Klein wie ein Senfkörnlein hat die Sache angefangen, und ist dann zu einem so großen Baum gewachsen, der seine Zweige überall ausbreitet.
Indes hatte Boos sein ganzes Leben hindurch, bis an sein Ende, darüber Vieles zu leiden. Dieser Glaube war, wie Christus, ein Ziel des Widerspruchs, ein Fels des Ärgernisses und ein Stein des Anstoßes. Luk. 2. Von innen und außen, von Menschen und Teufeln, wurde der Glaubensprediger beständig angefochten bis an seinen Tod und zwar in seinen letzten Jahren und Tagen am stärksten und heftigsten von innen. Aber Gott stärkte ihn, dass er überwand. Er hat Glauben gehalten, und starb froh und selig in diesem so vielfältig angefochtenen Glauben.
„Dies ist das wundervolle Ding,
Fast dünkt’s für Kinder zu gering.
Und dran zerglaubt ein Mann sich dann,
Und stirbt fast, eh’ er’s glauben kann.“
Boos in Unterthingau
Dies war die erste Station, wo er als Kaplan und Prediger des Evangeliums nach vollendeten Studien auftrat. Es ist aber von seiner Wirksamkeit und seinen Erfahrungen an diesem Posten nichts bekannt geworden, als ein Briefchen eines Österreichischen Hauptmanns, der von Unterthingau gebürtig, als Knabe eben zu dieser Zeit, da Boos Kaplan des Orts war, von ihm unterrichtet wurde, und der nach dreißig Jahren ihn in Österreich, und zwar zur Zeit seiner Verfolgung und seines Gefängnisses, daselbst wieder fand, dem Verfolgten und Gefangenen alle möglichen Liebes-Dienste erwies und sich ihm nicht dankbar genug bezeigen konnte.
Dieser gute Hauptmann schrieb d. 26. Juni 1816. an Anna Schlatter Folgendes:
„Wie oft kränkt es mich und die Meinigen, dass mein erster, jetzt so tief gebeugter Lehrer Martin Boos, dessen guter Charakter bloß aus Liebe und in Liebe besteht, so viel leiden muss. Ich erinnere mich aus meinen Knabenjahren, die ich in Unterthingau, als meinem Vaterorte verlebte, wie viele Tränen er daselbst als Kaplan getrocknet, wie er bei Tag und Nacht unermüdet am Krankenbett die Leidenden tröstete, mit welcher Herzlichkeit er lehrte, und mit welchem Eifer er sein Predigtamt verwaltete. Ich denke recht oft daran, wie er meinen seligen Vater zu Unterthingau in Schwaben zur Erde bestattete, wie er mir seinen letzten Zwanziger schenkte und mich zugleich zum Fleiß im Studieren ermunterte.“
So dieser Cornelius.
Dies ist von seinem gesegneten Wirken genug gesagt, um zu sehen, wie schön er sein Predigtamt anfing. Wer durch sein Wirken solche Eindrücke hinterlässt, die nach 30 Jahren noch fortleben und sich in so tätiger Liebe beweisen, kann doch kein schlechter Mensch, kein böser Arbeiter im Weinberge des Herrn sein?
Wer sein letztes Scherflein armen Leidenden hingibt, um damit Tränen zu trocknen, kann doch kein Mietling oder falscher Prophet sein?
So dachte der gute Hauptmann von Boos, da Alles um ihn her den verfolgten Mann verkannte und lästerte. Und da Alles wetteiferte, dem vermeinten Ketzer das Leben zu verbittern, da suchte der edle Offizier, der ihn besser kannte, ihm das Bittere zu versüßen und das Schwere zu erleichtern. Er gab ihm einen Soldaten zum Bedienten ins Gefängnis und tat ihm übrigens, was er nur konnte. Da er ein angesehener Mann war, konnte und wollte man es nicht hindern.
Diese Hilfe und diesen Trost in der späteren Trübsal hat sich der liebe Boos durch seinen früheren Eifer und seine uneigennützige Liebe in Unterthingau bereitet. Auch hier gilt der Ausspruch der Schrift: Ihre Werke folgen ihnen nach. - Den Zwanziger konnte der Hauptmann nicht vergessen. Bei allen Gelegenheiten, wenn Boos gegen seine Dienstfertigkeit protestierte, wiederholte er: Sie haben mir Ihren letzten Zwanziger gegeben.
Boos als Kanoniker in Grönmbach
Boos als Kanoniker in Grönmbach
Nicht lange, höchstens zwei Jahre, stand er als Kaplan in Unterthingau und wurde bald nach Kempten als Stiftskaplan, und von da zum Kanoniker nach Grönmbach befördert. Als der jüngste und letzte Kanoniker musste er predigen und in der Seelsorge wie ein Kaplan arbeiten. Durch seinen Eifer auf der Kanzel und im Beichtstuhle gewann er bald das volle Vertrauen des Volkes. Alle hörten ihn gern, Alle, die den Weg der Seligkeit suchten, liefen zu ihm, um von ihm getröstet und belehrt zu werden, weil man ihm überall ansah und es fühlte, dass er sich und Andere mit Ernst selig zu machen suchte. Dadurch erwachte aber auch der Neid und die Eifersucht der übrigen Kanoniker, besonders des Ersten, des Dekans. Die älteren konnten es nicht ohne Ärger ansehen, dass er, der Jüngere und Letzte unter ihnen, am meisten Liebe, Achtung und Vertrauen gewonnen hatte. Sie gingen so weit, dass sie ihm heimlich, wenn er von seinem Zimmer abwesend war, Pult und Schränke erbrachen, seine Briefe und Papiere durchsuchten und lasen, ihn dann darüber bei Tische neckten und verspotteten, und durchaus so behandelten, dass sie ihm sein Leben sauer machten und verbitterten. Ihr Hass und ihre Feindseligkeit stieg so hoch, dass sie ihn endlich, wie die Brüder Josephs, nicht mehr unter sich dulden und sehen konnten; sie stießen ihn hinaus, d. h. sie entsetzten ihn seines Amtes und schickten ihn fort. „In Grönmbach hat man mirs wild gemacht, und das Alles, um Gott einen Dienst zu tun.“ schrieb er am 20. Okt. 1797.
Der Dekan hätte ihn lieber eingemauert oder aufgehenkt gesehen, wie er sich selbst erklärte; musste ihm aber dennoch nachher alle Jahre (bis er auswanderte) den Gehalt oder die Pension des Kanonikats zusenden, denn diesen konnten und durften sie ihm nicht nehmen.
Seines Amtes entsetzt und vertrieben, stand Boos nun das erstemal auf der Landstraße, ohne zu wissen, wohin?
Tief betrübt in seiner Seele, wandelte er aufwärts, vorwärts. Und da er den Kummer und die Betrübnis seines Herzens nicht mehr weiter tragen konnte und er unweit der Straße eine Heuhütte erblickte, trennte er sich vom Wege, ging in die leere Hütte hinein, warf sich zur Erde und betete, um die unerträgliche Last auf den zuwerfen, der uns zuruft: Alle eure Sorge werfet auf mich, denn ich sorge für euch!
Ja, zu dem Gott alles Trostes und Vater der Barmherzigkeit, der die Verlassenen nicht verlässt, die Verstoßenen nicht verstößt und den Elenden Trost und Hilfe verspricht, die besser und unendlich mehr ist, als das, was Menschen uns entreißen können - zu dem wendete sich der trostlose Wanderer mit größerer Inbrunst, als, je. Und nicht umsonst, denn auf einmal umleuchtete ihn ein Licht, das ihm neu und fremd war, und das er sich nicht erklären konnte. Er betete wieder und siehe, nun wurde es in seiner Seele klar und helle, er sah, wie noch nie, Christum im Geiste als seinen Versöhner und Heiland, konnte lebendiger als je an ihn glauben. Trost, Freude und Friede kehrte in seinem betrübten Herzen ein, die Traurigkeit war verschwunden und er wandelte getrost und freudig auf der Straße weiter fort.
Boos als Kaplan in Seeg
Der Weg führte ihn nach Seeg zu Feneberg, wo er nun von der Würde eines Kanonikers wieder zum Kaplan herabsteigen musste. Doch ihm war es nie um Kirchenwürden und äußeres Ansehen, sondern um die Kirche, um das Glauben und das Leben in Christo zu tun.
Er predigte nun mit mehr Segen und Kraft als zuvor.
Im Jahre 1794, als er einmal in Seeg mit besonderer Salbung und inniger Andacht taufte, aber aus Versehen ein Blättchen im Rituale überschlug, worauf gerade die Abschwörungsformel: Entsagst du dem Teufel und seiner Hoffart? etc. vorkam und er also diese Frage, ohne es zu wollen oder zu wissen, ausließ, verbreite sich durch die Geschwätzigkeit der Hebamme das Lügengerücht: Boos taufe die Kinder in dem Namen des Teufels. Das erschreckte alle Mütter so sehr, dass keine mehr ein Kind von ihm taufen lassen wollte. So sehr man sich Mühe gab, die gräuliche Lüge und Lästerung zu widerlegen, so wurde sie doch zur allgemeinen Sage im ganzen Lande, und war dem Satan ein erwünschtes Mittel, Viele vom Glauben und Hören des Wortes abzuschrecken.
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