58. Dass alle diese Sätze den Weisen und Klugen dieser Welt, unbegreiflich vorkommen und sein werden, wie der Friede Gottes über alle Vernunft ist. Phil. 4,7. 2.Kor. 3,4.6.
Nebst obigen Grundsätzen und Lehren fanden sich auch von seiner eigenen Hand unter seinen Papieren von dieser Inquisitionszeit folgende Rechtfertigungen, die wohl im gedrängten Zusammenhange enthalten mögen, was er in den verschiedenen Constituten auf alle Anklagen und Beschuldigungen geantwortet hat.
Seine Rechtfertigungen über verschiedene Anklagen und Beschuldigungen.
Seine Rechtfertigungen über verschiedene Anklagen und Beschuldigungen.
1.
Ein Teil verschmähet, oder achtet den Verdienst Christi für uns zu gering, und sucht sich durch selbstgemachte Werke gerecht und selig zu machen. In diesen wollten wir den lebendigen Glauben an den Verdienst Christi für uns wecken, weil sie mit und bei ihrem Rennen doch immer unruhig sind, und zu kurz kommen. Ein anderer Teil verlässt sich zu viel auf den Verdienst Christi für uns, fürchtet die Werkheiligkeit und über keinen Glaubens-Gehorsam; - in diesen suchten wir den lebendigen Glauben an Christi Gegenwart in uns zu wecken, sagend: dass sie nur mit Ihm und in Ihm die Gebote Gottes auf das eifrigste erfüllen könnten und sollten, um so ihre Heiligung in der Furcht Gottes zu vollenden. Zwischen diesen zwei Lücken kann nun freilich kein Prediger ohne Kreuz und Anstoß durch kommen. Aber aus Kreuz-Scheu darf er die Wahrheit doch nicht Verschweigen. - Ein Glaube, welcher meint oder sagt: Durch die guten Werke wird Christi Verdienst geschmälert, ist vom Teufel. Und ein Glaube, der Christi Verdienst und Gerechtigkeit vorbeigehet, und eine eigene aufrichtet, ist von den Juden.
2.
Ein großer Teil der Menschen ist Tier geworden; sie fassen nicht, was des Geistes ist, halten wie die Tiere nur aufs Sichtbare und Sinnliche; Alles, was tiefer geht, verwerfen und verketzern sie. Der stolze, hartnäckige Judensinn schilt und verachtet nur, was er nicht versteht. In dieser Zeit sah ich, dass Christus, das Licht der Welt, zum Gerichte gekommen sei: die Sehenden wurden blind, und die Blinden sehend; denn die sich sehend dachten, deren Blindheit blieb; die aber ihren Unverstand und ihre Blindheit gestanden, denen gab Er Licht und Weisheit. - Die Meisten meinen, sie sehen und glauben, und wenn ihnen ihr Unglaube in bester Meinung vorgestellt wird, so werden sie zornig, meinen, man schimpfe sie und greifen nach den Steinen, und der es ihnen sagen muss, wird dann übel zugerichtet.
3.
Maul- und Namen-Christen haben wir genug im Allgäu, aber die Kraft- und Tat-Christen wollte ich beinah auf einem Floße herunter führen, und das wäre noch eine elende Fuhr, meist Krumme, Lahme, Arme, Kranke, die in leiblichen und geistlichen Nöten waren, und noch sind, aber sie sahen doch den Tag des Herrn und freuten sich. Die Namen-Christen wissen nichts von diesem Tage, und lästern sie.
4.
Man ärgert sich, dass wir uns nicht allemal so streng an die Form halten, z.B. bei der Absolution und Beichte. Aber 1) wollte ich mich mehr mit dem Fundament legen abgeben, als mit dem Beichthören. Denn gebeichtet hatten sie mir und Andern, weiß Gott, wie oft. 2) Es waren meistens Skrupulanten, denen es am Vertrauen, nicht am Beichten fehlte. Die Apostel haben denen, die noch nicht glaubten an Jesum, zuerst gepredigt, dann erst getauft, Beichte gehört und absolviert. So wollte ichs auch machen; weil die Meisten noch keinen, oder doch nur einen toten Glauben hatten, so musste die Predigt des Evangeliums vorausgehen. Gold und Silber wollte ich hernach auf das Fundament legen. Da hieß es dann: Dein Glaube hat dir geholfen. Ein zerknirschtes, gedemütigtes, mürbes, gläubiges Herz, das unter Tränen und großer Arbeit seine Rettung in Christi Blut und Tod sucht, verachtet Gott nicht. Und Alle, die sich ärgern, wenn sie dabei gewesen wären, hätten’s den darum Bittenden auch nicht versagen können. O! wie viel tausend Absolutionen werden im Beichtstuhl erteilt, wo keine Reue, keine Demut, kein Glaube und Vertrauen hinten und vorne ist! Ach! wie viel heuchlerische Beichten und Kommunionen werden in forma verrichtet, und schläfern die Sünder immer mehr ein!
5.
Was Gott mit und unter diesen Leuten im Allgäu angefangen hat, daran will ich keine Schuld haben, und man bemüht sich vergeblich, das wieder auszurotten, was Gott getan hat; wäre es pur menschlich, so würde es von selbst zerfallen.
6.
Wenn wir sagten, Johannes müsse mit seiner Buße abnehmen, so meint man nicht, als dürfe man unter Christo nichts mehr tun und wirken; sein Geist gibt nur noch mehr zu schaffen. Aber eben um dem Zuge und Triebe seines Geistes zu folgen, muss das eigensinnige, eigenwillige und selbsterwählte Wirken abnehmen, um den Werken und der Wirksamkeit Christi Platz zu machen.
Wer aber das nicht in Angst und Not erfahren hat, versteht es nicht. Die in Christo Jesu sind, sagt Paulus, haben zwar ihr Fleisch schon gekreuziget unter Johannes, aber sie nehmens auch unter Ihm täglich in die Zucht, und es darf sich nicht mucken gegen den Geist. Dann sagt Gott erst, was Er zu Abraham sagte: „Nun weiß ich, dass du mich lieb hast, weil du deines sündlichen Lebens nicht schontest.“
7.
Wir hielten Keinen für gerechtfertiget durch den Glauben, außer den, der der Sünde durch die Buße gestorben war; und wenn sich das nicht zeigte, hießen wir seinen Glauben eitel und Heuchelei. - Da geschah es dann freilich auch, dass hier und da sich Einer anstellte, wie Simon der Zauberer, als hätte er Buße und Glaube, und wollte unter dieser Larve mit schmarotzen; aber bald zeigte sich sein Teufelssinn. Wer verargt es aber den Aposteln, dass sie den Simon getauft haben? Und so auch Andere unter ihren Jüngern, die nie, wie Johannes sagt, von ihnen waren! - Einigen mag’s wohl bis zur Versuchungszeit Ernst gewesen sein, hernach aber fielen sie ab.
8.
Wenn wir sagten, dass das Gesetz eine Zuchtrute Moses sei, so wollten wir nichts weniger, als dasselbe verachten, oder übertreiben, sondern sagen, dass das Gesetz nur zeige, was man tun solle und müsse, aber keine Kraft zum Tun gebe, sondern die müsse aus Christo geholt werden. Wir sagten, was Paulus auch sagt: dass man unter dem bloßen Gesetze zu keiner Ruhe kommen, und heilig leben könne, indem wir keinen Geist hätten, und also die Sünde im Fleisch uns als leibeigne Knechte beherrsche, wie ein tyrannischer Mann sein Weib; sondern man bringe es bei aller Anstrengung am Ende doch nicht weiter, als bis zur Entdeckung, dass man ein recht verdorbener, an die Sünde verkaufter Mensch sei, und also eines Erlösers bedürfe.
9.
Auf die Frage:
Was habt Ihr denn mit den Weibsbildern? Antwortete er: 1. Wir haben nichts mit ihnen, als dass wir die Weibsbilder wie die Mannsbilder zu Christus führen. 2. Es ist uns leid, dass mehrere von dem weiblichen (d. h. andächtigen) Geschlechte, als von dem männlichen, sich zu Christus bekehren - also den Männern im Reiche Christi vorlaufen.
10.
Die Leute betreffend, so aus fremden Pfarreien zu mir kamen, war das die Schuld: Gar viele Pfarrherren stehen noch unter dem Gesetze; diese treiben dann die Leute gewaltig zu dessen Erfüllung an, und bedrohen die Übertreter mit dem Fluch und mit der Verdammnis, was Alles recht und wahr ist; - aber das haben sie, sie zeigen den Leuten die Kraft, Christum, nicht genugsam, mit der sie die Forderungen des Gesetzes doch nur allein erfüllen und befriedigen können. Da kommen nun die Bessern, die das Wollen haben, aber das Vollbringen nirgends auftreiben können, in eine jämmerliche Enge und Klemme; sie laufen in dieser Angst und Not alle Welt und alle Geistlichen ab und aus, und suchen ängstlich das Vollbringen, d. h. Christum. Und solche kamen denn auch gar mürb und sündig in ihren Augen zu mir nach B. S. W. etc. - Mit solchen hatte ich dann nichts Weiteres und Besseres zu tun, als dass ich sie, wie Johannes, auf das Lamm Gottes wies, sagend, das nähme ihre Sünden weg und gäbe ihnen Kraft, die Forderungen des Gesetzes und ihres Herrn Pfarrers zu erfüllen; sie sollten’s nur lebendig glauben, und immer um Christi Geist, Gnade und Gerechtigkeit weinen und hungern, bis Er komme, und Er komme gewiss bald, die vor- und zubereitende Buße und Reinigungs-Gnade sei schon über ihnen etc.
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