Es war schön zu sehen, wie der Funke auf die Zuschauer übersprang. Es wurde gelacht und geklatscht und die Situation war gerettet.
Die Kabarettisten nahmen mir es nie übel, denn schließlich hatten auch sie viel Vergnügen sowie Abwechslung und ihr Können war gefragt.
Nach dem Programm hatten wir dann viel Spaß, sprachen darüber und sie waren immer wieder verwundert, wie ich denn auf solche „blöden“ Ideen gekommen war. An drei Szenen erinnere ich mich ganz besonders gern.
Eine handelte von einer Fernsehsendung des DDR-Fernsehens. Ich glaube diese Sendung wurde jeden Sonntag übertragen. Die Fernsehmoderatorin Annemarie Brodhagen, interviewte den damaligen Direktor des Berliner Tierparks, Professor Heinrich Dathe. In dieser Sendung wurden Tiere des Parks vorgestellt. Ihre Herkunft und Lebensweise, Ernährung, Vermehrung und viel Interessantes über die Lebensweise wurde erläutert.
Wie ich heute noch meine, eine sehr interessante und lehrreiche Fernsehsendung nicht nur die für Kinder, ebenso Erwachsene kamen auf ihr Kosten.
In der Szene im Kabarett ging es um die Küchenschabe, im Volksmund auch Kakerlake genannt. Auf dem Tisch ein Mikrophon und die Bühne einem Fernsehstudio ähnlich dekoriert. Scheinwerfer, und als wichtiges Requisit eine Streichholzschachtel, in der sich anscheinend dieses Tier befand, welches nun vorgestellt werden sollte.
Während des „Interviews“ öffnete der „Professor“ die eben beschriebene Streichholzschachtel und deutet an, dass er diese „Kakerlake“ über den Tisch laufen lässt. Beide sahen dieser vermeintlichen Kakerlake nach und bewundern ihre Schnelligkeit. Ich besorgte mir einmal vor einer Vorstellung drei lebende Kakerlaken aus einer Speisegaststätte in der Nachbarschaft und verstaute sie in dieser bewussten Streichholzschachtel. Nur dem Bühnentechniker und den anderen Kabarettisten erzählte ich davon. Tatsache ist, dass in der damaligen Zeit diese Tiere in fast jeder Speisegaststätte zu finden waren, trotz aller Bemühungen um Sauberkeit im Küchen- und Gästebereich. Schädlingsbekämpfungsbetriebe versuchten durch versprühen von Insektenvertilgungsmitteln und auslegen von Tabletten, die Gase entwickeln, dieses Ungeziefer zu vergiften. Somit sollte dieser unangenehmen Plage ein Ende gesetzt werden, was aber höchst selten gelang.
Mit Warenlieferungen, Obst-und Fleischkisten, Kartonagen, in denen aus südlichen Ländern und Afrika Konserven angeliefert wurden, kam es immer wieder vor, dass diese Insekten in die betroffenen Einrichtungen eingeschleust wurden. Sie gewöhnten sich schnell an ihren neuen Lebensraum und schienen sich wohl zu fühlen.
Beide Akteure betraten das „Studio“. Die „Fernsehzuschauer“ wurden von der „Moderatorin“ herzlich begrüßt und das „Unheil“ nahm seinen Lauf.
Ganz locker und mit spaßigen Bemerkungen begann der „Professor“ mit seinem Vortrag. Er berichtete über die Herkunft, die Verbreitung, den Lebensraum und die Lebensgewohnheiten der Kakerlaken.
Meine Frau und ich hatten uns hinter einem Vorhang am Eingang zum Zuschauerraum versteckt. Aufgrund der Scheinwerfer, die das „Studio“ erhellten, konnten uns diese beiden Kabarettisten nicht sehen.
Der „Professor“ sagte während seiner Erläuterungen zur „Moderatorin“ sinngemäß: „ich habe keine Mühe gescheut und ein solches Tier mitgebracht. Sie müssen sich nicht beängstigen, da nach unseren Erkenntnissen und Erfahrungen diese Tiere sehr scheu sind. Sollte doch etwas Unvorhergesehenes passieren, stehe ich Ihnen bei. Ich werde alles für mich Menschen mögliche unternehmen, um Sie zu beschützen!“
Der Moment kam, als der „Professor“ diese Streichholzschachtel nahm, sie sich vor den Mund hielt und sagte: „ich zeige Ihnen jetzt dieses Tier, ich hauche ihnen Leben ein.“ Er öffnete die Schachtel, sah hinein und für Sekunden erstarrte sein Blick. Wir, meine Frau und Ich, sowie auch die anderen Kabarettisten, die sich am Durchgang der Garderobe zur Bühne in „Stellung“ gebracht hatten, mussten uns das Lachen verkneifen. Der „Professor“ hatte diese unerwartete Situation schnell überschaut und reagierte spontan, indem er die Streichholzschachtel weiter öffnete und die Kakerlaken auf den „Studiotisch“ aus ihrem Gefängnis entließ.
Zu unserem Bedauern fielen zwei dieser Tiere halb Tod auf den Tisch. Ich befürchte, ich hatte sie verletzt, als ich sie in Gefangenschaft genommen hatte. Es war nicht meine Absicht diese armen kleinen Tierchen zu verletzen!
Die „Moderatorin“ allerdings, schauderte. Gewissensbisse schlichen sich schnell ein und ich hatte große Sorge um die Gesundheit der armen Frau. War ich zu weit gegangen? Ihr Gesicht wechselte in kurzen Abständen fast einmal die gesamte Farbpalette durch. Ich hatte so etwas zuvor noch nie bei einem menschlichen Wesen gesehen.
Ihrem völlig verkrampften und erstarrten Gesicht entwich ein Schrei, der mir bis ins Knochenmark ging.
Kaum hatte sich ihre Verkrampfung auch nur ansatzweise gelöst, stürzte sie von der Bühne und wurde von den anderen anwesenden Kabarettisten und dem Bühnentechniker johlend in Empfang genommen. Der Applaus der Zuschauer wollte kein Ende nehmen. Das war auch gut so, denn kurzerhand hatten die Kabarettisten die Folge des weiteren Programms umgestellt. Die „Moderatorin“ war nach diesem Erlebnis nicht in der Lage sofort wieder auf die Bühne zu gehen, um in der folgenden Szene mitspielen zu können.
Als das Programm beendet war, kamen alle Kabarettisten wie gewöhnlich in den Bar Raum. Ich bediente die Gäste an der Bar, meine Frau bediente im Zuschauerraum. Das „Hallo“ nach dieser Vorstellung war riesengroß. Das begeisterte Publikum unterhielt sich an diesem Abend noch lange über die Darbietungen und es wurde gelacht und gejohlt.
Die „Moderatorin“ hatte sich von ihrem Schreck erholt und nahm mir meinen kleinen Scherz auch nicht übel. Dieser Abend endete, wie es nur ganz selten der Fall war, feuchtfröhlich bis in die frühen Morgenstunden.
In weiten Abständen, damit der Überraschungseffekt nicht verloren ging, lies ich mir immer wieder solche „Aktionen“ einfallen. Das klappte immer dann, wenn keiner der Kolleginnen und Kollegen damit rechnete.
Unsere Tochter, die in dieser Zeit bei der Handelsschifffahrt, Reederei Mittelmeer-Afrika, als Stewardess tätig war, musste mitunter für mehrere Monate mit dem Schiff auf große Fahrt gehen. Wir besuchten sie wenn es zeitlich möglich war, während der kurzen Hafenliegezeiten im Heimathafen Wismar. Für uns war das immer ein wunderbares Erlebnis. Wir mussten dafür bei der Hafenbehörde einen Besucherantrag stellen. Daraufhin bekamen wir einen Hafenpass und die Genehmigung das Schiff zu betreten. Mit diesem Pass durften wir auch in einer der Besucherkabinen übernachten.
Nur wenige DDR-Bürger hatten diese Möglichkeit. Es war damals sehr schwierig eine solche Tätigkeit, wie sie unsere Tochter hatte, zu bekommen. Jedem einzelnen der Angestellten der Handelsmarine war es ohne weiteres möglich, die DDR illegal zu verlassen. Aus einer Laune heraus bewarb sie sich bei der Seereederei für diese Tätigkeit und etwa nach einer halbjährigen Wartezeit bekam sie die Aufforderung, sich einem Verkehrsarzt in Erfurt vorzustellen.
Für uns ein sicheres Zeichen, dass sie für diese Tätigkeit angenommen war. Daraufhin ging alles sehr schnell. Nach wenigen Tagen absolvierte sie einen einwöchigen Einweisungs- und Arbeitsschutzlehrgang an der Seefahrtschule in Wismar.
Wir waren der Annahme, dass wir unsere Tochter nach Beendigung dieses Lehrganges wieder mit nach Gera nehmen können.
Als sie jedoch das Zertifikat an der Seefahrtschule in Empfang nahm wurde ihr mitgeteilt: „sie solle sich umgehend in den Wismarer Überseehafen zum Seefahrtsamt begeben, um ihr Seefahrtsbuch in Empfang nehmen.“
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