Anschließend knipste er neugierig die Lampen an und wunderte sich, wieso sie de facto funktionierten. Die Leuchten wurden von einer Batterie gespeist, die sich an der Rückwand des Puppenhauses befand.
Zufrieden nickte er. »Ist ja mal ein ganz anderer Schnack als mein schnöder, alter Schuhkarton!«
Als er die kleine Schranktür öffnete, war er daraufhin förmlich entzückt von dem, was er darin erblickte: »Da sind sogar Kleiderbügel in meiner Größe drin!«
»Klar, Sascha legte viel Wert darauf, dass es ihre Puppen komfortabel haben. Inzwischen ist sie aus dem Alter heraus, um mit Puppen zu spielen. Neuerdings interessiert sie sich für Jungs. Wie schnell die Zeit vergeht«, sinnierte ich. »Gut, ich bringe dir später ein paar neue Batterien herunter, nur für den Fall, dass die alte ihren Geist aufgibt. Und wenn du Wasser brauchst, in der Ecke steht ein Napf mit frischem Wasser, das du dir allerdings mit dem Kater teilen musst. Hm, und was die Hygiene betrifft... Benutze einfach das Katzenklo«, schlug ich vor. »Und lass deinen Müll nicht herumliegen, das ist asozial!«
»Kein Problem, Meister. Ich schrecke nicht mal vor Katzenfutter zurück, bin hart im Nehmen. Jawoll, Sir! Ich werde selbstredend alles tipptopp sauber halten, Ehrenwort«, salutierte er stramm. »Ich hoffe nur, hier wohnen keine Kellerwichtel!«
»Kellerwichtel habe ich bisher nicht gesehen. Sind sie etwa ein Problem für dich?«, fragte ich misstrauisch.
»Nö, nicht für mich. Jedoch könnte der Lärm oben stören, wenn ich diese Sau-Kerle verdresche!«, kicherte Detlef. »Ich habe nichts übrig für Winzlinge, die den Sinn ihres Lebens darin sehen, ständig mit Hammer und Säge an unnützen Sachen herumzuwerkeln. Meine Ruhe ist mir heilig, das ist alles«, winkte er lapidar ab. »Und übrigens, vielen Dank dafür!«, zeigte er auf sein neues Heim. »Das ist mehr, als ich mir erträumt habe.«
»Na prima, dann hoffe ich auf ein gutes Miteinander«, verabschiedete ich mich. »Muss jetzt weitermachen, das Dach reparieren.«
»Ja, man sieht sich!«, winkte der kleine Kerl und setzte sich auf die winzige Couch. Dort öffnete er seinen Koffer und entnahm ihm einen Fernseher, der aussah, als hätte er ihn aus einem alten Handy-Display gedengelt.
Beim Verlassen des Kellers hörte ich, wie Detlef sagte: »Mein Heim ist dort, wo mein Fernseher steht! Gut, dass ich dich noch retten konnte!«
Ein kleiner Schmatz ertönte, als er die Mattscheibe küsste…
Das Wetter war mir hold, es regnete zum Glück nicht mehr. Mit den Ersatzziegeln bewaffnet, kletterte ich durch die Dachluke und prüfte den Zustand des Daches. Glücklicherweise war der Schaden nur halb so schlimm, wie zuvor befürchtet. Das Ersetzen der Dachpfannen ging recht zügig vonstatten. Und während ich eine neue Ziegel in die klaffende Lücke einsetzte, landete genau neben mir ein Rabe, der mich kritisch observierte.
»Interessierst du dich neuerdings für die Tätigkeit des Dachdeckens, Cornelius?«, knirschte ich.
Der Rabe wuchs und nahm die Gestalt eines Mannes mit einer ziemlich wilden, grauen Lockenmähne an. Sportlich bekleidet mit einem grauen Sweatshirt-Troyer, trug er dazu eine verwaschene Blue Jeans und Sneaker. »Sieht professionell aus, wie du dort arbeitest!«, bemerkte er trocken und lächelte einnehmend, was ihn wesentlich jünger aussehen ließ. Cornelius ist der Typ Mann, bei dem man das Alter von dreißig bis fünfzig schätzen kann. Man fragt sich, ob der Dreißigjährige früh gealtert ist, oder ob sich der Fünfzigjährige gut gehalten hat.
Da Cornelius mein Vampirbruder ist, kann ich verraten, dass beides falsch ist. Er ist wesentlich älter. Viel älter.
Belustigt musterte ich ihn: »Was glaubst du denn? Ist ja nicht mein erstes Dach. Nanu? Heute trägt der feine Herr keinen obligatorischen Nadelstreifenanzug?«
»Nein, wohl kaum, wenn ich unterrichte. Dabei trage ich lieber legeres Räuberzivil. War wirklich schlimm, der gestrige Sturm, nicht wahr? Hat mächtig gerappelt. Dauert das noch länger bei dir?«, fragte er amüsiert.
»Sag mal, Connie. Kannst du nicht einfach auf Vampir-Art flüstern, oder dein dämliches Smartphone benutzen? Stattdessen machst du diesen Budenzauber und kommst wie der große Zampano auf mein Dach geflattert!«
Irgendetwas war Ambach, denn der Graue machte ein ernstes Gesicht, das für sich schon Bände sprach. Und ehe er anhob, um sich zu erklären, fiel ich ihm ins Wort.
»… Sag nichts, lass mich raten. Du kommst in der Funktion des Vampir-Ältestenrates, richtig?«, fragte ich gerade heraus.
Sein Nicken galt als Bestätigung: »Du weißt, dass du nicht einfach so ungeschoren davonkommst. Das hättest du dir vorher überlegen sollen, als du ich erdreistest, den Kater des Magiers Bovis in einen Vampir-Kater zu verwandeln. Nun, es nützt nichts, dir deshalb weiterhin Vorwürfe zu machen. Ich wollte dir persönlich diese Nachricht überbringen. Zudem muss ich dir sagen, dass du dich in dieser bevorstehenden Angelegenheit nicht überschätzen solltest. Das ist mein voller Ernst.«
»Okay, wollen wir das nicht lieber unten besprechen? Ich bin nämlich mit dem Dach fertig und habe keine Lust, mit meinem Gewicht die restlichen Dachziegel zu beschädigen.«
»Wäre mir recht. Ist ein wenig frisch hier oben. Trotzdem, eine tolle Aussicht, nicht wahr?«, zeigte er sich begeistert.
»Ja, du alter Romantiker. Sei hiermit herzlich eingeladen, über mein Dach zu fliegen, falls du deiner Süßen mal etwas Schönes zeigen willst. Sie wird entzückt sein!«, rollte ich mit den Augen. »So, Abmarsch!«, begab ich mich zurück zur Dachluke. Ich verharrte noch einen Augenblick, doch nachdem ich Cornelius nicht mehr wahrnahm, begab ich mich zurück ins Haus.
»Hier sind deine Unterlagen«, erwartete er mich bereits am anderen Ende der Stiege. Zudem trug er plötzlich einen Diplomatenkoffer bei sich und wedelte mit einer Akte.
»Ehrlich?! Was soll der Scheiß?!«, pöbelte ich ungehalten. »Mir ist durchaus bewusst, dass du magisch begabt bist, im Gegensatz zu mir! Musst du ständig dermaßen damit angeben?«, fauchte ich genervt. »Gib her! Worum geht es dabei eigentlich? Ich meine, außer einem bösen Vampir, der Menschen ermordete, und ich ihn deshalb kalt machen soll!«
»So viel sei verraten: Es geht um Gold«, sagte Cornelius vage.
»Echt jetzt? Um schnödes Gold? Ist ein Scherz, oder?«
»Hier geht es nicht nur um Gold, sondern unermesslich viel Gold!«, gab er zu verstehen.
»Wie viel Gold?«
»Sieh selbst«, tippte er auf die Akte, auf deren Deckel ein roter Stempelabdruck prangte, der »Streng geheim«, proklamierte.
»Warum befindet sich eigentlich auf geheimen Akten stets dieser dämliche Vermerk, dass deren Inhalt streng geheim ist?«, fragte ich enerviert. »Wenn´s nicht draufstünde, käme kein Depp auf die Idee, hineinzugucken! Das ist beinahe so, als würde ich ein dickes rotes X auf die Stelle malen, wo sich mein versteckter Wandsafe befindet! Das ist Schwachmatentum!«
»Willst du jetzt mit mir darüber diskutieren?«
»Nö, kam mir nur in den Sinn«, winkte ich ab und schlug die Akte auf und las. »Holla, die Waldfee! Und ich dachte schon, ich hätte einen beschissenen Tag! Da frage ich mich, wie eine einzelne Person das hingekriegt haben soll!«
»Und genau das ist deine Aufgabe. Die Fakten weisen darauf hin, dass unmöglich eine einzige Person am Werk gewesen sein kann. Dass ein Vampir seine Finger im Spiel hatte, belegen die am Tatort zurückgelassenen Spuren. Darum ist es eine Angelegenheit des Vampir-Ältestenrates. Mir ist klar, dass du nicht unbedingt der Teamplayer schlechthin bist. Jedoch besitzt du durch die Arbeit bei Salomons Ring genügend Erfahrung, um die Ermittlungen voranzutreiben; denn du siehst mehr, als ein gewöhnlich Sterblicher«, erläuterte Cornelius geduldig.
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