Während viele Hobbyforscher auf historischen Landkarten nach dem mystischen versunkenen Atlantis suchen, ist eine Karte ganz anderer Art zur Suche nach den sieben Chakren nötig. Diese Hauptenergiezentren des Menschen sollen – weiterentwickelt aus traditionellen südasiatischen und chinesischen Überlieferungen – nach esoterischen Lehren auch mit dem schon bekannten Astralkörper verbunden sein. Wer bereits nach den Chakren sucht, kann dabei auch gleich nach dem Qi Ausschau halten, den alles durchdringenden kosmischen Geist. Bleibt nur zu hoffen, dass er bei der Suche nicht wie angeblich viele Schiffe und Flugzeuge im Bermuda-Dreieck auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Besonders die Aura, die Kinder umgibt, hat es manchem Esoteriker angetan. So sind angeblich nahezu alle Kinder heutzutage sogenannte Indigo-Kinder, deren Aura indigofarben ist. Diese zeichnen sich durch ganz besondere psychische und spirituelle Eigenschaften aus. Bei Eltern, die bei ihren Kindern eine solche Aura feststellen, mag dies auch nicht überraschen.
Schon Plutarch wusste, „der Tod ist das Ende aller Dinge des menschlichen Lebens, nur des Aberglaubens nicht.“ So ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich um das Ableben immer noch zahlreiche Mythen ranken. Ob es sich dabei um die Reinkarnation, also die Wiedergeburt dreht, oder das Karma, der Glaube an die Folgen der eigenen Handlungen auch auf die nachfolgenden Leben, über ein Weiterleben nach dem Tod haben schon unsere Vorfahren intensiv nachgedacht. Für manche Wissenschaftler liegt hierin sogar die Geburtsstunde der Religionen, auf die ich weiter unten näher eingehen werde.
Nach einem Herzstillstand berichtet etwa jeder fünfte Überlebende von Nahtoderfahrungen. Forscher der University of Michigan in Ann Arbor haben bei Versuchen mit Ratten nachgewiesen, dass die Hirnaktivität kurz nach Eintritt des Herzstillstandes bei diesen stark ansteigt. 15Dies könnte die Erfahrungen erklären, von denen die Patienten berichten: Blick in einen „Tunnel“, Verlassen des eigenen Körpers oder Rückschau auf das eigene Leben. Mit einem Blick ins Jenseits haben diese jedoch wenig zu tun.
Man muss nicht an Superhelden glauben, um Levitation für möglich zu halten. Der wissenschaftliche Nachweis lässt zwar nach wie vor auf sich warten, dennoch sind immer wieder Menschen davon überzeugt, dass man ohne Hilfsmittel schweben kann. Schweben können auch Geister, die immer noch nicht ausgerottet werden konnten – trotz Ghostbusters, Ghostbusters II und Melinda Gordon.
Wer gerade dabei ist, die Bibel nach einem Code zu durchsuchen, in dem angeblich Mitteilungen versteckt wurden, kann anschließend auch noch nach den passenden Stellen suchen, um den nächsten Exorzismus gleich selbst ausführen zu können. Denn wie heißt es so schön: Die Bibel im Haus ersetzt den Pater.
Besonders interessant wird die Parapsychologie, wenn sich das US-Militär dafür interessiert. Dabei muss gar nicht – wie bei George Clooney der Fall – auf Ziegen gestarrt werden. Man kann auch versuchen, mittels Fernwahrnehmung und dem Einsatz von 20 Millionen Dollar, während des Kalten Krieges Informationen über Atomraketen und geheime Militärgelände zu erlangen. 16Aber nicht nur die Streitkräfte vertrauen gerne auf die Unterstützung durch übersinnlich Begabte. Darauf vertraut auch immer wieder die Polizei – unter anderem bei der Aufklärung der NSU-Mordserie, die im siebten Kapitel dieses Buches noch Thema sein wird, bei der die Hamburger Ermittlungsbehörden einen iranischen „Metaphysiker“ zu Rate zogen. 17Aber die Hamburger Polizisten stehen hier nicht allein – nach dem Sprengstoffattentat der Terrorgruppe in Köln befragten Kripo-Beamte eine Wahrsagerin. Vielleicht hätten die Ermittler ja auch einfach nur ein Ouija, ein Hexenbrett, in die Hand nehmen sollen, um die Mörder zu identifizieren.
Besonders beliebt in der Bevölkerung ist der Glaube an Wunder. So gaben bei einer Umfrage 2006 56 Prozent der Befragten an, an solche zu glauben. Mag es da noch „verwundern“, dass auch immer noch der Zauber der Hexen und Hexer unter uns vermutet wird?
Ein eigener Block unter den Leichtgläubigen ist im Periodensystem Jagos den Quacksalbern gewidmet. An erster Stelle steht hier die Homöopathie. Diese möchte ich stellvertretend für andere Irrationalitäten einmal genauer unter die Lupe nehmen. Sie wird wissenschaftlich von ihrer Begründung an bezweifelt und erfreut sich dennoch großer Beliebtheit.
Potenzen, Potenzen, Potenzen
Seit Samuel Hahnemann 1810 die Grundlagen zur Homöopathie unter dem Titel „Organon der rationellen Heilkunde“ veröffentlichte, dauert der Streit an, ob diese Heilmethode – über den Placeboeffekt hinaus – eine positive Wirkung hat. Auch heutzutage existiert kein wissenschaftlicher Beweis für diese Behauptung. Und da ein Nichtbeweis – hier von der Wirksamkeit – nahezu unmöglich ist, kann man nach wissenschaftlichen Grundregeln folgern, dass es keine positive Wirkung gibt. Um diesem Dilemma zu entgehen, haben sich die Apologeten der Homöopathie sogar eine eigene „Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie“ angeschafft, um sich einen wissenschaftlich aussehenden Wirksamkeitsbeweismantel umhängen zu können. Besonders perfide ist hingegen der Trend, sich auch in Hochschulen einzuschleichen. Türöffner ist hier die Pharmaindustrie, die mit den Zuckerkügelchen, Tropfen und Pillen im Jahr 2011 nach Angaben des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller einen Umsatz von knapp 400 Millionen Euro machte. Nicht schlecht für ein wenig Zucker und viel Hokuspokus.
Auch für die Ärzte, die in den letzten Jahren von den Krankenkassen auf eine angebliche Finanzdiät gesetzt wurden, kann sich die Homöopathie durchaus lohnen, weshalb sich viele der Halbgötter in Weiß damit arrangiert haben. Die fehlende Wirksamkeit trifft auf die – mutmaßlich – fehlenden Nebenwirkungen. Das Gleiche gilt für die Dritten im Bunde, die Apotheker, die mit Homöopathika auf der sicheren Seite stehen.
Dass in diesem Trauerspiel auch die Politik keine gestaltende Rolle übernimmt, bedarf eigentlich keiner Erwähnung mehr. Aus den zahllosen Unterstützern sei hier nur die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, herausgegriffen, die sagte: „Ich bin mir sicher, dass die Homöopathie ihren Platz im deutschen Gesundheitswesen nicht nur behaupten, sondern in den kommenden Jahren noch ausbauen kann.“ 18Und für die Krankenkassen gilt, dass sie das Geld, das sie zuvor bei sinnvollen Behandlungsmethoden eingespart hatten, wieder für Homöopathie ausgeben können, um damit im Konkurrenzkampf eine bei den Versicherten beliebte Leistung anbieten zu können.
Wer sich eingehend damit beschäftigt, wie Hahnemann den Geistesblitz zu seiner Behandlungsmethode hatte, wird sich fragen, wie sich diese nach den Fortschritten der klassischen Medizin bis in unsere Tage retten konnte und sogar an Zuspruch gewinnen kann. Den Grundsatz „Similia similibus curentur – Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt“ erhob er zu seinem Leitspruch, nachdem er in einem Selbstversuch Chinarinde gegessen hatte. Diese wurde damals eingesetzt, um Malaria zu heilen. Da er nach der Einnahme Fieberschübe bekam, ging er davon aus, dass Arzneimittel, die Kranke heilen, bei Gesunden einen gegenteiligen Effekt hervorrufen. Ohne wissenschaftlichen Beweis begründete er somit eine neue Heilmethode. Im nächsten Schritt bestimmte Hahnemann, nachdem er festgestellt hatte, dass seine Methode für den Patienten gefährlich werden konnte, wenn er etwa einem Fieberkranken die Körpertemperatur steigernde Mittel verabreichte, dass die Wirkstoffe dynamisiert beziehungsweise potenziert werden müssten. Dies sollte im Endeffekt dazu führen, dass die Materie „sich zuletzt gänzlich in ihr individuelles geistartiges Wesen auflöse.“ 19
War die Ablehnung der wissenschaftsbasierten Medizin zu Zeiten Hahnemanns mit ihren brutalen Methoden verständlich, kann sie heute gefährlich werden – oder sogar tödlich, wenn bei schweren Krankheiten auf die Homöopathie vertraut wird.
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