Weshalb sich die Homöopathie so großer Beliebtheit erfreut, hat mehrere Gründe. Zunächst einmal findet die Arzneimittelprüfung an Gesunden statt. Nicht gerade ein Test unter Volllast. Zudem macht sich die Homöopathie die Selbstheilungskraft des menschlichen Körpers zunutze. Während man bei wissenschaftsbasierter Medizin von Herumdoktern sprechen würde, wenn verschiedene Medikamente hintereinander auf ihre Wirkung getestet werden, legt man den alternativen Medizinern dies als Gründlichkeit aus. Und abschließend kann sich die Homöopathie immer noch auf die Allopathie – also die pejorativ Schulmedizin genannte wissensbasierte Medizin – herausreden. Denn je schwerer die Erkrankung, desto wahrscheinlicher der Fall, dass die Behandlung mit den „vermutlich teuersten Süßigkeiten der Welt“ 20nicht wirkt. Schuld ist dann aber natürlich die normale Behandlungsmethode. Während ein Erfolg bei der Behandlung selbstverständlich durch die Homöopathie erreicht wurde. 21Was für ein phantastisches System im uns alle umgebenden Affentheater.
Laut zweier Umfragen stieg zwischen 1970 und 2009 in den alten Bundesländern die Zahl derer, die schon einmal homöopathische Mittel verwendet hatten, von 24 auf 57 Prozent. Die genaue Funktionsweise dieser Behandlungsmethode war jedoch nur den Wenigsten bekannt. So konnten nur 17 Prozent eines der homöopathischen Grundprinzipien nennen. 22Zugrunde liegt hier oft eine ablehnende Haltung gegenüber der wissenschaftsbasierten Medizin. Ungeachtet dessen, dass es unzählige wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte und Bücher über die Wirkungslosigkeit der Homöopathie gibt, nimmt der Glaube an die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode sogar noch weiter zu. Es scheint so, als wollten viele Menschen unbedingt daran glauben. Aus diesem Grund werden Kritiker attackiert, wovon zahlreiche Journalisten ein Lied singen können.
Im Gegensatz zum Simile-Prinzip in der Homöopathie sollen die Essenzen bei der Bach-Blütentherapie als positiver Gegenpol eine Harmonisierung negativer Seelenzustände direkt bewirken.
Weder Chiropraktik oder Reflexzonenmassage noch Rolfing (Verbindung von Bindegewebsmassage und Körperarbeit) oder Colon-Hydro-Therapie – dabei werden etwa zehn Liter Wasser in den Darm geleitet, abwechselnd 21 und 41 Grad Celsius warm – verfügen über wissenschaftlich belegbare Beweise für über den Placeboeffekt hinausgehende Behandlungserfolge.
Für die Osteopathie gilt dies abgesehen von wenigen Indikationen ebenfalls. An „Schlacken“ aus dem Körper ausleitenden Methoden steht nicht nur die Colon-Hydro-Therapie zur Verfügung. Angeboten werden hier auch Schröpfen, Einläufe, Abführmittel und Fastenkuren, um nur einige zu nennen. Beweise für eine Entgiftung liegen in keinem Fall vor.
Der Unsinn wuchert
Die Bedeutung der Pharmaindustrie wurde bei der Homöopathie bereits angesprochen. „Was in den vergangenen Jahren an neuen Wirkstoffen auf den Markt kam, brachte nur begrenzte Verbesserungen. […] Nur der Preis der Medikamente [war] wirklich innovativ: Die neuen Medikamente waren meist nicht wirkungsvoller als ihre Vorgänger, dafür aber bis zu 350-mal teurer.“ 23
Aber auch auf einem Gebiet, das zunächst wenig mit Medikamenten und den damit verbundenen Umsätzen in Verbindung gebracht wird, haben die Konzerne sich einen hervorragenden Stand gesichert: bei der Krebsvorsorge. In diesem emotionalen Bereich ist es ein Leichtes, die Frühvorsorge als perfekte Möglichkeit darzustellen, um unnötiges Leid zu vermeiden.
Allerdings muss genau darauf geachtet werden, dass der Nutzen den Schaden überwiegt. Weil die Gesunden immer weit in der Überzahl sind, hat Früherkennung wesentlich häufiger Fehlalarm bei diesen als richtige Befunde bei Erkrankten zur Folge.
Es gibt einige Vorsorgearten, die den Test des überwiegenden Nutzens nicht bestehen. Dabei kommt den Apologeten der Vorsorge zugute, dass die Gesellschaft Taten höher bewertet als Beweise.
Wenn behauptet wird, durch eine Früherkennung könne das Risiko, an Krebs zu sterben, um 30 Prozent verringert werden, führt dies oftmals zu einem Missverständnis. Denn diese Zahl besagt nicht, dass von 100 Teilnehmern 30 darauf hoffen können, nicht an Krebs sterben. Nur die Zahl der Krebstoten sinkt um 30 Prozent. Dies kann bedeuten, dass von 1000 Menschen, nicht mehr 10 Menschen an Krebs sterben, sondern nur noch 7 Menschen. Auf die 1000 Menschen bezogen bedeutet dies eine Verringerung des Risikos um 0,3 Prozent. Und sogar die Berechnung des Rückgangs der Sterblichkeit durch Vorsorgeuntersuchungen ist mit Vorsicht zu genießen. Denn Personen, die an solchen Untersuchungen teilnehmen, sind oftmals generell gesundheitsbewusster. Zudem kann Früherkennung nicht immer dafür sorgen, dass der Krebs besiegt wird. Damit verlängert sich lediglich der Zeitraum, in dem der Krebs bekannt war. Die Früherkennung führt bei einer nicht erfolgreichen Therapie im schlimmsten Fall sogar zu einer sinnlosen Behandlung. Außerdem werden bei den Vorsorgeuntersuchungen vor allem langsam wachsende Tumore gefunden, die eine höhere Heilungsaussicht aufweisen. Aggressive Tumore hingegen werden oftmals von den Patienten selbst entdeckt. 24
Krankenkassen müssen sich nicht selten „dem Druck der Wartezimmer“ beugen. Denn wenn eine Behandlungsmethode erst einmal als wirksam in den Köpfen der Versicherten verankert ist – auch wenn Beweise dafür fehlen – würden Versicherte zu anderen Kassen wechseln, wenn diese Leistung nicht erbracht würde. Die Pharmabranche hat hier gute Mittel und Wege gefunden, um das Vertrauen in die Wirksamkeit zu erwecken.
Bei den Ärzten besteht das Problem, dass im Medizinstudium das Wissen um die Grenzen von Diagnoseverfahren nicht im notwendigen Maß vermittelt wird. Und die Politiker sind Teil dieses Versagens der Vernunft, weil sie mit der Früherkennung die Verantwortung auf den Einzelnen verlagern können. Was bei Arbeitslosigkeit funktioniert, klappt auch bei der Gesundheit ganz gut.
Viele Deutsche glauben immer noch, dass psychische Belastungen zu einer Krebserkrankung führen können, obwohl dies bereits wissenschaftlich widerlegt wurde. Fast jeder Zweite ist davon überzeugt, dass chronischer Stress oder traumatische Erlebnisse Krebs auslösen können. Dies machen sich Heiler zunutze, die mit ihrer „Hilfestellung“ viel Geld machen. Fünf verschiedene Techniken sind hier hervorzuheben: Die Seelenheilung des Dr. Sha, die ganzheitliche Krebsberatung, die Psychobionik, die Familienaufstellung nach Bert Hellinger und die Reinkarnationstherapie. Besorgniserregend ist aber nicht nur der mögliche finanzielle Verlust, sondern auch die Gefahr, dass Krebspatienten in ihrem blinden Vertrauen in die alternativen Möglichkeiten die in vielen Fällen wirksamen Medikamente absetzen. Auslöser ist der oftmals verlautbarte Hinweis, die wissenschaftliche Medizin behandle nur die Symptome und nicht die wahre Ursache.
Wenn in einer Wohnung die Möbel verschoben werden, kommt entweder bald der Umzugsdienst – oder die Bewohner haben Feng Shui für sich entdeckt. Diese Lehre soll zur Harmonisierung des Menschen mit seiner Umgebung beitragen, indem die Gestaltung der Wohnräume nach bestimmten Kriterien ausgerichtet wird. Auch aus dem Reich der Mitte stammt die traditionelle chinesische Medizin (TCM). Viele Behandlungsmethoden sind in Hinsicht auf ihre Wirksamkeit umstritten, dennoch findet sie immer weitere Verbreitung. Ebenfalls aus Asien, genauer gesagt aus Japan, stammt Reiki, bei der mit Hilfe der Hände die gleichnamige Energie übertragen wird. Auf die Schwäche bestimmter Muskelgruppen führt die Kinesiologie Erkrankungen zurück. Bei einem Muskeltest werden Informationen über den zu behandelnden Körper gesammelt, um anschließend die vorgefundenen Schwachstellen durch Ausstreichen von Meridianen, durch Akupressur, Berühren von Reflexpunkten, der Massage einer bestimmten Muskelgruppen oder eine spezielle Ernährungsempfehlung auszugleichen.
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