Patente
wozu? und wofür sie erlangen?
Einführung in das Patentwesen für Erfinder, Start-ups und Studenten
Frank P. Goebel
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2013 Frank P. Goebel
ISBN 978-3-8442-5909-4
Einleitung
Wozu Patente, zu welchem Zweck gibt es sie, was für einen Nutzen hat man davon? Und wofür sie erwerben, was sind ihre Voraussetzungen, wie kann man sie bekommen? Die vorliegende kleine Einführung in das Patentwesen soll diejenigen an die Praxis heranführen, die mit technischen Innovationen befasst sind, aber keine näheren Kenntnisse im Patentrecht haben. Mangelnde Kenntnis von Grundfragen der Patentpraxis sollte jedenfalls nicht der Grund dafür sein, dass die Erfinder, aber auch die - häufig - mittel ständischen Unternehmer, die die neuen technischen Lösungen aufgreifen und in bessere Verfahren und Produkte umsetzen, um ihren Lohn gebracht werden.
Die nationalen Grenzen verlieren auf dem Markt für innovative Angebote ihre frühere Bedeutung. Der Verfasser dieses Handbuchs für den wirtschaftlichen/technischen Praktiker (den Nicht-Patentfachmannn) hat bei vielen Seminarveranstaltungen in Deutschland, den Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation und Russland seine administrativen und richterlichen Erfahrungen im Patentrecht vermittelt. Die Erfahrungen dieser Berufs- und Lehrtätigkeit schlagen sich in dem vorliegenden Leitfaden für den Praxisgebrauch nieder; sie ermöglichen insbesondere auch den Studenten der Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaften einen kompakten Zugang zum Patent- und Gebrauchsmusterrecht.
Ein solches Kompendium, das zugleich in die deutschen/europäischen und die russischen Patentregeln einführt, war bisher nicht greifbar. Es erscheint in Deutschland und Russland in der jeweiligen Landessprache.
Frank P. Goebel
Dr. iur (Berlin)
Professor (visit.), Plekhanov Wirtschaftsakademie (Moskau)
I. Das Patent als Eigentumsrecht - Rechte und Pflichten
(1) Patente sind wie eine Münze. Sie sind etwas wert (Geld und soziale Anerkennung ). Und sie haben zwei Seiten. Die eine Seite ist eine rechtliche, die andere eine informationelle. Genauer gesagt:
(2) Patente haben zwei Funktionen. Erstens begründen sie für ihren Inhaber Rechte; wer dies nicht sieht, verschenkt möglicherweise eine Menge Geld (und Ansehen). Zweitens liefern sie für jeden anderen und damit für die Allgemeinheit wichtige Informationen; das zu ignorieren kann Sie teuer, sehr teuer zu stehen kommen .
Was ist ein Patent - ganz allgemein?
(3) Das Patent ist das klassische gewerbliche Schutzrecht für neue technische Lösungen von besonderem Niveau. Das Patentamt ist die zuständige Behörde. Es wird in Russland (RU) jährlich in über 35000 Anmeldungen beim Russischen Bundesamt für geistiges Eigentum, Patente und Marken (ROSPATENT), in Deutschland (DE) in etwa 60000 Anmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt. Es verleiht einen Sonderschutz, der über nach dem russischen Zivilgesetzbuch (ZivG Teile I-III) bzw. in DE nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erworbene oder erwerbbare Rechte hinausgeht. Seine förmliche und sachliche Berechtigung (siehe Nr. 78) wird im Patenterteilungsverfahren bei ROSPATENT bzw. DPMA geprüft. Gesetzliche Grundlage sind in RU das ZivG Teil IV (= russisches Patentrecht), in DE das Patentgesetz (PatG), siehe Nr. 306.
RU Art. 1384, 1386 ZivG
DE §§ 42, 44 PatG
Das deutsche Patentrecht ist mit dem europäischen Patentrecht (dem Recht des Europäischen Patentübereinkommens EPÜ) harmonisiert. Dieses europäische Recht stimmt also im Prinzip mit dem deutschen überein.
(4) Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer behördlichen Überprüfung, ob das Patent formell und materiell zu Recht besteht. Diese Überprüfung erfolgt, wenn jemand nach der Patenterteilung mit dem neuen Ausschließungsrecht nicht einverstanden ist, sondern sich dagegen wehrt. Für jeden Dritten gibt es nämlich die Befugnis, bei der Patentbehörde (ROSPATENT bzw. DPMA) Einspruch gegen die Patenterteilung zu erheben: in RU richtet sich der Einspruch an die Kammer für Patentstreitigkeiten bei ROSPATENT, in DE an das DPMA mit seinen Patentabteilungen.
RU Art. 1398 (1) (2) ZivG
DE § 59 PatG
(5) Doppelte Prüfung durch eine Verwaltungsbehörde heißt aber auch hohe „Bestandskraft“ (ähnlich wie beim Gerichtsurteil „Rechtskraft“): das Patent genießt ein relativ hohes Ansehen bei den Wettbewerbern für die Frage, ob es auch durchgesetzt werden kann.
(6) Erst mit der Patenterteilung durch das Patentamt wird das Recht begründet (anders als beim Urheberrecht, wo das Recht grundsätzlich bereits mit der Schaffung des Werkes entsteht, also ohne Mitwirkung einer staatlichen Stelle).
(7) Das Patentrecht ist zeitlich begrenzt: es gilt nämlich höchstens 20 Jahre ab dem Anmeldetag
RU Art. 1363 (l)ZivG
DE § 16 PatG
(anders als beim Urheberrecht, wo das Recht im allgemeinen erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlöscht; anders auch als beim Markenrecht, wo die Marke grundsätzlich unbegrenzt verlängert werden kann).
(8) Das Patent ist in seiner Wirkung auch räumlich begrenzt: es gilt nämlich nur in dem Raum, für den es erteilt worden ist. Das heißt, russische Patente gelten nur in Russland, deutsche Patente nur in Deutschland (anders als bei meinem Sacheigentum, das grundsätzlich ohne weiteres in allen Ländern als mein ausschließliches Recht anerkannt wird).
(9) Wer in einem anderen Land Patentschutz erlangen will, hat drei Möglichkeiten:
er erwirbt in dem anderen Land ein nationales Patent
er erwirbt (soweit regionale Patentorganisationen bestehen) ein regionales Patent mit Wirkung für das gewünschte Mitgliedsland der regionalen Patentorganisation, z.B. ein Eurasisches Patent mit Wirkung für Russland oder ein Europäisches Patent mit Wirkung für Deutschland
er erwirbt in dem anderen Land ein nationales Patent, aber unter Nutzung des Patentzusammenarbeitsvertrags PCT, der den Anmeldungsvorgang und weitere Verfahrensschritte zusammenfasst und vereinfacht.
(10) Patentschutz ist der Sonderschutz, der für technische Erfindungen erworben werden kann. Besondere wissenschaftliche Leistungen oder wirtschaftliche Erfolge können mittelbar, z.B. im Zusammenhang mit der Schutzvoraussetzung der „erfinderischen Tätigkeit“, Bedeutung erlangen. Unmittelbar ist aber zunächst ausschlaggebend, ob eine technische Erfindung vorliegt oder nicht.
(11) Technische Erfindung ist eine Lehre zum technischen Handeln. Eine „Lehre“ liegt bei Erzeugnissen (Produkten, Vorrichtungen, Stoffen) in der Anweisung, wie dieses Erzeugnis bereitgestellt werden kann. Bei Verfahren (Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung) ist sie in der Anweisung für die Verfahrensdurchführung zu finden.
(12) Nur Erfindungen neuer technischer Lösungen sind dem Patentschutz zugänglich. Beschränkt sich die Neuerung auf eine erstmals aufgefundene und nachgewiesene naturgesetzliche Gegebenheit oder einen in der Natur aufgefundenen Stoff (Mineral usw.), so kann dafür allein kein Patentschutz erlangt werden. Dies gilt auch für neue Rechenregeln wie etwa neu entwickelte Algorithmen. Wenn eine solche Entdeckung allerdings zur technischen Lösung eines bestehenden Problems genutzt wird, so ist für diese Lösung Patentschutz möglich.
(13) Problemlösungen sind nur dann dem Patentschutz zugänglich, wenn sie technischen Charakter haben. Als technisch wird eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges angesehen. Wird zur Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe nicht von den Kräften der Natur (außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit) Gebrauch gemacht - wie z. B. meistens bei einem Software-Programm -, so liegt kein technischer Gegenstand vor.
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