1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 Hetty und Nat hatten sich inzwischen Richtung Schwimmingpool verzogen. Die Poolbar war gut genug bestückt, um für ausreichend Getränke zu sorgen und hier konnten sie ungestört reden.
Nat seufzte vernehmlich auf. »Ich habe aber auch ein Glück!«
Hetty lächelte ihn entschuldigend an. »Und ich habe eine Tendenz dafür unwahrscheinliche Vorfälle anzuziehen. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen in Sydney herumlaufen und dann treffe ich ausgerechnet auf dich.«
Nat nickte. »Stell dir vor, ich habe mich einmal mit Kai unterhalten und ihm erzählt, ich hätte da eine interessante Frau kennengelernt. Er sollte doch mitkommen, die würde ihn auch auf andere Gedanken bringen. Doch er hatte keine Lust.«
Hetty sah ihn mit offenem Mund an. »Das wäre dann der absolute Supergau gewesen. Stell dir vor – ich erkenne meinen eigenen Freund nicht!«
Nat lachte auf. »Das hätte sogar Kai mal völlig aus dem Tritt gebracht.«
Dann wurde er ernst. »Aber vermutlich hättest du in dem Moment schon wieder dein Gedächtnis zurückerhalten.«
Hetty zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht wäre das auch das endgültige Aus gewesen. Denn dann hätte ich ja nur erfahren, wer ich gewesen bin und mich trotzdem nicht erinnert. So hat es eben noch eine Weile gedauert.«
Der Blick von Nat verriet ihr, dass er an den letzten Abend mit ihr dachte, als er sie zum ersten und einzigen Mal geküsst hatte. Jetzt wurde es wohl Zeit Farbe zu bekennen.
Hetty suchte seine Augen. »Ich glaube, am besten erzähle ich dir mal die ganze Geschichte.«
Die nächste Viertelstunde hörte Nat aufmerksam ihrem Bericht zu. Wie sie im Krankenhaus zu sich gekommen war und nur gewusst hatte, dass sie eben nichts wusste. Dass der Arzt Conny zu ihr gesagt hatte und sie von dieser Frau alle Papiere besaß. Wie sie festgestellt hatte, dass diese Conny nicht gerade unvermögend war und sie dann bald darauf herausfand, dass Conny eine Erpresserin war.
Dass ihre Ermittlungen dann zu Winifred den westaustralischen Gouverneur und dessen Frau Geraldine geführt hatten und zumindest einige Tatsachen ans Licht kamen. Nämlich, dass sie selbst aus Deutschland stammte, hier in Australien mit einem Camper durch die Gegend fuhr und Leute gegen Kostenbeteiligung mitnahm. Conny war ihr Fahrgast gewesen und hatte sie anscheinend mit dem Hintergedanken gebucht, dass sie ihre Identität annehmen wollte. Doch glücklicherweise hatte der Schuss, der sie töten sollte, sie nur gestreift und die echte Conny kurz darauf einen tödlichen Unfall gehabt. Da der Camper dabei ausgebrannt war, hatte man deren Leiche als Hettys identifiziert.
Nur Kai hatte nicht an ihren Tod geglaubt und sie gesucht. Denn an der verkohlten Leiche war keine Spur des Talismans zu finden gewesen, den er Hetty geschenkt hatte. Ein platiner Armreif, der mit einer Schlange und kleinen Fledermäusen verziert war und den Hetty nie abnahm. Auch jetzt drehte sie an dem Reif, eine Angewohnheit, die sie seit dem ersten Tag angenommen hatte, an dem sie ihn übergestreift hatte. Das half ihr beim Nachdenken und stellte irgendwie immer eine geistige Verbindung zu Kai her, was ihr die Ruhe gab, den Überblick zu bewahren, wenn es wieder einmal zu konfus in ihrem Leben wurde.
Hetty wedelte mit den Händen. »Ich selbst hatte mich, nachdem ich wusste, dass diese Conny nicht mehr zurückkommen würde, eigentlich ganz gut mit meinem Leben abgefunden. Das schöne Geld und das Haus in Sydney waren genau nach meinem Geschmack. Ich hatte mit Benny und seiner Clique einen neuen Freundeskreis gefunden und nicht die geringste Lust, zur Polizei zu fahren und zu sagen, ich sei noch am Leben. Denn dann hätte ich ja das Geld zurückgeben müssen und vielleicht war ja mein altes Leben richtig schrecklich gewesen – warum hätte ich sonst mein Gedächtnis verlieren sollen?«
Nat warf ein. »Und dann bin ich aufgetaucht.«
Hetty nickte. »Du hast allerdings nur eine Hetty in abgeschwächter Form kennengelernt.«
Sie schmunzelte. »Normalerweise bin ich bei hübschen Kerlchen noch nie so zurückhaltend gewesen.«
Nat wirkte etwas verlegen.
Hetty fuhr fort. »Doch schließlich musste ich erst mal abklären, wie es in Sachen Verhütung bei mir aussah. Ich hatte nicht die geringste Lust, irgendein Risiko einzugehen. Also hieß das zuerst noch einen Frauenarzt aufsuchen und abchecken lassen, wie der Stand der Dinge bei mir war. Schließlich hatte ich keine Ahnung, ob ich nicht irgendwelche Krankheiten hatte, oder so.«
Nat starrte sie etwas irritiert an. Anscheinend war er es nicht gewöhnt, dass eine Frau so offen über dieses Thema sprach.
Hetty schmunzelte. »Zu meinen alten Zeiten hätte ich dich schon am ersten Abend abgeschleppt, aber da ich eben nicht wusste, was Sache war ...«
Sie sah, dass Nat zusammenzuckte. Tja, das war wohl etwas sehr direkt gewesen. Aber es war besser, wenn er die Wahrheit ungeschminkt erfuhr und in der Richtung hatte sie noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. »Als schließlich klar war, dass da keine Hindernisse im Weg lagen, hatte ich dann eigentlich nicht vor, noch länger zurückhaltend zu sein. Dein Pech war, dass mich eine Fledermaus erschreckt hat, als wir uns gerade küssten.«
Das Gesicht von Nat war wirklich sehenswert. Der verstand momentan nur noch Bahnhof.
Hetty grinste. »Seit ich Kai das erste Mal gesehen habe, hatte er bei mir den Spitznamen Graf Dracula weg. Wegen seiner ewig schwarzen Kleidung, dem blassen Teint und weil er die enervierende Gewohnheit hat, urplötzlich aus dem Nichts aufzutauchen.«
Nat nickte. Der Vergleich war nicht von der Hand zu weisen. Eigentlich fragte er sich, warum er und seine Kumpel nicht selbst darauf gekommen waren, vor allem da ja der Familienname von Kai hier auch noch perfekt passte.
Hetty fuhr fort. »Meinen Camper habe ich nach der ersten Reise generalrenovieren lassen müssen. Dabei hat er eine komplett neue Lackierung von einem Airbrusher bekommen – hat echt toll ausgesehen. Eine Dschungellandschaft die sich über den kompletten Wagen erstreckte und auf beiden Seitenflächen war eine Schlange abgebildet – das bezog sich auf Sssisssi meinen Schlangenschutzengel. Und ganz versteckt gab es dann noch einen Flughund mit blauen Augen und einer Narbe über der Wange. Dreimal darfst du raten, wer damit gemeint war.«
Nat brauchte nur einmal und das war nicht geraten. »Kai natürlich!«
Hetty nickte. »Und deshalb hat wohl mein Unterbewusstsein die Bremse angezogen.«
Nat seufzte innerlich. Er wusste noch genau, dass er Spaß gemacht und gesagt hatte: „Graf Dracula ist unterwegs, komm her, ich werde dich beschützen“. Und damit hatte er sich selbst ins Aus geschossen. Er hatte bis dato noch nicht geahnt, dass der Spruch „Sätze, die die Welt verändern“ tatsächlich auf Tatsachen beruhte. Momentan wollte er gar nicht daran denken, was er hätte haben können, wenn er sich diese scherzhafte Bemerkung gespart hätte.
Hetty hatte gesehen, dass er verstand. »Ich habe zuhause überlegt und mich dann doch nochmal auf den Weg gemacht, um mein altes Ich zu suchen. Mit meinem üblichen Dusel habe ich es dann geschafft auszurutschen, mit dem Hinterkopf an einen Stein zu knallen und dann war die ganze Erinnerung wieder da.«
Nat drehte sein Glas in der Hand. »Und mich hast du vergessen!«
Seine blauen Augen richteten sich nachdenklich auf Hetty. »Hast du denn überhaupt nicht an mich gedacht?«
Diese Kröte konnte sie ihm leider nicht ersparen, die musste er schlucken.
Hetty schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, bin ich in der letzten Zeit überhaupt nicht viel zum Denken gekommen. Meine plötzliche Rückkehr hat ziemlich viel Staub aufgewirbelt und ich musste mich überall zurückmelden. Und da sind mir zuerst meine ganzen alten Freunde eingefallen.«
Eine Aufmunterung konnte sie ihm zumindest geben. »Ich war auch noch nicht wieder in Sydney. Da weiß noch keiner, wer ich eigentlich wirklich bin. Kai und ich überlegen noch, wie wir das Ganze so drehen können, dass ich das Geld behalten kann.«
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