen, wenn nicht noch mehr. Für Kaltarra eine geradezu unverschämte Platzverschwendung. Die Zimmer würden ein Vermögen kosten.
Ich seufzte in stillem Gedenken an meinen einstigen Reichtum und widmete mich dann wieder der Betrachtung der Anlage.
Ungefähr eine Etage unterhalb des Dachs gab es über dem Innenhof eine Art Steg. Er verband alle Gebäude miteinander und erlaubte es, von einem zum anderen zu gehen, ohne dazu über den Hof zu müssen, der von den Gebäuden umschlossen wurde. Der Steg wurde von zwei Reihen schlanker Säulen aus rosanem Marmor getragen, zwischen denen es einen Wandelgang gab.
Mehr konnte ich über die Mauer hinweg noch nicht erkennen. Das Ganze wirkte sauber und freundlich, war aber im Grunde tatsächlich wie eine Festung konstruiert, die von außen sehr schwer zu erobern war.
Als wir am Tor ankamen, verabschiedete sich der Soldat mit einem zackigen Salut. Anaya, die hier bereits einmal zu Gast gewesen war, trat vor, um zu klopfen.
Noch bevor ihre Hand den Seilzug für die Glocke berühren konnte, mit der man sich hier ankündigen konnte, wurde das Tor geöffnet.
Eine in eine grüne, pelzgefütterte Seidenrobe gekleidete Frau in mittlerem Alter trat heraus. Der Rote Baum war in klein überall auf ihre Robe gestickt und auch auf die Haube, und den Hut, den sie darauf trug: „Ich bin Enid, Majora der Herberge zum Roten Baum. euer Besuch wurde uns bereits angekündigt. Die Räume stehen zur Verfügung, doch ehe ich euch willkommen heißen kann, muss ich einiges mit euch besprechen. Folgt mir bitte, wir wollen dies in angenehmer Atmosphäre tun.“
Sie machte eine einladende Geste und verschwand wieder durch das Tor.
Ich war angenehm überrascht. Mit einem freundlichen Empfang hatte ich gar nicht gerechnet nachdem uns bislang überall nur Misstrauen oder Ablehnung begegnet war. Wir folgten Enid in den Hof der Herberge, der tatsächlich drei oder vier Seillängen durchmaß.
„Lasst mich reden, ich kenne mich hier aus.“, flüsterte Anaya uns kurz zu: „Und bitte halt Dich zurück Drakk.“, fügte sie an mich gewandt hinzu. Ich machte ein unschuldiges Gesicht: „Hey, ich kann mich benehmen“, gab ich zurück.
Hinter mir hörte ich das Kichern von Jiang und ein unterdrücktes Schnauben von Kmarr, konnte aber gerade nichts darauf erwidern, da wir nicht alleine waren.
In einer Art weitem Spalier standen dort ein Dutzend und vier Männer und Frauen in diskreter, grüner Uniform mit dem allgegenwärtigen roten Baum darauf. Die Hälfte trug Säbel und Schilde und war unter der Kleidung in Kettengeflecht gerüstet. Die andere Hälfte hatte Bögen und einen Köcher mit Pfeilen. Alles was ich erkennen konnte, war von makelloser Sauberkeit und selbst die runden Messingknöpfe am Kragen glänzten im Feuerschein wie frisch poliert - was sie vermutlich auch waren.
Im Hintergrund standen zwei in wallende ebenfalls grünliche Roben gekleidete, ältere Männer, die unbewaffnet zu sein schienen. Der eine hielt ein Buch, während der andere eine kleine Schale mit Wasser vor sich auf dem Boden abgestellt hatte.
So wie sie uns musterten, glaubte ich sie als Arkanisten zu erkennen. Einen Augenblick später wurde meine Vermutung bestätigt, als sich ihre Augen bei meinem Anblick misstrauisch verengten. Sie nahmen mit Sicherheit meine unreine, dämonische Herkunft war.
Sie sagten nichts, allerdings bemerkte ich, wie der eine etwas in seinem Buch notierte. Darüber würde ich mir später Gedanken machen.
Enid führt uns in ein Nebengebäude, in dem wir beim Eintreten einen großen runden Tisch vorfanden um den herum genau so viele Stühle bereitstanden, wie wir benötigen würden. Auf dem Tisch standen Krüge mit warmem Gewürzwein und passende Becher dazu.
„Bitte nehmt Platz, eure Reittiere werden unterdessen versorgt werden.“, lud sie uns ein: „Und keine Sorge, wir wissen, dass es Nachtmahre sind. Wir werden uns entsprechend um sie kümmern. Das Kargat sollte uns allerdings besser Gesellschaft leisten. Derart exotische Tiere haben wir nur äußerst selten zu Gast.“
Ich fragte Enid nach Shadarr, sobald ich Platz genommen hatte.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf: „Nein, wir hatten noch kein Kargat hier zu Gast, aber viele andere Wesen, so dass wir wissen, das viele davon gefährlich und oft auch unberechenbar sind. – Auch wenn ich zugeben muss, dass diese gewöhnlich in Käfigen sitzen. Das ist auch ein Grund von mehreren, warum ich erst mit Euch sprechen möchte, ehe ich entscheide, ob wir euch Gastrecht gewähren, oder nicht.“
Wir machen überraschte Gesichter. Dies war vermutlich der einzige Gasthof, in dem man tatsächlich wusste, was Shadarr war und in dem vielleicht sogar schon mal jemand ein Kargat gesehen hatte.
Wir setzten uns um den Tisch herum und sogar Kmarr konnte sich über einen typischen Stuhl seines Volkes freuen. Er bettete jedoch zuerst die Magana vorsichtig auf einen Stapel Felle, die er auf dem Boden ausgebreitet hatte und deckte sie sorgsam zu, ehe er sich darauf niederließ.
„Ehe wir beginnen: Darf ich erfahren, was es mit der bewusstlosen Magana auf sich hat? Braucht sie Heilung? Wie ist es dazu gekommen?“, wollte Enid wissen.
Anaya berichtete in groben Zügen, was passiert war und woher die Magana stammte. Die Majora hörte interessiert zu.
„Da habt ihr ja eine ungewöhnliche Geschichte zu erzählen. Und eine beachtliche Leistung vollbracht, indem ihr eine Fremde unbeschadet bis hierhergebracht habt. Noch dazu eine selbstlose Tat für eine Unbekannte. Ich hoffe für euch, dass sie es euch danken wird.“
Gute Taten bleiben selten unbestraft, dachte ich wohl wissend, dass wir in diesem Fall bereits mehr Schwierigkeiten erlitten hatten, als es die Mühe wert war.
Sie macht ein sorgenvolles Gesicht: „Und für meine Heimat sind dies wahrlich düstere Aussichten. Krieg mit einem fremden Land, über das wir nichts wissen. Ich hoffe, ihr kommt wieder, wenn hier statt Armeen nur Händler zu Gast sind.“
„Auch uns tut leid, dass wir nicht in Friedenszeiten nach Kalteon kommen konnten, auch wenn wir alle in der Vergangenheit den ein oder anderen Aufenthalt hier hatten.“, antwortete Kmarr.
„Dann kennt ihr unser Land Talia sei Dank, auch während anderer Tage. Wir müssen einige Sorgen besprechen, die ich mir mache und die euren Aufenthalt in unserem Haus verhindern könnten. Nur wenn ihr sie alle zu meiner Zufriedenheit ausräumen könnt, werde ich Euch erlauben, hier Zimmer zu bewohnen.“
Anaya nickte: „So soll es sein. Ich war bereits Gast in Eurem Haus und kenne Eure Regeln. Aber vielleicht seid ihr so gut und erklärt sie meinen Freunden. Wir hatten bisher keine Gelegenheit, darüber zu sprechen.“
„Ihr seid Anaya'Saar. Natürlich weiß ich, dass ihr hier schon zu Gast wart. Ein Argument, dass für euch spricht.“, erklärte Enid: „Unser Haus hat eine lange Tradition als Herberge für wichtige Persönlichkeiten, Adlige und reiche Händler. Wir haben auch schon den König von Orenoc hier beherbergt und andere, fast ebenso wichtige Besucher. Daher ist es für uns besonders wichtig, dass unsere Gäste stets unter ihresgleichen bleiben und nicht durch gewöhnliche Reisende gestört werden.“
„Bitte, das ist keine Beleidigung, die gegen euch gerichtet ist“, ergänzte sie, als sie merkte, dass ich aufbegehren wollte: „sondern eine Betrachtung, wie sie unsere sonstigen Gäste teilen. Ihr seid – verzeiht mir bitte die Worte – Söldner oder Abenteurer.“
„Kopfjäger“, warf ich säuerlich ein.
Sie nickte, als sie fortfuhr: „Keine Personen von Stand oder besonderer Macht. Ihr seid praktisch, aber nicht verschwenderisch gekleidet. Damit fallt ihr unter den übrigen Gästen auf. Darüber hinaus stört ihr möglicherweise ihre Ruhe. Sie könnten sich von euch bedroht oder belästigt fühlen.“
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