Der entscheidende Faktor hinsichtlich Verdrängung war früher wie heute das Vorhandensein eines gewissen Wohlstandsgefälles. Eine Gruppierung hatte etwas, was eine andere Gruppierung begehrte.
Hinzu kommt, dass der Verdrängungsdruck auf eine reproduktionsschwache Gruppierung umso höher wird, je größer die Reproduktionsdifferenz zu einer anderen Gruppierung ist. Das Einsetzen von Verdrängungsmechanismen basiert auf dem Vorhandensein einer Reproduktions- und Wohlstandsdifferenz zwischen Verdränger-Gruppierung und verdrängter Gruppierung.
Der Wohlstandsfaktor ist dabei abhängig vom Reproduktionsfaktor. Je niedriger die Reproduktion, desto höher der Wohlstand. Das liegt einfach daran, dass sich bestimmte Wirtschaftsfaktoren wie beispielsweise Grundbesitz auf immer weniger Individuen verteilen.
Umgekehrt müssen sich innerhalb einer prosperierenden Gruppierung mehr Individuen (zum Beispiel bei Erbauseinandersetzungen) das Vorhandene teilen. Wenn wir uns beispielsweise das Deutsche Reich während der Regierungszeit von Kaiser Wilhelm II. ansehen, so war diese Zeit mit einem enormen Bevölkerungswachstum verbunden. Die Deutschen (als Gruppierung betrachtet) prosperierten in fast allen Bereichen. Insbesondere im technischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich hatte Deutschland nicht nur andere Nationen überholt, sondern sogar weit hinter sich gelassen. Die Liste der vergebenen Nobelpreise führte Deutschland unangefochten an. Viele Bereiche, die damals als Hightech galten, wie zum Beispiel Elektrotechnik oder technische Chemie, wurden von Deutschland dominiert. Trotz dieser Erfolge der Gruppierung als Ganzes war der durchschnittliche Lebensstandard der Deutschen während dieser Zeit gering. Die hohen Reproduktionsraten führten zu ständiger Wohnungsnot. Der Ausbau der für die damalige Zeit eigentlich überaus fortschrittlichen Infrastruktur hinkte dem Bevölkerungswachstum hinterher. Durch den großen Kindersegen wurden Grundstücke in immer kleineren Teilen weiter vererbt. Der durchschnittliche Lebensstandard war gering, weil die Reproduktionsraten so hoch waren.
Allerdings führten die hohen Reproduktionsraten dazu, dass in fast allen Bereichen ein enormer Inlandsbedarf herrschte. Die Arbeitslosenquoten waren gering bist nicht vorhanden, weil man kaum mit der Produktion von Gütern für den enormen Bedarf hinterherkam. Landwirtschaftliche Güter, Immobilien, Kleidung, Rohstoffe,– in den unterschiedlichsten Bereichen herrschte große Nachfrage. Allerdings war alles teuer, weil es begehrt war. Die sogenannten Gründerjahre boten daher dem Einzelnen die Chance des wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs. Weltkonzerne entstanden und einige Wenige konnten gigantische Vermögen anhäufen.
Hohe Reproduktionsraten fördern daher auch soziale Ungleichheiten. Der Handlungsdruck für den Einzelnen war groß. In Gegensatz dazu war bei schwindenden Bevölkerungszahlen der Handlungsdruck auf den Einzelnen gering. So kam es paradoxerweise beispielsweise nach den großen Pestwellen in Europa zunächst zu einer Steigerung des Lebensstandards, weil sich der Besitzt auf weniger Individuen verteilte. Es gab Unzählige, die ihren Wohlstand einfach geerbt hatten, weil nahe Verwandte an der Pest gestorben sind.
Dieser Zustand des Wohlstandes war natürlich nur von vorübergehender Natur. Daher ist diese kurze (bestenfalls einige Jahrzehnte andauende) Phase geschichtlich fast vergessen und findet so gut wie keine Erwähnung. Letztlich sind aber auch geringe Reproduktionsraten für die wirtschaftliche Entwicklung ein sich negativ auswirkender Zustand, da es in vielen Bereichen nur wenig Bedarf gibt. Man benötigt einfach keine neuen Schulen oder Universitäten. Die Infrastruktur ist bei schwindender Einwohnerzahl immer ausreichend dimensioniert und überaltert somit. Geringer Bedarf entsteht bestenfalls kurzfristig. Nur scheinbar geht es wirtschaftlich bergauf, da die Probleme, welche durch Reproduktionsarmut einhergehen, sich erst nach Jahrzehnten bemerkbar machen. Wir können davon ausgehen, dass die Probleme, welche in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen, weit dramatischer sein werden, als wir es heute prognostizieren. Dies liegt einfach daran, dass der heutige Zustand geschichtlich einmalig ist und sich nur bedingt mit Ereignissen in der Vergangenheit vergleichen lässt. Die Einführung wirksamer Verhütungsmittel beispielsweise hat Deutschland mehr Individuen gekostet als der zweite Weltkrieg Diese Aussage trifft auch auf andere am zweiten Weltkrieg beteiligte Staaten zu. Obwohl wir den zweiten Weltkrieg als einen durchweg negativen Zustand wahrnehmen, ist der jetzige Zustand aus evolutionärer Perspektive deutlich schlimmer. Wir nehmen ihn aber nicht so wahr, da es diesen Zustand in der Evolution der Menschheit nie gab. Daher konnte der Mensch auch keine Abwehr- oder Alarmmechanismen dagegen entwickeln. Um ein Bildnis heranzuziehen: Dieser Erreger ist dem Immunsystem sozusagen unbekannt.
Der Zusammenhang zwischen temporärer Wohlstandssteigerung und Reproduktionsarmut machte sich beispielsweise China zunutze.
Die chinesische Ein-Kind-Politik sorgt dafür, dass Familien dazu gedrängt werden, nur ein Kind zu bekommen. Diese Politik stammt aus einer Zeit, in der China für die breite Masse keine wirksamen Verhütungsmittel zur Verfügung standen und in vielen gesellschaftlichen Schichten ein anderes Denken vorherrschte. Zwar hatte die Politik scheinbar die gewünschte Wirkung, aber es zeichneten sich nun sehr deutlich die daraus resultierenden Probleme ab, wie zum Beispiel die Überalterung der Gesellschaft, Frauenmangel (Abtreibungen wurden vorzugsweise an weiblichen Föten durchgeführt), Fachkräftemangel und vieles mehr.
Diese Erscheinungen sind aber nur die Spitze des Eisberges, da die negativen Konsequenzen eines solchen Zustandes erst nach Jahrzehnten spürbar werden. Das spezifische Problem daran: Ist erst der Zustand erreicht, dass die Konsequenzen einer dauerhaft reproduktionsarmen Phase mehr negativen als positiven Charakter haben, diese Entwicklung nicht mehr zu stoppen ist. Das heißt, dass man die Gesellschaft in eine dauerhaft negative Abwärtsspirale gebracht hat, auch wenn es die ersten Jahrzehnte zunächst einmal aufwärts ging. Beispielsweise kann die chinesische Regierung die eigene Bevölkerung durch bestimmte Maßnahmen dazu bringen, nur wenige Kinder in die Welt zu setzen, aber sie könnte keine auch nur halbwegs wirksamen Maßnahmen ergreifen, um ihre Bevölkerung dazu zu bewegen, wieder mehr Kinder zu produzieren. Man macht sich kaum Gedanken darüber, dass das, was vor Kurzem noch als Segen wahrgenommen wurde, sich sehr bald zu einem Fluch entwickeln könnte.
Es ist auch in den heutigen produktiven Gesellschaften kaum vorstellbar, dass eine arbeitende Person zwei Rentner (oder mehr) ernähren müsste. Dies wird aber der Fall sein und dabei ist dies nur eine Belastung unter vielen anderen, welche eine arbeitende Person tragen müsste. Dieser einfache Zusammenhang verdeutlicht recht klar, dass dies nicht funktionieren kann, auch wenn Regierungen bemüht sind, durch komplexe Modellrechnungen das Gegenteil zu beweisen. Je komplexer diese sind, umso genauer ist das Ergebnis, aber umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass das man mit eben dieser Modellrechnung komplett danebenliegt. Um es überspitzt zu formulieren: Regierungen nutzen Experten und Fachleute eher zu Desinformation als zu Information. Oft liegt der einfache Bürger mit seinem gesunden Menschenverstand richtig, während Regierungsexperten in ihren Prognosen oft meilenweit daneben liegen. In diesem Zusammenhang könnte man die Griechenland-Krise nennen, bei der weite Teile der Bevölkerung der Geberländer eine viel bessere Prognose abgegeben haben als von diesen Regierungen hofierte Experten. Wobei es natürlich sein kann, dass siebewusst nur solche Experten favorisierten, die Prognosen in ihrem Sinne abgaben. Was wiederum kaum weniger schlimm gewesen wäre, denn dies würde ja bedeuten, dass die jeweiligen Regierungen den Souverän (also die Bevölkerung), dem sie als demokratische Regierung zu dienen haben, bewusst belogen hätten.
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