Nicht lange danach war ein Ablassfest in der Nachbarschaft; sie ging aber nicht hin, wie sonst, sondern zu Boos zum Beichten, fünf Stunden weiter. Er fragte sie, warum sie nicht zu dem Ablass ginge? Sie antwortete: Jesus Christus ist mein Ablass, weil er für mich gestorben ist. Einzig und allein ist also das Blut Christi mein Ablass für meine Sünden. Boos: Wer lehrt dich das? Sie: Kein Mensch, es kommt mir selbst so vor; Jesus nimmt mir meine Sünden und alle diese Sachen weg, weil ich zu viel daran gehangen und mein Heil und meine Seligkeit darin gesucht, aber nie Friede und Ruhe gefunden habe. Ich bin nun gewiss, Alles hilft nichts, wenn Jesus nicht die Sünde wegnimmt und nicht im Herzen wohnt. Ich habe mich mit solchen Dingen schier zu Tode gemüht und nichts gefunden, als immer größere Angst und Plage. Aber jetzt habe ich Jesum und Frieden, und kein Verlangen mehr nach jenen Dingen. Nun gab ihr Boos das Neue Test. und ließ sie in Frieden gehen. Sie kam aber öfter wieder, und allemal ging sie freudetrunken ihren Weg, brachte andere unruhige Seelen mit sich, und diesen gings wie ihr, zuletzt selbst den Kaplan ihres Orts.
Wenn nun solche erweckte und erleuchtete Seelen auf einmal anfingen, ihr Licht auch im Wandel leuchten zu lassen, so fiel ihre Gottseligkeit, ihr Glaube in Liebe tätig, ihre Geduld und Sanftmut, die sie gegen Jedermann bewiesen, so in die Augen, dass sie unnachahmlich schienen und die Leute, die das Geheimnis der Gottseligkeit nicht kannten, dachten: diese Menschen haben was Besonderes, und da es ihnen je mehr und mehr unbegreiflich und unmöglich schien, fingen sie an zu lästern: Sie hätten es mit dem leidigen Teufel zu tun. Selbst ein Vater, der sonst seine Tochter sehr liebte, konnte sie nun, da sie gottselig war, nicht mehr leiden, sondern wenn sie ihm so demütig, liebevoll und gehorsam begegnete, sagte er: du stellst dich nur so fromm, dass man deine Teufeleien nicht merke, du bist falsch. Ja, Brüder oder Schwestern waren oft die Ersten, die von ihrem gläubigen und bessern Geschwister sagten: sie hielten es mit dem T. Die Gelästerten wurden aber dadurch nur desto mehr zu Jesu getrieben. Ihr unablässiges Gebet war nur: Jesus! sei du geduldig in mir, übe du dieses Werk in mir, weil ich schwach bin und ohne dich nichts kann. Und er tat es, sie konnten Alles in ihm, der sie stärkte. Ihr frommer Wandel war ihren Eltern und Verwandten oft so anstößig, dass sie für alle Liebe Schläge, Ohrfeigen usw. bekamen, was ihnen aber süß schien, und für kein Leiden erachtet wurde. Allein je größer die Geduld des Christen, desto größer der Zorn und Hass der Welt. Mancher Vater konnte sein Kind nun nicht mehr ansehen und dulden, sondern jagte es im verblendeten Zorne aus dem Hause, wie es der oben erwähnten geschah, die darüber Anfangs weinte, aber sich bald wieder fasste und sich erinnerte, dass sie erst vor einigen Tagen im Evangelio gelesen habe: „Sie werden euch aus den Synagogen stoßen und euch von einer Stadt zur andern verfolgen.“ Dabei war ihr ins Herz gedrückt: dir wird es auch noch so gehen, und zwar diese Woche noch. Darum freute sie sich jetzt, dass es an ihr erfüllt wurde. Boos, der dies hörte, sagte und schrieb: „das Meer wirft die Toten aus, so die Welt, was ihr tot ist und es nicht mit ihr hält.“ Bald lief ihr auch der Vater nach, suchte sie und fand sie wieder in ein entlegenen Stadt, fiel ihr zu Füßen, bat um Vergebung und bekannte: der T. habe ihn, nicht sie betrogen. Er wollte sie mit Gewalt wieder zu Hause haben. Aber teils Krankheit, teils wütende Verfolgung machten es unmöglich.
2. Eine Andere, die auch ehemals viel gewallfahrtet hatte und auch in ein Kloster gehen wollte, aber nicht aufgenommen ward, kam zu Boos und klagte es ihm. Dieser sagte ihr, sie solle in das innere Kloster gehen. Das verstand sie aber nicht sogleich, bis sie nachher gründlich erweckt und erleuchtet ward.
Sie war gewohnt, wenn sie von Jemand beleidigt oder geschlagen wurde, welches damals um des Glaubens und der wahren Gottseligkeit willen sehr oft und leicht geschah, nicht nur dem Beleidiger zu verzeihen, sondern sich selbst als die Fehlende zu demütigen, und um Verzeihung zu bitten, weil sie Gelegenheit (wenn gleich keine gerechte Ursache) zum Zorn gegeben hatte. Einmal hatte sie ihr wütender Schwager, bei dem sie im Hause wohnte, so misshandelt, dass er sie nicht nur erbärmlich schlug, sondern auch noch bei den Haaren ergriff und in der Stube herumschleppte. Die fromme Dulderin verlor die Fassung nicht, an ihren Heiland denkend, denn sobald er sie nun losließ, richtete sie sich schnell auf ihre Knie und bat ihn herzlich um Verzeihung, als wenn sie ihn beleidigt hatte. Diese Liebe und demütige Geduld konnte und durfte der rasende Mann nicht ertragen, er vermochte nicht länger wider den Stachel auszuschlagen. Diese Abbitte war wie feurige Kohlen auf sein Haupt gesammelt, die ihn brannten, sein Tigerherz schmolzen und ihn in ein Lamm verwandelten. Er hat nachher selbst bekannt, dass diese Abbitte den Grund zu seiner Bekehrung gelegt habe. Denn auch er ging nachher zu Boos, um sich solche Geduld und Liebe zu holen. Er bekannte und leugnete nicht, was er getan und wie sich diese Menschen gegen ihn betragen hatten. Er sagte: Was diese Leute besitzen, muss ich auch haben. Er fand es auch, aber auch dieselbe Verfolgung und denselben Hass der Welt, womit er vorher seine Schwägerin misshandelte und geschlagen hatte.
3. Ein Geistlicher, der weder kalt, noch warm war, kam in das Haus einer Gläubigen oder Erweckten, die er als Kranke Amtshalber besuchen musste. Er benahm sich so, dass die Krankenwärterin, die auch eine fromme Seele war, nach seinen öfteren Besuchen sagte: Was ist das für ein Geistlicher? der sagt ja gar nichts Geistliches? - In seinen Predigten, erwiderte die Kranke, ist er ebenso; es fehlt nicht viel, er empfiehlt das Tanzen auf der Kanzel. Als er wieder kam, sprach die fromme Wärterin zu ihm: Sie reden ja gar nichts von Christus! - Er erwiderte lachend: O das will ich erst sehen, was dieser für ein Mann gewesen ist, wenn ich sterbe. Die Wärterin erschrak, bedauerte ihn innig, und sprach bei sich selbst: Lieber Jesus! Sieh, wie blind er ist, gib ihm doch Etwas von dem, was du mir in mein Herz gegeben hast, weil du darin wohnst. Sie konnte sich nicht enthalten, ihm einige Sprüche aus dem Neuen Testament zusagen - aber er machte nichts daraus. Sie sagte zu ihm: Ich will es Ihnen schriftlich geben und zeigen im Neue Testament Er: Ja es ist recht. Sie hat aber von mir nichts zu hoffen und nichts zu fürchten. Er ging. Sie aber nahm das Neue Testament, suchte und fand schöne Stellen, die sie herausschrieb und als er wiederkam, ihm mit Freundlichkeit übergab. Er nahm sie, versprach, sie zu lesen, aber immer mit der Miene, dass mit ihm nichts zu gewinnen sei. Sie aber betete immer: Lieber Jesus! gib ihm doch Etwas, weil er gar so blind ist.
Des Nachts las er die Texte aus Neugierde, schlug sie nach, verglich sie - und weinte auf einmal bitterlich. Es gingen ihm die Augen auf über seine Blindheit und sein entsetzlich ungeistliches Leben. Es ging ihm, wie dem Augustin: „Die Ungelehrten und Einfältigen stehen auf und reißen das Himmelreich an sich und wir bleiben in unsern Sünden liegen.“ Einer der Texte, der am meisten Eindruck auf ihn machte, war 2.Kor. 13,5. Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben stehet? Prüfet euch selbst; erkennet ihr euch selbst nicht, dass Christus Jesus in euch ist? wenn ihr anders nicht gar von Ihm verworfen seid!
Nun kam er zu der Person, die nun selbst krank war, und erzählte ihr, wie es ihm ergangen, indem er die Texte gar nicht aus Ernst und guter Meinung, sondern aus Neugierde gelesen hätte. Dieses überzeugte ihn, dass es eine höhere Kraft und dass die Bibel Gottes Kraft und Gottes Wort und Wahrheit sei etc. Er setzte noch hinzu, dass er nun Gott und ihr nicht genug danken könne. Er bat auch, ihn mit Boos bekannt zu machen, zu dem sie ihn auch wies. Dieser erschrak nicht wenig, als er ihn den 13. Sept. 1796 zu ihm kommen sah, denn er kannte ihn lange, aber nicht so, wie er jetzt war. Er bekannte sogleich seinen Glauben und dermalige Veränderung. Boos traute kaum seinen Augen, als er ihn reden hörte und sah. Jener bekannte ihm all seine Sünden, und gab solche Beweise seines Glaubens und der Umwandlung seines Herzens, dass dem l. Boos kein Zweifel über die Redlichkeit seines Bekenntnisses übrig blieb. Er war so offenherzig und aufrichtig, dass er gar nicht genug bekennen konnte. Es war keine mechanische Beichte, es war ihm so zu Mute, dass er, wie Augustin, der ganzen Welt hätte bekennen mögen. In dieser Stimmung ging er fort und Boos begleitete ihn. Er fühlte sich wie neugeboren, ganz beseligt. Sie kamen zu einem Stege über ein Wasser, wo eine Bildsäule von Johannes dem Täufer stand. „Sieh!“ sagte Boos, zu ihm: „du bist nun auch getauft mit jener Taufe, die Jesus versprochen bat, mit der Taufe des heiligen Geistes und mit Feuer.“ [Boos wollte mit dieser Rede weder den Wert, noch die Notwendigkeit der Wassertaufe leugnen, noch ein Wiedertäufer werden, sondern nur die Mittheiligung des heiligen Geistes anzeigen, die, wie die Väter es erklären, auch eine Taufe genannt wird, teils weil sie besonders bei der Taufe geschieht, teils weil dadurch auch außer der Taufe die Seele eben so gereinigt, ja noch mehr geschmückt, geheiligt gestärkt wird. (Siehe lacob Turin. Bibl. sacr. XIV. Band. 8. Registr. Taufe. S.488) Jesus selbst nennt sein und seiner Jünger Leiden auch eine Taufe. Nur unwissende Menschen konnten daraus eine Ketzerei machen, weil sie weder die Schrift, noch die Kraft Gottes kennen.] Und da sich jener schon über dem Stege befand, wendete er sich noch einmal gegen Boos und sprach: „Ich glaube!“ Da sah Boos dessen Angesicht glänzen. Die innere Umwandlung und Wirkung der Gnade zeigte sich auch äußerlich. Sie gingen Beide aus einander und Jeder nach Hause, erstaunt über die Gnade Gottes.
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