1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 -„Und jetzt hat er Àlex umgebracht.“ Lavinia begann zu schluchzen. „Wie kann er das tun? Wie kann er einen Menschen töten? Er hat ihm einfach in den Kopf geschossen und ich lag direkt daneben.“ Mareen umarmte sie tröstend. „Was für ein Mensch tut so etwas und warum?“ Sie weinte bittere Tränen und einen Moment blieben sie einfach so stehen, sich gegenseitig umarmend, ohne die Blicke der Passanten zu beachten, die in Richtung Museumseingang oder in den Tulpengarten spazierten. „So war er doch nicht, Mareen. Er war schon immer irgendwie bescheuert, aber so war doch nicht.“
-„Nein, da hast du Recht, so war er nicht.“
In Madrid begann der zweite Weihnachtsfeiertag wolkenverhangen. Fox hatte keinen Moment geschlafen, sondern sich das Hirn zermartert, bei der Suche nach einem passenden Plan, wie er in das Hotel Ritz eindringen und den Mann zur Rede stellen konnte, den er laut Auftrag töten sollte. Nun stand er neben dem Museo del Prado, im Anzug und mit Pistole im Schulterhalfter, aber ohne weitere Ausrüstung, und betrachtete die rückseitige Fassade des Ritz. Bei seinem Vorhaben für die nächste Stunde taten sich einige Probleme auf. Das erste bestand darin, überhaupt in das Hotel gelassen zu werden und das Zimmer mit dem hoffentlich anwesenden Mann – oder war es eine Frau? – den er ausschalten sollte, zu finden. Zumindest Letzteres würde ihm nicht allzu große Schwierigkeiten bereiten, denn anstelle eines Namens oder eines Bildes hatte man ihm in der Nachricht nur die Zimmernummer übermittelt. Warum nur? Wie konnten die Verantwortlichen beim European Secret Service wissen, dass sich niemand anderes im Zimmer aufhielt?
Fox schloss sein Jackett und schlenderte um den Gebäudekomplex herum zum Eingang des Hotels. Wie selbstverständlich begrüßte er den Portier mit einem freundlichen „buenos días“ und spazierte durch die Lobby, vorbei am Empfang. Er wusste, dass er damit zwar die lässigste Möglichkeit gewählt, aber zu gleich auch mindestens einen großen Fehler begangen hatte. Sollte etwas schief laufen, so würde man sich an ihn erinnern. Er musste also dafür sorgen, dass sein weiterer Plan aufging.
Als er aus dem Blickfeld des Empfangs verschwunden war, verlangsamte er seinen Schritt und schlich langsam über die mit Teppich bezogenen Stufen. Das Ziel lag im zweiten Stock. Dort angekommen warf er einen Blick auf den Wegweiser mit den Zimmernummern. Es handelte sich um eine Suite auf der anderen Seite des Gebäudekomplexes, der sich um einen Innenhof zog. Während er über den breiten Flur schritt, durchdachte er seine weitere Vorgehensweise. Von Anfang an hatte er voll auf Spontaneität gesetzt. Sollte er einfach klopfen und mit dem Gast reden, sich eventuell als Hotelangestellter ausgeben? Aber irgendeinen Grund musste es ja geben, dass der ESS ihn damit beauftragt hatte, diese Person auszuschalten, also konnte er nicht davon ausgehen, dass alles reibungslos klappen würde. Immerhin hatte er seine Waffe. Seine Grundidee fand er trotzdem nicht schlecht. Bei Zimmer 242 angekommen, vergewisserte sich Fox, dass ihm niemand gefolgt und auch sonst kein Gast oder Angestellter auf dem Flur unterwegs war. Er lud seine Waffe durch, ohne sie zu entsichern und steckte sie in den Hosenbund, um sie schneller greifen zu können. Dann klopfte er zweimal kurz hintereinander an die Tür.
-„Servicio de habitaciones“, fügte er mit seinem besten Spanisch hinzu. Zimmerservice
Einen Moment stand er nur so da, bereit, seine Waffe aus dem Hosenbund zu reißen und zu entsichern. Nichts tat sich. Er klopfte noch einmal, diesmal ohne die Worte. Als sich nach einer Minute immer noch nichts getan hatte, drückte er die Türklinke herunter. Die Tür sprang auf und gab den Blick auf ein unordentliches Zimmer frei, mit einem Bett, auf dem sich Berge von Kleidungsstücken türmten. Offenbar hatte der Zimmerservice hier schon seit längerer Zeit nicht vorbei geschaut. Ansonsten war die Suite eher klein, was Fox überraschte. An beiden Seiten befand sich eine Tür, die erste war nur angelehnt; er öffnete sie und warf einen Blick in den Raum dahinter. Es war das Badezimmer, ähnlich unaufgeräumt wie die Suite selbst. Fox nahm seine Waffe aus dem Hosenbund und bahnte sich durch mehrere Koffer, Bettlaken und Jacken einen Weg zum Fenster. Draußen erblickte er den eindrucksvollen Bau des Museo del Prado unter einem düsteren Himmel. Ein paar Tropfen klatschten an das Fenster und auf der Straße unter ihm spannten die wenigen Passanten ihre Regenschirme auf.
Ein Geräusch ließ ihn herum fahren. Niemand war ins Zimmer gekommen, aber er entdeckte einen weiteren Fehler: Die Zimmertür war nur angelehnt, was nicht zuletzt die echten Hotelangestellten misstrauisch machen konnte. Schnell schlich er zurück und schloss lautlos die Tür, durch die er hereingekommen war.
Warum so unkonzentriert?
Das Geräusch war wieder da. Fox meinte eine Männerstimme erkannt zu haben. Sein Verdacht bestätigte sich, als er an der zweiten Tür lauschte. Auf der anderen Seite musste sich der eigentliche Wohnbereich der Suite befinden. Es war immer die gleiche Stimme, in unregelmäßigen Abständen erklang sie verärgert und gedämpft durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen. Zwei mögliche Vorgehensweisen schossen ihm durch den Kopf und er entschied sich schnell für die aus seiner Sicht weniger riskante.
Fox wiederholte die Prozedur, die er auf dem Hotelflur schon einmal durchgegangen war: Er klopfte zweimal kurz hintereinander und fügte sein „Servicio de habitaciones“ hinzu. Es dauerte einen kurzen Moment, dann hörte er die Stimme des Mannes noch etwas lauter als zuvor. Ein lautes Scheppern folgte, dann wurde die Tür aufgerissen.
-„Seid ihr bescheuerten Spanier nicht in der Lage, mich in Ruhe zu lassen?“, brüllte ein großer, aber leicht dicklicher Mann mit hellem Teint in amerikanischem Englisch, während er bereits vor Schreck die Augen aufriss. „Ich habe doch gesagt…“, seine Lippen bewegten sich noch, dann verstummte er, als er die Pistole an seinem Hals bemerkte.
-„So und jetzt solltest du deine Lautstärke mal etwas drosseln und mir zuhören.“ Fox Stimme durchschnitt die plötzliche Stille, obwohl er ganz leise sprach. „Ich bin zwar nicht der Zimmerservice, aber ich habe nicht vor, dir etwas zu tun.“
-„Wozu dann die Waffe?“, blaffte der Amerikaner.
Fox drückte die Walther noch tiefer in seinen Hals.
-„Sprechen nur wenn ich das erlaube, alles klar?“
Der Amerikaner nickte widerwillig.
Fox lockerte den Druck seiner Waffe ein wenig. Dann schob er den Mann langsam zu einem Sessel in der hinteren Ecke des Raumes.
-„Zuerst einmal will ich wissen, wer du bist.“
-„Willst du mich verarschen, Alter? Wenn du das nicht wüsstest, wärst du hier ja sicherlich nicht mit einer Waffe im Anschlag reingekommen.“
Fox versetzte ihm einen Schlag mit der freien Hand.
-„Tu besser nichts, das mich aus der Fassung bringt, okay?“
Fox schubste sein Gegenüber in den Sessel und entfernt sich selbst einen Schritt, um sich ihm gegenüber zu setzen. In diesem Moment machte er zwei weitere verhängnisvolle Fehler: Der erste bestand in der Tatsache, dass er den Amerikaner aufgrund einer ersten optischen Musterung falsch einschätzte. Was seine körperliche Konstitution anging, und ebenso seine Handlungsschnelligkeit. Der zweite wurde ihm zum Verhängnis, denn in einem weiteren Moment der Unkonzentriertheit ließ er seinen Gegner für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen, um sich nicht neben den Sessel zu setzen. In diesem Moment schnellte das Bein des Amerikaners nach oben und trat Fox die Waffe aus der Hand. Gerade als er seinen Fehler bemerkte, schwang sich der andere aus dem Sessel und setzte einen gekonnten Tritt, um Fox aus dem Gleichgewicht und zu Fall zu bringen. Er stürzte und rappelte sich sofort auf. Fox wollte aufstehen, doch der Mann war plötzlich über ihm und zog ein Messer von irgendwoher. Dem ersten Hieb konnte Fox ausweichen, dem zweiten auch. Der dritte aber drang schräg oberhalb seiner Hüfte ins Fleisch ein. Nicht tief, aber es reichte, um sein Hemd rot zu färben. Fox schnappte nach Luft. Es sah nicht gut aus. Irgendwie musste er wieder die Kontrolle über die Situation gewinnen. Blitzschnell drehte er sich um die eigene Achse, verpasste seinem Gegner einen gekonnten Schlag ins Gesicht und verschaffte sich damit die nötigen Sekunden, um einen Blick durch das Zimmer zu werfen. Seine Waffe lag nicht weit entfernt auf dem Teppichboden. Aus dem Augenwinkel bemerkte Fox, dass der Amerikaner sich wieder berappelte und nun ebenfalls ein Auge auf seine Walther geworfen hatte. Fox machte einen Satz und erreichte die Waffe gerade in dem Moment, als der andere mit einem lauten Schrei aufsprang und mit dem Messer in einer weit ausholenden Bewegung auf ihn zusteuerte. Das Gesicht war von Hass gezeichnet. Fox drehte sich gekonnt zur Seite, zielte und schoss.
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