Hetty sah ihn seufzend an. »Für locker laufen, musst du dir eine andere Freundin aussuchen. Du weißt doch, ich habe ein Händchen für Schwierigkeiten.«
Jetzt lächelte Kai tatsächlich. »Tja, das kann ich wirklich bestätigen.«
Hetty schmunzelte. Wenn nicht er, wer dann sonst. Schließlich hatte er sie bisher acht Mal vor der schönen Zukunft bewahrt, die nächsten tausend Jahre an einem warmen Plätzchen namens Hölle zu verbringen und Kohlen für das Feuer zu schaufeln.
Kai beugte sich vor und seine strahlend blauen Augen begannen zu funkeln. »War Nat das Kerlchen, für das du gerne einen Gutschein gehabt hättest?«
Hetty verkniff sich ein Lächeln. Ihr großer Meister merkte sich grundsätzlich alles, was sie zu ihm sagte. Er funktionierte in der Hinsicht, wie ein bemerkenswert gut eingestellter Computer, ohne jegliche Speicherprobleme. Da ging noch nicht einmal das kleinste Bit verloren. Als sie nach ihrer Rückkehr gebeichtet hatte, dass sie die Nacht, bevor sie zu ihm gekommen war, damit verbracht hatte, Patrick zu trösten, war er außergewöhnlich kulant gewesen und hatte ihr keine Vorwürfe gemacht.
Die Hauptursache für seine Großzügigkeit lag allerdings darin begründet, dass er die Zwischenzeit auch nicht alleine im stillen Kämmerlein vor sich hin geweint, sondern sich offenbar mit zahlreichen Frauen die Zeit vertrieben hatte. Und unterschwellig war ihr von ihm dabei auch noch vermittelt worden, dass er anscheinend schon kurz nach ihrer Abreise damit begonnen hatte, sich eine entsprechende Ersatzbefriedigung zu gönnen. Die Ansage, dass er es auch in Zukunft bei längeren Abwesenheiten von ihr so handhaben würde, war unmissverständlich gewesen.
Hetty hatte diese Informationen, aufgrund ihres eigenen Fehltritts, mit einem Schulterzucken weggesteckt und nur hinzugefügt, sie hätte sich einen Gutschein verdient, da sie so ein hübsches Kerlchen vor der Nase gehabt hätte und abstinent geblieben sei. Kai hatte gemeint, das könne sie vergessen und dafür gesorgt, dass ihre Gedanken seitdem keine Sekunde mehr auf andere Männer gerichtet waren. Aber er hatte sich diesen Satz natürlich gemerkt.
So nickte Hetty jetzt zustimmend. »Du musst zugeben, er ist genau das, was man unbesorgt für einen Abend mitnehmen kann. Hat genügend Erfahrung und ist heilfroh, wenn man nichts mehr von ihm will, als ein paar gymnastische Übungseinlagen.«
Kai schmunzelte. »Ich werde ihm sagen, dass du ihn nur als Sportgerät betrachtet hast. Das muntert ihn sicher auf.«
Hetty senkte den Kopf. »Überlass das lieber mal mir, ich wähle da die schonendere Variante.«
Als Kai die Augenbraue hob, setzte sie hinzu. »Inzwischen hat mir Fritz schon bestätigt, dass Nat ein unverbesserlicher Windhund ist. Auf eine andere Idee wäre ich bei ihm sowieso nicht gekommen. Allerdings hat er sich mir gegenüber komplett anders verhalten und ich finde, er hat es deshalb auch verdient, dass ich ihm gegenüber ehrlich bin und selbst mit ihm rede.«
Sie sah Kai an. »Ohne dabei auf ihn einzuprügeln. Das kann man auch diplomatischer formulieren.«
Der Grund, warum Kai bei dieser Aussage innerlich leicht zusammenzuckte, lag in dem bisher noch nicht in Erscheinung getretenen Mann von Chrissie begründet. Patrick kam üblicherweise erst kurz vor dem, meist späten Abendessen nach Hause. Aus dem ehemaligen Buchhalter und Programmierer war mittlerweile der Geschäftsführer der Erzmine geworden und das forderte seine ganze Arbeitskraft und ließ ihm nur noch wenig Freizeit. Denn als Fritz gesehen hatte, dass er sich auf den Jungen voll und ganz verlassen konnte, hatte er ihm immer mehr von seinem eigenen Verantwortungsbereich übertragen, damit er selbst endlich etwas kürzer treten konnte. Das bedeutete für Patrick allerdings eine enorme Belastung, denn er wollte auch sein altes Aufgabengebiet nach wie vor betreuen, da das eigentlich die Arbeit war, die er liebte.
Mittlerweile hatten sie eine Lösung gefunden und einen zusätzlichen Mitarbeiter eingestellt, der ihm zur Hand ging. Allerdings musste der erst in sein Sachgebiet eingearbeitet werden, was momentan nochmals mit einem vermehrten Zeitaufwand verbunden war. Dafür würde Patrick dann in Zukunft nur noch den Teil der Geschäftsführung innehaben, der ihn interessierte. Ansonsten konnte er wie früher die Oberhoheit in der Buchhaltung übernehmen, seine Computerprogramme entwickeln, die der Firma enorme Kostenersparnisse brachten und ein überwachendes Auge auf seine rechte Hand werfen. Damit wurde die Belastung für ihn zwar nicht geringer, aber wenigstens wieder erträglich.
Inzwischen hatte er sich zumindest daran gewöhnt, Mann einer Millionenerbin zu sein. Allerdings hatte er auf einen Ehevertrag bestanden, der ihm keinerlei Anrecht auf Chrissies Vermögen gab. Patrick war alles, aber sicher kein Mensch, der Geld zum Glücklichsein brauchte. Das war auch der große Hinderungsgrund gewesen, warum er sich lange Zeit nicht getraut hatte, Chrissie seine Liebe zu gestehen. Erst als Hetty bei ihrem ersten Besuch auf der Farm erkannt hatte, was da lief, oder besser gesagt nicht lief, war die Sache ins Rollen gekommen.
Kai runzelte die Stirn. Nur leider waren ihre Aufmunterungsversuche in eine Affäre mit Patrick ausgeartet von der, außer den beiden, nur er selbst noch etwas wusste, wobei er bei seinem Wissen meistens von sehr gut begründeten Annahmen ausgehen musste. Denn was genau zwischen ihnen vorgefallen war, hatte ihm keiner der beiden je erzählt und so redselig Hetty sonst auch war – über diese Angelegenheit schwieg sie sich aus.
Und diese Affäre hatte zu allem Überfluss auch noch Nachwirkungen hinterlassen. Denn Patrick hatte sich dabei in Hetty verliebt und auch sie hatte ihn auf alle Fälle mehr als nur etwas gern. Das Ganze war dann in einen fürchterlichen Streit am Abend vor Patricks Hochzeit mit Chrissie eskaliert. Kai wusste bis heute nicht, was der Grund dafür gewesen und um was es dabei eigentlich gegangen war, allerdings hatte Patrick am nächsten Tag, wie erwartet, Chrissie geheiratet und die Geburt des ersten Kindes der beiden stand demnächst bevor. Damit war die Sache dann hoffentlich endlich auf einer normalen Basis angekommen und endgültig beendet.
Doch es war sinnlos, sich Gedanken über Dinge zu machen, die man nicht ändern konnte. Und er war noch nie jemand gewesen, der sich lange mit alten Geschichten aufhielt. Schließlich lebte er im Hier und Jetzt und da gab es bedeutend interessantere Dinge.
Kai warf einen Blick auf seine Uhr und beugte sich dann vor, um Hetty zu küssen. »Wie wärs mit Sport?«
Kapitel 3
Als sich Kai zum Abendessen an den Tisch setzte und den inzwischen eingetroffenen Patrick musterte, der Nat freundlich begrüßt hatte und nun munter mit den Anwesenden redete, stellte er, wie schon so oft, fest, dass man wirklich nicht lügen würde, wenn man behauptete, dass der Junge reichlich attraktiv war. Auch wenn er nur eine Körpergröße von nicht ganz 1.80 Meter aufwies und keines dieser schönen, fein geschnittenen Gesichter hatte, so konnte trotz allem niemand abstreiten, dass er das gewisse Etwas besaß. Hetty warf eine Bemerkung in die Runde und Patrick lächelte ihr zu. Kai nickte innerlich. Vor allem, wenn er dieses strahlende Lächeln aufsetzte, blieb wohl bei den meisten Frauen der Verstand stehen. Das war einfach umwerfend.
Er war schon gespannt, wie Patrick reagieren würde, wenn er erfuhr, dass Hetty und Nat sich in Sydney kennengelernt hatten. Sein rechter Mundwinkel verzog sich, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und der Reihe nach alle Anwesenden musterte. Das würde wieder einmal einer dieser Abende werden, bei denen er vielleicht eine Ecke mehr von diesem ewigen Geheimnis zwischen Hetty und Patrick erfahren konnte.
Читать дальше