Als er angefangen hatte, waren die ertappten Sünder noch wie Lämmchen gewesen, denn gerade die Fahrer der ausgesprochen teuren Karren – Anwälte, Ärzte, Architekten und ähnliche Gutverdienende - waren auf beste Mobilität angewiesen. Lehmann musste ständig eine Erektion unterdrücken, wenn er den auf ihren Fahrersitzen zusammengesunkenen und angstschlotternden Gestalten auseinandersetzte, dass deren Geschwindigkeitsübertretungen oder zu dichtes Auffahren eine saftige Geldstrafe nach sich ziehen würde. Er wusste ganz genau, dass diese betuchten Typen dies locker aus der Portokasse bezahlen konnten, aber er ließ seine Trumpfkarte noch im Ärmel stecken. Erst als sich spürbare Erleichterung bei den Verkehrsrowdies breitmachte und diese kriecherisch versicherten, das Bußgeld selbstredend unverzüglich zu begleichen, ließ er sie noch eine Weile zappeln und dozierte über mögliche Folgestrafen, falls sie noch einmal erwischt werden sollten. Die Delinquenten gingen zu diesem Zeitpunkt immer noch davon aus, dass sie gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen wären und wollten sich dann schnellstens trollen.
„Ach übrigens“ sagte Lehmann in diesem Moment immer süffisant lächelnd und fuhr seine Latte bis zum Anschlag aus „da ist noch was.“
Er legte dann immer eine Kunstpause ein und trat dicht an die Fahrertür heran, so dass die Insassen der Fahrzeuge seinen steifen Riemen nicht sehen konnten. Dann fuhr er fort:
„Leider, so leid es mir für Sie auch tut, sind Ihre Regelverletzungen so schwerwiegend, dass ich Ihnen ein Fahrverbot ankündigen muss. So über den Daumen gepeilt müssen Sie mit mindestens 3 Monaten rechnen, gehen Sie aber besser mal von einem halben Jahr aus, da sind Sie auf der sicheren Seite. Aber das wird der Richter entscheiden müssen, ich will Sie bloß schon einmal darauf vorbereiten. Sie werden also demnächst Post erhalten. Dort wird Ihnen das Strafmaß erläutert werden und Sie werden auch informiert, wo Sie Ihre Papiere abzugeben haben. Das Fahrverbot gilt übrigens ab sofort, mit der Einschränkung, dass Sie die Fahrt noch bis zu Ihrem Wohnort fortsetzen dürfen. Dort legen Sie das Fahrzeug sofort unverzüglich still. Sollten Sie das nicht tun, kann das zur Folge haben, dass Ihnen der Führerschein für eine unbestimmte Zeit entzogen wird und Sie eine Einladung zum Idiotentest, Sie wissen schon, was ich meine, erhalten werden. Mein Kollege ist gerade dabei, Ihre Kennzeichennummer in unsere Fahndungsdatenbank einzupflegen, das passiert in Echtzeit, da wir modernste Elektronik an Bord haben. Also, verhalten Sie sich bitte in Ihrem eigenen Interesse richtig.“
Lehmann hatte an dieser Stelle mächtig geflunkert. Zwar hatte das Polizeiauto durchaus moderne Überwachungstechnik mit Kameras an Bord, aber das war es auch schon. Seit Jahrzehnten wurde am Aufbau eines digitalen Polizeifunks herumgedoktert, aber das einzige Ergebnis war, dass etliche Millionen für die Entwicklung verbrannt worden waren und bislang nichts Praxistaugliches zustande gekommen war.
Immer wenn Lehmann seine Ansprache beendet hatte konnte er mit einem Gefühl allergrößter Befriedigung sehen, wie den aufgeblasenen Typen scheinbar der Stöpsel gezogen wurde, und sie im Sekundenschnelle zusammenschrumpften. In diesem Augenblick spürte er den Orgasmus nahen, und als er kam, lehnte sich der Kommissar mit vor Lust verzogenem Gesicht an die Fahrertür. Glücklicherweise standen die Fahrzeuginsassen im diesem Moment immer noch unter einem heftigen Schock und waren mit sich selbst beschäftigt, so dass sie den entrückten Gesichtsausdruck ihres Peinigers nicht wahrnahmen. Lehmann war bald zu der Überzeugung gekommen, dass er den Traumberuf gefunden hatte. Er durfte im staatlichen Auftrag hemmungslos rasen, konnte die Verkehrsteilnehmer maßregeln, und fand regelmäßig höchste sexuelle Befriedigung. Dass die Bezahlung nicht so berühmt war, spielte für ihn keine sonderlich große Rolle, er wurde durch die anderen Umstände im Dienst mehr als entschädigt. Er lebte zu diesem Zeitpunkt mit einer jungen Frau zusammen, die ihn anfangs mit wilden sexuellen Handlungen angefüttert hatte. Ihre Leidenschaft ließ aber schnell deutlich nach, und Lehmann war es bald leid, sich immer öfter anhören zu müssen, dass sie Migräne hätte, müde wäre oder von der Hausarbeit erschöpft sei. Letzteres stimmte nicht, denn Dennis Lehmann bediente die Waschmaschine und kümmerte sich um die Bekleidung, schon um nicht erklären zu müssen, warum seine Unterhosen ständig Spermaflecken aufwiesen. Auch ging er einkaufen und machte zu Hause klar Schiff. Eines Tages sagte er sich, dass er wohl mehr nur der Rundumversorger seiner Freundin wäre und diese sich einen schönen Tag machte, und er sie auch noch öfter erfolglos um Sex anbetteln musste. Nachdem sie 8 Monate zusammen gewesen waren, schmiss er sie hochkant raus und konnte sich nunmehr vollständig ausleben.
Mit der Zeit waren die Sitten auf der Autobahn rauer geworden, und die ertappten Verkehrssünder rabiater. Dazu kam, dass die Straßen seit 2015 zunehmend von lichtscheuen Elementen bevölkert wurden, die illegale Migranten schmuggelten oder sich im Waffenhandel versuchten. Eines Tages ging Lehmann und seinem Kollegen ein ziemlich dicker Fisch an die Angel. Ein Bulgare hatte sich überhaupt keine große Mühe gemacht, drei funktionstüchtige Kalaschnikow und die dazu passende Munition im Kofferraum seines PKW zu verstecken, er hatte die Waffen lediglich unter Decken und Gepäck verstaut. Wahrscheinlich war er davon ausgegangen, dass die unbeschreiblich naiven und permanent an das Gute im Menschen glaubenden Deutschen sowieso nicht so genau hinsehen würden, sie ließen ja ohnehin in dieser Zeit jedermann ohne nähere Kontrolle oder gar ohne Papiere ins Land. Als Lehmanns Kollege den Kofferraum untersuchte und die Sturmgewehre fand, war der Bulgare panisch geworden und wollte den Polizisten mit einem Messer attackieren. Dennis Lehmann fackelte nicht lange herum, und jagte den Angreifer drei Kugeln aus seiner Dienstwaffe ins rechte Bein. Bald darauf wurden die Autobahnpolizisten darin geschult, wie man gefährliche Situationen bewältigen konnte, und wie man vor allem auf Deeskalation setzte. Grundprinzip sollte sein, so wurde Ihnen erklärt, zunächst für die eigene Sicherheit und die der Kollegen zu sorgen. Wenn die Situation aber trotz aller Bemühungen aus dem Ruder laufen sollte, wäre der Einsatz der Dienstwaffe in höchster Gefahr zulässig. Vorzugsweise sollte durch Schüsse auf die Beine Bewegungsunfähigkeit bei einem Angreifer erreicht werden. Sollte dieser aber eine Schusswaffe einsetzen, wäre als Ultima Ratio ein letaler Schuss legitim.
Kommissar Dennis Lehmann war überwiegend auf einem besonders brisanten Autobahnbereich im Einsatz. Mit einem untrüglichen Gespür fischte er verdächtige Fahrzeuge heraus, bei denen er Unregelmäßigkeiten vermutete. Fast immer bestätigte sich sein Verdacht, und er geriet zunehmend an Leute, die Gewalt als einziges Argument akzeptierten. Die Polizisten hatten sich zum Selbstschutz angewöhnt, auch bei scheinbar harmlosen Fällen, stets ihre Dienstwaffen schussbereit zu haben. Allein vom Herbst 2016 bis zum Frühsommer 2017 musste Lehmann wegen bedrohlicher Situationen fünfmal seine Schusswaffe einsetzen. Demzufolge war sein Misstrauen immer mehr gestiegen, und die Pistole saß ihm jetzt tatsächlich locker. Frieder Bergmann wollte den Polizisten davon überzeugen, dass die Bremsverzögerung tatsächlich beeindruckend war und an das Manual gelangen. Mit einer von Lehmann vollkommen unerwarteten und schellen Bewegung beugte sich Bergmann nach rechts, um an das Handschuhfach zu kommen. Der Kommissar schlussfolgerte blitzschnell, dass der Mann vor ihm sich jetzt eine versteckte Waffe greifen wollte, um Widerstand leisten zu können. Die Schusssituation war denkbar ungünstig, würde er in den Innenraum feuern, könnte er den halb liegenden Mann eventuell tödlich treffen und womöglich würden Querschläger umherschwirren. Einen letalen Schuss hatte Lehmann bislang vermeiden können, und er war auch nicht scharf darauf, sich dann in einem langwierigen Disziplinarverfahren wiederzufinden. Zwar verschaffte ihm die Ballerei noch höhere Lüste als die reine Fahrzeugkontrolle und die Erniedrigung der Täter, aber er legte es nicht darauf an, jemanden umzulegen. Außerdem gab es bei dem Typen im Jaguar momentan auch keine begründeten Verdachtsmomente, vermutlich handelte es sich nur um einen gewöhnlichen Raser. Dennoch war Lehmann äußerst misstrauisch und ohne weitere Alternative gab er zwei Schüsse auf die rechte Seitenscheibe des Fahrzeuges ab, das sollte die beiden Insassen von weiteren unbedachten Handlungen abhalten. Das Sicherheitsglas konnte den 9 Millimeter Geschossen nicht standhalten, und zerbarst in tausend Stücke, die vor allem auf die schockierte Petra Bergmann herabregneten, sie rutschte noch tiefer in den Fußraum hinab. Ihr Mann blieb wie erstarrt liegen und war von dem Dröhnen in seinen Ohren wie paralysiert. Lehmann hatte tatsächlich erreicht, dass die beiden Verdächtigen keine Regung mehr zeigten und unverletzt geblieben waren. Jetzt zeigte sich die ganze Routine der beiden Autobahnpolizisten. Nahezu synchron rissen sie die beiden Fahrzeugtüren auf, zerrten Bergmann und seine Frau grob aus dem Auto heraus, warfen sie bäuchlings auf den Boden und knieten sich auf deren Rücken. Eine Sekunde später hatten sie die Arme der Verdächtigen auf den Rücken gebogen und legten ihnen Handschellen an. Dann packten sie ihre Gefangenen, bugsierten sie zur Kühlerhaube, spreizten ihnen mit kräftigen Fußtritten die Beine und pressten sie mit dem Oberkörper auf das Blech. Frieder Bergmann rief verzweifelt:
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