„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Anwesende,
ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung in Ihr schönes und hochinteressantes Land. China hat in den vergangenen Jahren einen weltweit beachteten Aufstieg genommen der in seiner Dynamik beispiellos ist. Sie sind bald in der Elektronik führend, Sie kopieren erfolgreich alle möglichen Produkte, Sie sind Weltmeister in der Umweltverschmutzung. Bei mir zu Hause sagt man „von nichts kommt nichts“, und genau diesen Weg beschreiten Sie erfolgreich. Die paar Dissidenten spielen in Ihrem Riesenreich doch gar keine Rolle. Jedenfalls sind alle von der Entwicklung in Ihrem Land mehr als beeindruckt. Natürlich wird das nicht überall mit Freude gesehen aber man sollte auch bedenken, dass Sie auch was aufzuholen haben. Aber unter Leitung der Partei kann Ihr Weg nur eine Richtung kennen: vorwärts! Ja, wie oft ärgere ich mich über unsere parlamentarische Demokratie. Stellen Sie sich mal vor, Sie wollen eine Stromleitung bauen. Wie läuft das bei Ihnen? Die Leute, die dagegen rumstänkern, werden kurzerhand enteignet und weggejagt! Wie läuft das bei uns? Endlose Diskussionen mit den widerspenstigen Typen. Jahrelang!
Ich möchte Ihnen ein kleines Geheimnis verraten, sehr geehrter Herr Vorsitzender.
Europa ist faul und schlapp geworden, suhlt sich in dekadenten Gedanken. Jeder kann tun und lassen was er will, jeder kann seine Meinung verkünden. Und wenn die noch so schwachsinnig ist! Kein Wunder, dass Sie unsere Märkte bald mit Ihren Autos überfluten werden. Ich möchte mal sehen, wie die Kameraden in Wolfskrug bei Wolfwagen dann kucken werden, wenn die ersten chinesischen Fahrzeuge bei uns erscheinen. Ich werde diesem lustlosen Treiben bei uns ein Ende setzen und das Parlament auflösen. Die Leute die dort uninteressiert rumhocken und sich Kinderpornos ansehen oder Crystal schnupfen sind doch eigentlich vollkommen überflüssig. Da haben Sie es doch deutlich einfacher. Es gibt eine Direktive und alle haben sich daran zu halten. Darüber möchte ich mich mit Ihnen aber dann später noch unter vier Augen austauschen.
„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Anwesende,
wir hatten ja früher die Russen bei uns im Land und auch dieser Putkinow war bei uns für den russischen Geheimdienst tätig. Die Amis sind heutzutage ja noch viel schlimmer. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber diese schamlose Schnüffelei insbesondere der NSA empfinde ich als ausgesprochen widerwärtig. Dass China als aufstrebendes Land ab und an mal einen kleinen Hackerangriff auf diverse Einrichtungen und Organisationen im Ausland unternimmt kann man Ihnen doch weiß Gott nicht zum Vorwurf machen. Sie haben auf diesem Gebiet eben noch großen Nachholbedarf und da ist es durchaus legitim, mal ein bisschen zu üben bis man so gut ist wie die anderen. Aber die ersten Versuche waren ja durchaus vielversprechend. Hut ab: wie sich Ihre Leute in das Raketenabwehrsystem der Israelis gehackt haben war schon ein Husarenstück. Lassen Sie sich auf Ihrem Weg nicht beirren, was denken Sie wie die Amis immer wieder versuchen mein Handy anzuzapfen.
Ob die Amis mich nun abhören oder nicht spielt doch gar keine Rolle mehr. Ganz vertrauliche Dinge werden ohnehin nur in einem wirklich abhörsicheren unterirdischen Raum besprochen. Ich mache mir neuerdings sogar einen Spaß daraus falsche Fährten zu legen. Kürzlich habe ich erst einem meiner Minister am Telefon gesagt, dass ich gedenke eines unserer geheimen U-Boote mit Brennstoffzellenantrieb bis in den Hudson River auszusenden, um dort die amerikanische Seeüberwachung zu testen. Was ist passiert? Die US-Marine ging dort sofort in höchste Alarmbereitschaft. Ist sie auch bis heute noch und sucht weiter nach dem nie ausgelaufenen U-Boot. Lustig war auch, als ich jemandem am Telefon sagte, dass ich ja als ehemaliger Verteidigungsminister eine Menge über unsere streng vertraulichen Rüstungsprojekte weiß und einen Panzer auf einem Luftkissen für die Waffe der Zukunft halte. Was haben unsere Satelliten dann wenig später auf einem amerikanischen Testgelände gefilmt? Einen Panzer auf einem Luftkissen. Das Ding hat genau 2 Minuten gehalten, dann ist es geplatzt. Wie würden Sie reagieren, sehr geehrter Herr Vorsitzender, wenn Sie hören könnten, dass ich an so etwas wie einen Bergmann-Putkinow-Pakt denke, weil ich den Orama für eine absolute Lusche halte, weil der doch nur nach der Pfeife der CIA und der NSA tanzt. Dann habe ich noch eingestreut, dass ich nur so tue, als ob ich mit der Politik vom Putkinow nicht einverstanden wäre, ihn aber in Wirklichkeit für einen tollen Hecht halte, weil der sich von niemandem reinreden lässt.
Als ich dann noch gesagt hatte, dass ich mit ihm mal an der Elbe Angeln gehen will und dabei ein paar geheime Sachen mit ihm besprechen möchte haben bei den Amis die Alarmglocken geklingelt. Seitdem sind deren Leute bei uns in Deutschland ständig dabei den gesamten Elbverlauf zu überwachen. Den gesamten Elbverlauf! Von Děčín bis Hamburg! Hab‘ ich natürlich mit Absicht gemacht. So kriegen die vom Hochwasser gebeutelten Hotels nun auch wieder mehr Gäste, weil die Schnüffler sich ja abwechseln müssen da sie im Schichtbetrieb arbeiten. Na ja, ich will es mal dabei belassen. Jedenfalls habe ich ein paar Projekte mit im Gepäck, die Sie interessieren dürften. Aber darüber reden wir später noch.
„Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Anwesende,
ich habe gehört, dass bei Ihnen gern mal einer getrunken wird, und das finde ich gut. Fangen wir am besten jetzt gleich damit an. Lassen Sie uns das Glas erheben auf die deutsch-chinesische Freundschaft! Ich werde mich für die Etablierung der Achse Berlin Peking stark machen. Jawohl! Sie bringen die nötige Entschlusskraft und ein beachtliches Durchsetzungsvermögen mit, Deutschland hat einige interessante Technologien und Projekte zu bieten. Ich möchte mit Ihnen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit trinken! Sehr zum Wohl!“
Frieder Bergmann schielte aus den Augenwinkeln wie die Chinesen tranken. Diese kippten den Schnaps mit einer Bewegung hinter und Bergmann tat dergleichen. Dann erhob sich der Vorsitzende.
„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Anwesende,
ich möchte Ihren Verstoß, Herr Bundeskanzler, zum Ausbau der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern ausdrücklich unterstützen. Noch in diesem Jahr werden wir die USA als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. Lassen Sie uns zunächst darauf trinken!“
Der nächste Mao Tai wurde gekippt. Frieder Bergmann verspürte ob seines Trainings überhaupt keine Wirkung. Der Vorsitzende gab einen Wink und die Gläser wurden nachgefüllt. Dann gab der Vorsitzende Deng Peng Kläng den herumstehenden Servicekräften ein Zeichen jetzt die Speisen aufzutragen. Bis alles auf den Tischen stand wurde ein weiterer Mao Tai gereicht. Frieder Bergmann sah der Essensauswahl mit Spannung entgegen. Er saß direkt neben dem Vorsitzenden. Die Suppe empfand er als sehr schmackhaft. Wie ihn Herbert Büchsenschuss vorgewarnt hatte erzeugten die Teilnehmer an dem Essen erhebliche Schlürf Geräusche. Der Vorsitzende schaute Bergmann freundlich an und dieser nickte zurück, dann machte er sich selbst laut schlürfend wieder über die Suppe her. Der zweite Gang wurde mit einem Mao Tai eröffnet, dann trugen die Servicekräfte Teller mit eigenartig verschrumpelt aussehenden Fleischstücken auf.
„Rattenfleisch“ erklärte der Dolmetscher „sehr große Delikatesse hier.“
Frieder Bergmann musste schlucken und ließ sich einen Mao Tai nachschenken. Dann machte er sich über die Fleischstücke her. Der Geschmack war nicht schlecht, aber die Vorstellung, was er gerade aß, trieb Bergmann die ersten Schweißtropfen auf die Stirn. Dennoch hielt er tapfer durch und prostete dem Vorsitzenden danach zu. Nach seiner Schätzung hatte er jetzt 6 Gläser Mao Tai getrunken, da es nur kleine Schnäpse gewesen waren machte er sich überhaupt keine Gedanken über sein Durchhaltevermögen, er hatte gerade einmal so um die 120 Milliliter intus und in den letzten Trainingstagen zu Hause war er auf 700 Milliliter gekommen.
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