1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 Man kann sich aber nur ein klares Bild über einen Sachverhalt machen, wenn man zunächst nur die Faktoren des Kernprozesses betrachtet. (Umgekehrt kann man auch verhindern, dass sich jemand ein klares Bild über einen Sachverhalt machen kann, indem man bei einer Diskussion immer wieder im Grunde nicht entscheidende Rand- und Störfaktoren aufführt).
Anfangsstand A=80%, B =20% 80/20 Gesamt 100
1. Generation A=68,6% , B =31,4% 48/22 Gesamt 70
2. Generation A=54,3% , B =45,7% 28,8/24,2 Gesamt 53
3. Generation A=39,4%, B =60,6% 17,3/26,6 Gesamt 44
Bei diesem einfachen Beispiel fällt sofort ins Auge, dass die einstige Mehrheit trotz moderater Reproduktionsraten bereits nach der dritten Generation zur Minderheit geworden ist und demzufolge die einstige Minderheit zu Mehrheit. Es kam also nach gerade einmal drei Generationen zu einer kompletten Umkehrung der Verhältnisse – und das bei eher moderaten Reproduktionsraten. Während die einstige Mehrheit nach gerade einmal drei Generationen weniger als vierzig Prozent ausmacht, hat die einstige Minderheit bereits eine satte Mehrheit von über sechzig Prozent. Das ist überaus erstaunlich, denn eine solche Verschiebung der Verhältnisse wäre mit einer kriegerischen Auseinandersetzung praktisch kaum zu erreichen. Im Gegenteil: Diese hätte höchstwahrscheinlich zur Auslöschung oder starken Dezimierung der Minderheit geführt.
Verdrängung bietet daher auch einer Minderheit die Möglichkeit, eine Mehrheit zu übertrumpfen.
Allerdings muss dazu eine bestimmte Voraussetzung erfüllt sein, damit eine Minderheit eine Mehrheit verdrängen kann. Dazu soll nochmals das Beispiel der Finnen bemüht werden.
Finnen sind genetisch von ihren Nachbarn, den Schweden, nicht zu unterscheiden. Sie sind Europäer und weisen keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen zu zentralasiatischen Völkern auf. Da aber ihre Sprache zu großen Teilen zentralasiatischen Ursprungs ist, folgt daraus, dass die Ur-Finnen zwar gezwungen waren, die Sprache einer einstigen asiatisch-stämmigen Mehrheit anzunehmen, es aber zu keiner Vermischung beider Gruppierungen kam. Entweder hat die asiatische Mehrheit eine Vermischung (zum Beispiel aus religiösen Gründen) mit der europäischen Minderheit abgelehnt oder umgekehrt: die europäische Minderheit mit der asiatischen Mehrheit. Letzteres ist aber wahrscheinlicher.
Selbst eine Minderheit hat recht gute Aussichten, eine Mehrheit zu verdrängen, wenn sie genetisch geschlossen bleibt. Würde sich hingegen die Minderheit mit der Mehrheit vermischen, würde das zu ihrer genetischen Auflösung führen. Damit eine Gruppierung geschlossen bleibt, kann sie sich einer Religion bedienen. Religionen haben sich entwickelt, um menschlichen Individualismus zu zügeln, einzudämmen oder ganz zu unterbinden. Denn was für das Einzelindividuum am besten ist, ist nicht unbedingt das Beste für dessen Gene und auch nicht unbedingt für dessen Gruppierung. Beispielsweise war es für ein Individuum ein sehr negatives Ereignis, in Sklaverei zu geraten. Evolutionär konnte sich dies durchaus positiv auswirken. Es konnte unter Umständen zu einem Prosperieren auf einem Territorium führen, welches man ohne Sklaverei niemals erreicht hätte.
Da der Mensch aber in der Lage ist, zukünftige Ereignisse einschließlich seiner Ereignisvarianten imaginär abbilden und bewerten zu können, hat er eine recht präzise Vorstellung über die Zukunft und kann sein Verhalten zu seinen persönlichen Gunsten darauf abstimmen. Jeder Mensch macht also praktisch ständig Kosten-Nutzen-Analysen. Er würde, wenn es keine Instrumentarien gäbe, welche dies unterbinden, rein rational und egoistisch handeln. Er würde also beispielsweise Sex konsumieren, hätte aber keine Lust sich fortzupflanzen, da das im Gegensatz zum Sex nicht mit Lustgewinn verbunden wäre. Oder er würde sich selbst zu Ungunsten anderer bereichern, wenn er die Möglichkeit dazu hätte und keiner ihn daran hindern würde. Ein solches Verhalten ist aber aus evolutionärer Sicht kontraproduktiv, da dies zwar positiv für das Einzelindividuum wäre, nicht aber für die dessen Erblinie.
Daraus resultiert, dass d as Erbgut eines Individuums aus einer evolutionären Perspektivegesehen viel wertvoller als das Individuum selbstist. Beispielsweise gehen bei jeder Zellteilung von Körperzellen die Enden des Chromosomenstranges durch Telomere verloren – die Zellen, und damit unser ganzer Körper, altern. Daher haben bestimmte Arten auch ein bestimmbares Maximalalter. Ein Hund kann keine fünfzig Jahre alt werden. Selbst dann nicht, wenn man ganz tief in die medizinische Trickkiste greifen würde. Beim Menschen liegt das theoretische Maximalalter bei etwa 120 Jahren. Die Zellen eines Körpers, und damit der Körper als solcher, altern. Es gibt aber eine Ausnahme und dies ist von epochaler Bedeutung.
Die Keimzellen altern nicht!
Hier werden die Enden durch das Enzym Telomerase wieder an den Chromosomenstrang angeheftet. Dadurch findet kein Alterungsprozess statt. Wie bei einer digitalen Kopie ist die Kopie genauso gut wie das Original, vorausgesetzt, es findet beim Kopiervorgang kein Fehler statt – was durchaus passieren kann.
All unser Verhalten ist im Grunde auf diese Tatsache abgestimmt. Tiere und Menschen tun Dinge, welche dem einzelnen Individuum nicht unbedingt guttun. So gibt es Arten, bei denen die Individuen im Zuge der Reproduktion sicher sterben oder den Tod in Kauf nehmen. Das ist für das einzelne Individuum kein Vergnügen, trotzdem „zwingen“ sie ihre genetisch verankerten Präpositionen dazu, genau dieses Verhalten an den Tag zu legen. Auch beim Menschen kann es dazu kommen, dass die einzelne Person durchaus weiß, dass sie bestimmte Dinge ins Unglück stürzen werden – sie führen sie aber trotzdem aus.
Der Mensch ist durch seine enormen kognitiven Fähigkeiten mittlerweile in der Lage, die artenspezifischen evolutionären Wirkmechanismen sozusagen „auszutricksen“. Also beispielsweise Handlungen durchzuführen, die in erster Linie positive Auswirkungen auf das Individuum selbst haben und Negative auf die Erblinie des betreffenden Individuums. Beispielsweise kann ein menschliches Individuum fruchtbar sein, unzählige Male sexuelle Handlungen mit verschiedenen Geschlechtspartnern genossen haben, ohne dass es dabei jemals zu einer Zeugung kam. Das ist natürlich angenehm für das Individuum selbst, aber nicht für die Erblinie. Wobei diese Handlungen nur deshalb als angenehm empfunden werden, da sie in hohem Maße evolutionsrelevant sind. Wären sie nicht evolutionsrelevant, würden wir sie auch nicht als angenehm empfinden. Da Sex nichts mehr mit Fortpflanzung zu tun hat, werden zukünftige Generationen Sex auch immer weniger als angenehm empfinden. Dieser Faktor wird zukünftig an Evolutionsrelevanz verlieren. Andere Faktoren werden hingegen an Evolutionsrelevanz gewinnen.
Beispielsweise war es in der Vergangenheit kaum von Bedeutung, ob Eltern kinderlieb waren oder nicht. Man bekam Kinder, das gehörte sich einfach so. Durch die totale Kontrolle über die eigene Fruchtbarkeit wird dieser Faktor aber in Zukunft verstärkt evolutionsrelevant werden. Das heißt, dass zukünftige Generationen kinderlieber werden. Was zumindest auf diejenigen Gruppierungen zutrifft, welche bewusst ihre Fruchtbarkeit steuern. In erster Linie werden sich aber zukünftig diejenigen am stärksten fortpflanzen, die das geringste Maß an Eigenkontrolle haben. Also zu impulsiven Handlungen neigen und geringe Intelligenz aufweisen. Menschen also, welche einfach zu dumm sind, vernünftig mit Verhütungsmitteln umzugehen. Der in der Menschheitsgeschichte so wichtige evolutionäre Faktor Intelligenz ist fast komplett weggefallen und hat sich sogar zu einem negativ evolutionären Faktor entwickelt.
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