1 ...6 7 8 10 11 12 ...22 Es kam mitunter mehrmals monatlich vor, dass an den spielfreien Tagen andere Kabaretts der DDR Gastvorstellungen in unserer Spielstätte gaben.
Ich erinnere mich an die Auftritte der „Pfeffermühle“ und „Academixer“ aus Leipzig, “Distel“ aus Berlin, sowie auch an viele Künstler der DDR, mit ihren Soloprogrammen.
Sehr gern gesehen waren unter anderem: „Treff mit OF“, mit OF.Weidling, Diskussionen mit dem Schriftsteller Hans-Georg Stengel, dem Schriftsteller Mathias Biskupek und vieler anderer Künstler.
Unsere Arbeitszeit an diesen Tagen wurden auf einem Arbeitszeitkonto gut geschrieben. Wir hatten nun die Möglichkeit uns am Ende der Spielzeit, Anfang Juli, diese Stunden als Überstunden vergüten zu lassen. Wir konnten aber diese Zeit auch als bezahlte Freizeit abgelten. Spielpausen waren in den Monaten Juli und August.
Es war uns jedes Mal möglich, die Monate Juli und August mit der Familie gemeinsam zu verbringen und ausgedehnte Urlaubsreisen zu unternehmen.
So zum Beispiel vierwöchige Reisen mit dem Auto nach Ungarn an den Balaton. Ich erinnere mich gern an folgendes Erlebnis in Ungarn, in der Stadt Almadi. Traditionsgemäß waren wir mit einem befreundeten Pärchen privat im Urlaub. Unsere Wirtsleute wohnten während der Urlaubssaison in einen Schuppen und in der Garage auf ihrem Grundstück. Netterweise hatten wir dort einen Holzkohlegrill zur Verfügung. In jedem Jahr, in dem wir dort Urlaub machten, es war siebenmal, nahmen wir Thüringer Rostbratwürste und Schweinesteaks, tiefgefroren in Kühltaschen mit. Manchmal kam es während der langen Fahrt vor, dass unser Grillgut auftaute. An einem unserer Grillabende bemerkten wir, dass die Würste einen säuerlichen Beigeschmack hatten. Ich würde nicht sagen dass die verdorben waren, allerdings schmeckten sie unangenhm.
Aus diesem Grund kamen ein Paar köstliche Steaks zum Einsatz, die Würste hatte unser Freund an der äußersten Stelle des Grills deponiert.
Am nächsten Tag wollten wir sie an Hunde oder Katzen verfüttern, doch es kam anders. Während wir noch bei mehreren Flaschen Wein zusammen saßen, kam der Vater unserer Urlaubswirtin zu seinen Kindern zu Besuch. Verschmitzt schaute er im Vorbeigehen auf unsere aussortierten Würste. Deutsch sprach und verstand er nicht. Mit Gesten gab unser Freund dem „Opa“ zu verstehen: „er sei eingeladen und könne sich mit den übrig gebliebenen Würsten vom Grill stärken.“ Dieser „Opa“, ein Naturmensch, reinigte in glühender Hitze die Straßengräben unseres Urlaubsortes. Er hatte eine Haut wie gegerbtes Leder und war furchtbar dürr. Blitzschnell kam er unserer Einladung nach. Die Frauen wollten es verhindern, hatten damit jedoch keinen Erflog. Ich glaube drei oder vier dieser Würste hatte er wohlwollend „verputz.“ Dann kam plötzlich seine Tochter und schimpfte mit ihm, wir verstanden aber ihre Worte nicht. Sie zog ihn an den Armen in Richtung Garten, in den Lebensbereich unserer Wirtsleute. Ich glaube mich noch heute richtig zu erinnern, auf dem Grill befanden sich noch etwa vier oder fünf dieser sauren Würste, als wir irgendwann, „Alkoholgeschwängert“ unsere Nachtquartiere aufsuchten.
Am kommenden Morgen jedoch stellten wir mit Erstaunen fest, die restlichen Würste waren verschwunden. Unsere einzig logische Erklärung dafür waren Katzen. Wir erinnerten uns, dass der Opa jeden Abend zu seinen Kindern kam, mit ihnen das Abendbrot einnahm und auch mitunter auch bei ihnen schlief. Nach zwei, drei Tagen, wir hatten den Opa seit dem bewussten „Würstchentag“ nicht mehr gesehen, machten wir uns sehr große Vorwürfe. War das Fleisch doch verdorben? Hatte der Opa eventuell diese restlichen Würste noch verzehrt als wir schliefen? Oder hatten diese Würste, ich hoffte es, in der Nacht die Katzen geholt? Es ließ uns keine Ruhe und nach etwa fünf, sechs Tagen, der Opa war für uns immer noch verschollen, fragten wir den Sohn unserer Wirtsleute, wie es denn seiner Frau der Gabi, den beiden Töchtern und dem Opa geht.“
Freudestrahlend erzählte er uns: „das Nachwuchs komme, ein Stammhalter hat sich angesagt, dass komme eben „davon“, und nun ja, die Kinder seien bei der anderen Oma in Mosonmagyarovar zu Besuch. Es sind ja gerade Schulferien.“ Nun wussten wir alles was ihm in dieser Minute wichtig war. Auf den Opa ging er nicht ein. Was ist denn nun mit deinen Opa, dachte ich im Stillen. Wir bohrten weiter und dann sagte er, so ganz beiläufig: „ach der Opa, der ist in Zarmadi, auf der gegenüberliegenden Seite des Balaton. Wir haben dort noch einen großen Garten.
Er pflegt ihn, erntet die Früchte und meine Mutter holt diese aller zwei/drei Tage mit dem Auto nach Hause. Sie kocht alles ein, oder konserviert es anderweitig für den Winter.“
Wie uns nach dieser erfreulichen Nachricht zumute war, kann sich bestimmt jeder vorstellen.
Aufgrund Guter Beziehungen, wie schon erwähnt, kam ich immer vor jeder dieser Urlaubsreisen, illegal, in den Besitz von „Zoll und Devisenerklärungen“ der DDR, mit denen man im Ausland jeweils 100.- Mark in die dortige Landeswährung umtauschen konnte. Somit fehlte es uns an nichts.
Die Welt, wie man so sagt, war für uns in Ordnung.
Doch nun war es wieder soweit. Der Beruf, nunmehr sieben Jahre derselbe im Kabarett, war etwas all tägliches geworden und wir fühlten uns arg unterfordert. Alles wurde zur Routine, lief wie am Schnürchen.
Im Juni 1982 bat uns die Direktorin unseres Betriebes um ein Gespräch.
Die Frau des Gaststättenehepaars der benachbarten Speisegaststätte war im Mai des Jahres ganz plötzlich verstorben.
Ihr Mann, von Alkohol zerfressen, hatte auf diesen schweren Schicksalsschlag hin völlig den Halt über sich und den Überblick in seinem Restaurant verloren.
Wir wurden gebeten für einen Monat dieses Restaurant zu führen, damit er einen dringend benötigten Urlaub antreten konnte. Für uns war er immer ein sehr guter und hilfsbereiter Kollege. Noch heute möchte ich sagen, ein ehrlicher und lieber Freund. Es war selbstverständlich für uns beide, dass wir diese Urlaubsvertretung übernahmen.
Bei der Übergabeinventur stellte sich jedoch eine Minusdifferenz des Warensollbestands in Höhe einer zweistelligen Summe im Tausenderbereich heraus.
Was nun?
Kapitel 5 Unser erstes Speisenrestaurant.
Diese Frage wurde uns von der Inventurgruppe, und am nächsten Tag von unserer Direktorin gestellt. Der Kollege und Freund war nun, aufgrund dieser Minusdifferenz, nicht mehr berechtigt eine Verkaufseinrichtung zu führen.
Er bekam eine Arbeit als Kellner in einem andern Restaurant unseres Betriebes. Während einer Besprechung mit allen beteiligten Fachleuten des Betriebes, entschieden wir uns kurzfristig zur Übernahme dieses Restaurants. Allerdings hatte ich Forderungen als Grundbedingung gestellt, falls wir dieses Restaurant übernehmen. Jahrelang waren die Gast- und Wirtschaftsräume nicht renoviert worden. Die sanitären Anlagen „stanken zum Himmel.“ Sitzmöbel und Tische waren in einem sehr schlechten Zustand, die Gardienen ebenso. Der Gesamteindruck- wenig einladend für die Gäste.
Im Küchenbereich fehlte es ebenfalls an fast allem, was man zur Herstellung von Speisen, Á La Carte, im Restaurant benötigte. Von angemessener Bewirtung und Versorgung interner Familienfeiern, geschlossenen Gesellschaften zu allen möglichen Anlässen, ganz zu schweigen. Selbst Stahlbestecke gehörten nicht zur Serviceausstattung. Die Gäste mussten ihre Speisen mit Aluminiumessbestecken zu sich nehmen.
Ich bekam freie Hand, Geld spielte keine Rolle, musste aber alles selbst organisieren. Handwerker beschäftigen, Gardienen nach unseren Vorstellungen und Wünschen anfertigen lassen und Kühlmöbel besorgen. Ein Großteil der Serviceausstattung galt es neu zu beschaffen und einen Installateur zu finden, der die sanitären Anlagen in Ordnung brachte, sie zum Teil auch erneuern musste. Sogar das Problem mit der Beschaffung von Stahlbestecken konnten wir lösen. Wir hatten in Erfurt eine Bekannte, durch deren Beziehungen unsere zukünftigen Gäste ihre Speisen nicht mehr mit Alubestecken verzehren mussten. Folgendes geschah- Im gewerblichen Großhandel war es mir nicht möglich Bestecke einzukaufen. Vorrangig wurden gastronomische Einrichtungen und Hotels, in denen Westdeutsche Gäste und Besucher verkehrten, beliefert. Von Einrichtungen der Partei, Kreis-Bezirks und Landesverwaltungen, ganz zu schweigen.
Читать дальше