Etliche von diesen glaubten, und griffen im Vertrauen nach Christum und seiner Gerechtigkeit, legten Ihn als Fundament in ihre Seele, gingen ruhig und froh nach Hause, und ließen ihre Pfarrherren Gold und Silber auf das gelegte Fundament bauen. - Diese sagten es hier und da Andern, sie hätten Christum da und da, und so und so gefunden, und so steckte Eins das Andere an. Aber Alle glaubten, sie seien vorher unter dem Gesetze gestanden, jetzt unter der Gnade; sie seien vorher Juden gewesen, weil sie das Gesetz aus eigener Kraft erfüllen, und also eine eigene Gerechtigkeit aufrichten wollten; jetzt aber seien sie Christen geworden, weil sie Christo, für sie leidend und sterbend, ihre Gerechtigkeit und Christo, in ihnen und mit ihnen das Gesetz erfüllend, ihre Heiligung verdanken, Ihn um deswillen lieb haben, und in steter Glaubensgemeinschaft mit Ihm leben, leiden, wirken und sterben. Diesen sagte ich dann, sie sollten zu Hause beichten und zu Hause glauben und vertrauen.
11.
Aber dass die Laien diese Dinge so herumtrugen, und predigten? Antwort: a) Ich wehrte lange und verwehrte es Jahre lang, aber zuletzt nimmer, b) Die Kinder der Finsternis predigen auch Geheimnisse des Fleisches und des Teufels, ihre toten Werke durch Wort und Wandel, man duldet sie; warum will man’s denn den Kindern des Lichts gar so verargen, wenn sie ihr Licht auch Andern leuchten lassen? Wie liefen die Apostel, und sagten’s einander: Wir haben den Messias gefunden! Wir haben den Herrn gesehen! Er ist auferstanden und uns erschienen! etc. Wie war’s dem Jeremias so unerträglich, bis er herausbrach! etc. Jesus hat in Seinen Gliedern Mitleiden und Verlangen, auch Andere gerecht, ruhig und selig zu machen. - Vor Schweinen und Hunden hatte das freilich nicht geschehen sollen, aber zuletzt geschah es leider auch, darum ging’s so zu. Da hieß es: Herr! die Feinde sind in dein Erbteil eingefallen. Übrigens, glaube ich, soll ein treuer Lehrer wünschen, dass auch Saul und alles Volk weissagte.
Ich glaubte und lehrte, dass unsere Gerechtigkeit anders und größer sein müsste, als jene bloß äußere Scheingerechtigkeit der Pharisäer; wenn wir anders in diesem Leben in das innere Reich Gottes, und in jenem in das Reich der vollendeten Gerechten kommen wollten. Luk. 17,21.
Ich hielt mich also nach der Ermahnung Pauli sehr daran, und sagte Folgendes oft und nachdrücklich - nämlich:
1. Dass Christus für uns am Kreuze leidend und sterbend unsere vor Gott geltende Gerechtigkeit sei und dass alle eigene Gerechtigkeit, die der Jude und Pharisäer aufrichtet, um der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan sein zu dürfen (Röm. 10,2f.), vor Gott ein beflecktes Tuch, und nicht hinreichend sei, ein unruhiges Herz zu beruhigen, viel weniger gerecht und selig zu machen. Damit verwirft man aber die guten Werke nicht; denn wir halten den werklosen Glauben mit Jakob für ein abscheuliches Toten-Gerippe, so dass, wie man ohne Glauben (der Christum ergreift und fasst) Gott nicht gefallen kann, man auch ohne Werke, die Folgen des rechten Kraft-Glaubens sind, Gott auch nicht gefallen kann. Denn ich glaubte und lehrte:
2. Christus in uns, den Willen und die Gebote des Vaters durch Leiden, Meiden und Wirken erfüllend, sei unsere Heiligung und völlige Rechtfertigung. Denn der recht lebendige Glaube ist ein Baum voll Früchte, ein Meer, das sich in viele tausend Bächlein guter Werke ergießt, ein Fürst mit einem großen Komitat oder Kordeschierung. Christus in unserer Menschheit wohnend, schaltend und waltend, ist so tätig und geschäftig, als in jener, die Er aus Maria annahm. Ob uns also schon die guten Werke nicht gerecht und selig machen, so glaubten und lehrten wir doch immer, dass wir ohne gute Werke auch nicht gerecht und selig werden könnten, weil ja die von uns gemeinte Gerechtigkeit Christi unser Wesen so ganz durchdringt und durchschlingt, wie das Wasser den Schwamm.
Wir glaubten und lehrten:
3. Dass man zu dieser Gerechtigkeit und Heiligkeit, oder zu diesem „Christus für uns und in uns,“ nur durch die enge Pforte der Buße und des Glaubens kommen könne. Es gehe, sagten wir, von Johannes zu Jesus, von der Bußschule zur Kreuzschule, von der Wassertaufe zur Feuer- und Geistestaufe, als auf dem alten, bekannten Wege. -
Um das uns und Andern fasslich zu machen, teilten wir die Leute in gewisse Klassen ein, - sagten z. B, es wären:
1. Mitten unter den Katholiken Heiden, wie zu Christi Zeiten, indem ja gar Viele in offenbaren Werken des Fleisches, in Hoffart, in Geiz, in Hurerei und Ehebruch lebten, und der sei ja doch einmal noch kein Christ, der nur getauft sei und den Namen trage, so wie auch der nach Paulus kein Jude war, der nur beschnitten und es nur im Äußern war; es gilt ja vor Gott nur die neue Kreatur und die Haltung der Gebote Gottes.
Von diesen Maul- und Namen-Christen und Tat-Heiden sagten wir nun, wenn sie zu Christo kommen wollten, so müssten sie erst in die Bußschule des Johannes gehen, und sich da durch die Wasser- und Tränentaufe der Buße auf Christum hin waschen und reinigen lassen; anders werde Keiner das innere Reich Christi in diesem, noch weniger das Reich der Himmel in jenem Leben ererben. Wir sagten:
2. Es wären mitten im katholischen Christentume
Juden und Pharisäer und Schriftgelehrte, wie ehemals. Denn offenbar sind Viele, die der Gerechtigkeit Jesu Christi für uns nicht wollen untertänig sein, und ihr Alles zu verdanken haben, sondern sie suchen, wie die Juden, eine eigene aufzurichten; sie sind stolz darauf, sie sprechen groß von ihren vielen und guten Werken, und fordern gleichsam den Himmel als Lohn und Schuldigkeit von Gott. Von diesen sagt der heilige Augustin: Non quidem no mine, sed errore iudaizant, eo quod iustitiae Dei nolunt esse subiecti. Sie jüdeln, sie haben zwar nicht den Namen, aber doch den Irrtum der Juden, weil sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterwerfen etc.
Offenbar sind Viele, die, wenn sie gesündigt haben, sich wie Adam und Eva einen Rock aus Feigenblättern machen, und wollen mit diesem Bettlerrock die Blöße ihrer Sündigkeiten decken, das klagende Gewissen stillen, und die Anforderung der göttlichen Gerechtigkeit befriedigen durch allerlei selbsterwählte Kirchen- und Hausgerechtigkeiten, wollen sich von ihren Sünden losbeten, losfasten, loskaufen durch Almosen geben, losbeichten, loswallfahrten, losgeißeln. usw. und damit an der Gerechtigkeit Christi vorbeigehen und entübrigen.
Das bischöfliche Urteil über Boos.
Das bischöfliche Urteil über Boos.
Es kam also bei aller Mühe, die man sich durch eine acht monatliche Untersuchung gab, nichts heraus. Denn was man suchte, Ketzereien und Verbrechen, fand man nicht; und was man fand, höhere Einflüsse des Himmels, Früchte des lebendigen Glaubens und Geistes, das glaubte man nicht, sondern schriebs, wie die Pharisäer und Schriftgelehrten bei Christo, der Hölle und dem Teufel zu.
Boos bewies Alles, was er lehrte und glaubte, aus der heiligen Schrift, aus den Schriften der Väter, aus den Erfahrungen der Heiligen, selbst aus Agenden, Liturgien der Kirche. Und was er damit nicht beweisen konnte, oder ihm gründlich widerlegt ward, ließ er gern fahren und bestand nicht darauf.
Durch ein Dekret vom 14. Aug. 1797 wurde auch Feneberg und seine Kapläne zur Inquisition vorgeladen, weil sie ihn, da er aus dem Kemptischen vertrieben war, aufgenommen und seine Gesinnungen mit ihm geteilt hatten.
Diese wurden nun auch in Augsburg den 30. Aug. streng untersucht, und dann auf acht Tage in Klöster gesteckt, Jeder in ein besonderes, um zur verdienten Buße und Strafe geistliche Übungen zu halten. (Siehe Fenebergs Leben, Seite 139 - 144.)
Einige Zeloten, besonders Pfarrer und Dekane auf dem Lande, ergrimmten sehr über die Beklagten, und schrieben dem Generalvikar, er möchte einmal ein Exempel statuieren und einen solchen Ketzer verbrennen. Nigg erzählte das selbst, und setzte hinzu: Ich dachte: „Du bist ein Narr!“
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