„Wer als erster ausgetrunken hat ist Sieger des Abends“ erklärte Frieder Bergmann „auf los geht es los.“
„Es geht um Deutschland“ hörte er wieder Herbert Büchsenschuss Stimme.
Frieder Bergmann schaffte die Hälfte des Glases in einem Zug, dann musste er rülpsen. Als er das Glas dann immer höher und schräger hielt trat absolute Stille im Raum ein, so dass nur seine Schluckgeräusche zu hören waren. Bergmann bekam davon nichts, und als er seine Leistung mit einem dröhnenden Rülpser quittiert hatte, klatschten die Chinesen begeistert in die Hände.
„Sie sind der Chef, Herr Bundeskanzler“ ließ der Vorsitzende mit unsicherer Stimme übersetzen „jetzt können wir zum geschäftlichen Teil kommen. Nennen Sie uns Ihre Angebote.“
Frieder Bergmann merkte, dass die Chinesen nicht mehr ganz zurechnungsfähig waren und legte einfach die drei Verträge auf den Tisch. Dann zündete er sich eine Zigarette an und wartete auf das Ergebnis. Es schien eine erregte Diskussion zu geben, aber er konnte feststellen, dass alle voll wie die Haubitzen waren, eine gute Grundlage, die ungeliebten Projekte an die Chinesen loszuwerden. Der Vorsitzende führte mit herrischer Stimme das Wort, aber auch er hatte größte Mühe, sich überhaupt noch zu artikulieren. Dennoch schien er sich durchgesetzt zu haben, denn mit einem Lächeln unterschrieb er alle Verträge und schob sie zu Frieder Bergmann hin. Dieser war ob der Schnelligkeit der Entscheidung vollkommen perplex und unterschrieb ebenfalls.
„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler“ sagte der Vorsitzende lächelnd und mit schwerer Zunge „diese Verträge werden wir nach Punkt und Komma erfüllen. Sie werden sehen, dass unsere Unternehmen jegliche Herausforderung annehmen und diese auch bewältigen können. Wir schätzen Sie als unseren Türöffner für Großprojekte in Europa. Wir werden in Deutschland beginnen, und dann gemeinsam mit Ihnen ganz Europa aufrollen. Lassen Sie uns auf diesen historischen Abend trinken!“
Frieder Bergmann wusste dann am nächsten Tag nicht mehr so ganz genau wie der Abend noch weiter verlaufen war, aber das war egal, er ruhte während des Rückflugs zufrieden in seiner Kabine im Flugzeug und bekämpfte seinen üblen Kater und die Flugangst mit Bier und Mao Tai.
„Bundeskanzler Professor Doktor Frieder Bergmann kehrt mit einem Koffer voller Geschenke aus China nach Deutschland zurück“ titelte die BilderZeitung.
„Wie nicht anders zu erwarten war, hat der von uns sehr geschätzte Bundeskanzler bei seinem Staatsbesuch in China Nägel mit Köpfen gemacht und vier Großprojekte vertraglich vereinbart. Das Wichtigste ist der Komplettabriss und Neuaufbau des Flughafens Berlin-Brandenburg innerhalb von 18 Monaten. Während die jetzige Flughafengesellschaft, die der Bundeskanzler gestern nach seiner Rückkehr unverzüglich fristlos entlassen hatte, von einer „eventuellen Fertigstellung im Jahr 2017“ ausging, haben sich die chinesischen Unternehmen verpflichtet, den Flughafen bis zum 31. Dezember 2015 fertigzustellen.
„Diese kleinen und zähen gelben Kerle schaffen das locker“ hatte uns der Bundeskanzler lächelnd gesagt „so, wie die versuchen einen unter den Tisch zu trinken, so hartnäckig sind die auch bei der Arbeit. Was allerdings das Kampftrinken anbetrifft kann ich Ihnen sagen, dass ich dem Vorsitzenden und dem gesamten Politbüro nicht die Spur einer Chance gelassen und die deutsche Fahne ganz hoch gehalten habe. Da müssen die Jungs noch etwas trainieren. Jedenfalls sind vier Verträge zustande gekommen, und da die Chinesen die Projekte vollständig mit eigenen Leuten abwickeln wollen habe ich dem Vorsitzenden die Zusage erteilt, dass am zentralsten Ort, bezogen auf die Standorte aller Projekte, eine chinesische Kolonie errichtet werden kann. Dieser Ort ist Bonn. Bonn hat ja seine Bedeutung ohnehin schon lange verloren und wird von den Chinesen vollständig abgerissen werden weil die Stadt doch schon ziemlich heruntergekommen ist. Die dortigen Bewohner werden ähnlich wie bei einer Tagebauerweiterung umgesiedelt. Vorzugsweise sollen die Einheimischen dann in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt ihre neue Heimat finden. Da ist noch viel Platz frei.“
Wir halten das für eine gute Idee und fragten den Bundeskanzler nach seinen weiteren Plänen.
„Nun“ sagte er uns „ich bin noch 14 Tage im Dienst, dann fahre ich mit meiner Familie in den Urlaub.“
Auf die Frage wohin, lächelte der Bundeskanzler nur schweigend.
Gute Erholung, Herr Bundeskanzler Professor Doktor Frieder Bergmann.“
„Ich will wieder einmal zurück zu den Wurzeln“ erklärte Frieder Bergmann seiner Familie „als Bundeskanzler schlafe ich den feinsten Hotels, bekomme die erlesensten Speisen vorgesetzt und trinke mit dem Holländer oder dem Putkinow die besten Schnäpse. Wenn ich reise, habe ich im Flugzeug einen eigenen Ruheraum damit keiner mitbekommt, wie mir die Düse vor dem Fliegen geht. Irgendwie ist das alles ganz schön abgehoben.“
„Was das Flugzeug anbetrifft ist es ja wohl gerechtfertigt“ antwortete Peter Petersen „ich meine das mit dem abgehoben. Du kannst ja schlecht mit dem Airbus über die Autobahn fahren.“
„Du hast noch nie gute Witze reißen können Peter“ belehrte ihn seine Frau Hannelore „und wenn das ein Bonmot sein sollte, hat es keiner verstanden.“
„Ein was?“
„Bonmot.“
„Was isn das?“
„Eine Pointe.“
„Egal. Ich verstehe Frieder schon“ erwiderte Petersen „der muss den ganzen Tag hellwach sein und steckt ständig in feinen Anzügen, muss sich überall und immer benehmen und ist wahrscheinlich selbst auf der Hütte nicht allein, weil ihn immer irgendwelche Typen vom Personenschutz wie die Schmeißfliegen umschwirren. Da wird er im Urlaub sicher mal in lässigen Klamotten rumsteigen wollen und nicht dauernd so geschwollen rumlabern müssen. Daraus ergibt sich natürlich die Frage, was wir im Urlaub unternehmen wollen.“
„Wir machen wieder eine Radtour“ schlug Paula vor.
„Vergiss‘ es“ brummte Petersen „mir tut jetzt noch der Hintern weh, wenn ich bloß daran denke.“
„Es muss diesmal etwas Besonderes sein“ meinte Rüdiger „sozusagen eine Anerkennung für Papa, weil er so weit aufgestiegen ist. Da können wir nicht nur mit dem Zelt an die Ostsee fahren.“
„Das stimmt schon“ antwortete Petra Bergmann „aber es sollte eine Kombination aus Bodenständigkeit und einem gewissen Verwöhn Aroma sein. Einfach mal die Seele baumeln lassen wäre auch schön. So durch die Gegend gefahren werden und sich an der vorbeiziehenden Landschaft erfreuen. Aber ein bisschen spannend darf es manchmal auch mal werden.“
„Na dann machen wir uns wieder mit Wohnmobilen auf den Weg“ schlug Nils vor „aber diesmal nicht im Ausland, sondern in Deutschland.“
„Ist doch total öde“ wandte Peter Petersen ein „was gibt es in Deutschland schon zu sehen und zu erleben?“
„Da täuscht du dich aber gewaltig“ erwiderte seine Frau „und ich wette mit dir, dass du nicht einmal weißt, wo bestimmte Städte in den einzelnen Bundesländer liegen. Ich unterstütze Nils Vorschlag. Wir waren schon so oft im Ausland unterwegs aber kennen das eigene Land kaum. Und für Frieder als Bundeskanzler wäre es sicher auch gut, sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.“
„Nicht schlecht“ stimmte Bergmann zu „wir starten in Sachsen, fahren dann in den Süden, schwenken nach Westen, reisen weiter bis zur Küste, besuchen Mecklenburg und fahren durch Thüringen wieder nach Hause. Ich fand den Urlaub mit dem Wohnmobil auch sehr gelungen. Außerdem kann ich mich tatsächlich dann unterwegs umsehen ob im Land noch Dinge im Argen liegen. Ich habe auch schon drei Ziele parat: das Lothar-Günther Buchheim-Museum in Bayern am Starnberger See, das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Außerdem kann man dort auch noch ein U-Boot aus dem 2. Weltkrieg besichtigen. Und dann fahren wir auch noch nach Munster, ins Deutsche Panzermuseum. Ich bin dabei.“
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