Nach diesen und andern Worten gings zu Gericht. Generalvikar getraute sich das Verhör nicht allein vorzunehmen, zog also den alten Kanoniker Reiccif., einen Italiener, bei. - Da sah ich mich also wieder ordentlich im größten Ernst inquiriert, wie in Augsburg - Das Erste, was man vorlas, war mein Brief, den ich den 4. März an Herrn Generalvikar schrieb, als einen Vorläufer zur Inquisition. Da fand man schon allerlei Anstöße, z.B., dass ich einen Zweifel trage, als ob der lebendige Glaube an Christus und sein Evangelium nicht Jedermanns Ding sei? Am Glauben fehle es Niemand, behaupteten sie, nur an Werken - Das Wort lebendig war ihnen etwas Unausstehliches - in der Liebe tätig, sollt ich sagen. Nun ja, soviel kann ich schon remittieren. Dann gings von 9 - 12 Uhr über die propositiones, die man alle nach dem Maßstab des concilii tridentini abmaß, und da hatten denn viele das rechte Maß nach ihrer Ansicht nicht; das Tridentinum wurde vielmal vorgelesen. Ich wollte sie damit vergleichen, sie wollten es aber nicht gelten lassen, ich auch nicht; die heilige Schrift lag auch da, ich zitierte die Schrift für mich, Sie wider mich; so karteten wir dann gewaltiglich bis zwölf Uhr, und man wusste nicht, wer den Sieg hatte. - Endlich standen wir auf von der Session, und ich fing stehends an, meinen Glauben an Jesum Christum mit Tränen zu bekennen, und bat mir aus, dass sie wenigstens mich, der ich ohnehin bald sterben müsse, in meinem Glauben nicht irre machen sollten, und so auch meine sterbenden Pfarrkinder, denn Alle leisteten wir Gott nur einen unvollkommnen Gehorsam, folglich kämen wir Alle als Sünder aufs Sterbebett, und brauchten Christum nicht bloß als einen Fleck, der nur die Lücken unsers Tuns ausflicken müsste, sondern Ihn ganz mit all seinem Verdienste etc. Mit einem andern Glauben, als mit diesem, getraue ich mich selbst, und meine Pfarrkinder nicht zum guten Tode zuzubereiten. - Dies, und noch viel Anderes, sagte ich unter vielen Tränen. - Jetzt nahm mich der Eine bei der rechten, der Andere bei der linken Hand, und sie trösteten mich, wie die Mutter ein weinend Kind tröstet, sagend: Für mich und meine sterbenden Pfarrkinder dürft’ ich diesen meinen Glauben schon brauchen, und mich und sie beruhigen, aber bei gesunden und lebendigen sei dieser Glaube, öffentlich gepredigt, auffallend, Unruhe erweckend etc.; ich möchte also bei Gelegenheit die Sache deutlicher und unanstößiger dem Volke vortragen usw. - Die Achtung, die sie gegen mich schon vorher hatten, sei durch diese Inquisition nicht nur nicht bei ihnen gefallen, sondern größer geworden - aber vor der Mystik soll ich mich ja hüten, ich möchte sonst in Schwärmereien hineinkommen etc.“ - (Ohe! iam satis est. H)
In Summa: Es zeigte sich, dass sie weder den Vater, weder den Sohn, weder uns, noch den Glauben kennen, in dem wir aus Gnaden stehen. Paulus z.B. meinen sie, rede in seinem Briefen die Römer bloß de lege ceremoniali, und nicht de omni lege mosaica divina et morali. - Aus ists, die Decke liegt noch auf ihnen. Sailern hielten sie für den größten Schwärmer und Phantasten in ganz Deutschland; - das sagten sie mir dreimal ins Gesicht hinein; wie weh mir dies getan haben mag, kannst Du Dir einbilden. O lieber Bruder! Wie ich dir schon lange sagte: Wir haben uns an der Aufklärung dieser Männer grob geirrt - o Christus ist eine zu große Gabe für diese Leute, ihr Mund ist zu klein, ihr Herz zu eng, Er kann nicht in sie hinein, wenn Du und Deinesgleichen ihn nicht hineinlassen, so kommt er bei und in mir und Timotheus [Rechberger] schon wieder aufs weite Feld. - Videbis autem postea. -
Nach diesem grausamen Augsburger Scharmützel kam ich mit zerrissenem Herzen und mit verweinten Augen zu Bertgen auf Mittag, der tröstete mich, wie ein Vater sein Kind tröstet, er fragte und ich erzählte weit und breit das, was da eben vorgegangen sei, - er lachte zu Allem, und sagte: Morgen will ich erst dreinhauen, ich wills herstellen, dass Sie mir nicht geglaubt und gefolgt haben, sondern mehr solchen Schulbuben, wie Brunner und Parzer ist, die bloß ihr schmutziges Interesse zu neuen Klagen wider mich und Sie trieb etc. - Wie es nun heute beim Konsistorio vorgegangen ist, weiß ich nicht - inter alia hab ich mir ausgebeten, dass man uns von Parzer erlöse, welches sie heute dem Konsistorio vorzutragen und zu tun versprachen. Mir kamen diese Leute vor, wie die Schlange im Paradiese, welche nach der Verführung den Fluch bekam, dass sie lauter Staub, Schulstaub, essen und auf dem Bauche kriechen soll. - Sie können also, weil sie nichts Anderes haben, nichts als Staub ins Angesicht des Glaubens werfen; den Glauben selbst können sie nicht stärken, nur schwächen und verdunkeln. - Nach ihnen weiß kein Mensch, ob er des Hasses oder der Liebe wert sei; von Freude und Friede im heiligen Geist weiß kein Mensch was, und wer da wähnt, wisse was, ist ein Phantast, ein Einsiedler und Schwärmer - Alles bleibt sub lege in timore et tremore [unter dem Gesetz in Angst und Zittern] sein Lebenlang, dort nämlich, wo sie noch stehen und seufzen. Das ganze Land müsste renoviert werden, sagten sie, die ganze katholische Religion ginge zu Grunde, die lutherische käme empor, und was wäre das für ein Elend und Jammer! Diese schreckliche Furcht brachte Herrn Brunner und mein Gartenmensch, die jetzt bei ihm droben spinnt, in die armen Konsistorialräte hinein. - Bertgen weiß das Alles wohl, und will uns verteidigen, aber er hat Alles wider uns und sich, es ist eine große Aufgabe, Gott helfe uns und ihm - sonst ists aus; das ganze Land ist wieder voll Geschrei wie 1797. Protestanten und Katholiken wissen und schwätzen davon. In meiner Pfarre selbst ists am ruhigsten, denn 1000 noch wollen gen Linz gehen, und uns wider unsere Kläger verteidigen; denn Alle sehen bei Brunners Klagführung den Schmutz, dass er meine Pfarre kriege. - Bertgen wenigstens sieht es so an, und hat ihn durch Hastlinger schon gewaltiglich waschen und grüßen lassen. So stehen die Sachen am 13. März 1811.
Dein Zobo.
In einem andern Schreiben sagt er: „Den 12. März 1811 wurde über den Begriff vom Glauben (Siehe oben den 5. Lehrsatz nach Hebr. 11,1.) in der Inquisition in Linz gewaltig gehadert, weil die Inquisitoren keine beruhigende Gewissheit des Gnadenstandes gelten lassen wollen, nach dem Tridentinum sess. 6, c. 9. Obschon Augustin sagt: Dicat unusquisque: Sanctus sum. Non est ista superbia elati, sed confessio non ingrati. D. h. Jeder sage frei: Ich bin heilig. Das ist nicht Hoffart eines Aufgeblasenen, sondern das Bekenntnis eines (Begnadigten), der nicht undankbar sein will.“
Das Concililium Tridentium sagt aber canon 16, dass Niemand seines Heils und der Beharrlichkeit bis ans Ende gewiss sein könne, wenn er es nicht durch besondre Offenbarung erfahren, und versichert worden wäre.
Es leugnet und verwirft also nicht den Glauben an die Gewissheit des Gnadenstandes, und sogar an die Beharrlichkeit bis ans Ende nicht, wenn dieses „Wenn“ seine Richtigkeit hat. Es verwirft nur fiduciam vanam et ab omni pietate remotam, sess. 6, c. 9. Und wer wird einen solchen eitlen Wahn nicht verwerfen? Boos und seine Freunde behaupteten nur die Gewissheit des Gnadenstandes, die sich auf besondere spezielle Offenbarung gründet, auf das Zeugnis des göttlichen Geistes, der jedem, lebendig Gläubigen in specie das Zeugnis gibt, dass er ein Kind Gottes ist; der die Liebe Gottes in unsre Herzen ausgießt und den Frieden Gottes im Herzen wirket und erhält, der höher ist, als alle Vernunft. Wer außer und ohne dieses göttliche Zeugnis, welches ja eine spezielle Offenbarung und Versicherung ist, dass uns Gott die Sünde nachgelassen, und zum Kinde und Erben angenommen habe, die Gewissheit des Gnadenstandes glaubt, dessen Glaube oder Zuversicht ist freilich eitel - fiducia vana et ab oni pietate remota - ist Vermessenheit.
Allein, wenn man sich auf diese spezielle Offenbarung oder auf dieses innere göttliche Zeugnis (das Gott von seinem Sohne in uns zeuget l. Joh. 5,9ff.) vor Richtern beruft, die dasselbe nicht selbst an ihren Herzen erfahren haben, so glauben sie es nicht, halten es für Schwärmerei, Phantasie, Betrug oder machen gar eine Ketzerei daraus. Darum besteht man damit vor keinem menschlichen Richterstuhl, sondern muss es sich gefallen lassen, von Menschen verdammt zu werden, wie Christus und seine Apostel.
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