Titel
DER NEKROMANT UND DAS MÄDCHEN
Frank Hinz
Nach den Erzählungen von Johanna Spyri
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Texte: © Copyright by Frank Hinz
Covergestaltung: © Copyright by Frank Hinz
Verlag:
Frank Hinz
Deichstr. 31
25436 Uetersen
hinz.frank@gmx.de
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Eine Geschichte
für anspruchslose Kinder,
für Solche, welche die Kinder lieb haben,
sowie für Jene, denen Kinder gleichgültig sind.
Natürlich hätte Heidi auch bei ihrem anderen Großvater landen können …
Prolog: Zwei Jungtrolle in der Morgensonne
»Alder?«
»Ja, Digga?«
»Alder, bissu auch schon so stoned als wie ich?«
»Wie stoned bissu denn, Digga?«
»Ziemlich stoned , Alder.«
»Ach ja, Digga?«
»Ja, Alder.«
Kurzes, beiderseitiges Schweigen.
»… Also wenn hier einer stoned is, dann bin ich es, Digga!«
»Du kannst garnich’ so stoned als wie ich sein, Alder!«
»Niemand is’ stonender als wie ich, Digga, das sach’ ich dir, Digga!«
»Alder, ehrlich, ich bin echt -äh- am stonendsten , Alder! Nee, ernsthaft, jetzt!«
»Ey, dassiss unmöglich, Digga, ey!«
»Bissu sicher, Alder?«
»Ja, bin ich. Bis eben konnte ich meine Zehen nich’ spüren tun und nu’ sind meine Knie taub, Digga!«
»Alder, das is’ nichts im Vergleich zu-zu-zu …«
»Digga? DIGGA! DIGGA! DIGGA! D-D-DIG…«
»…«
»…«
»We found love in a hopeless place. We found love in a ho-peless place. We found love in a hopeless place. We found love in a hopeless place … «
Gollum
Es führte nur ein schmaler Weg in den Mitternachtsforst, der von den Bewohnern des nahegelegenen Dorfes Märzbach auch abwertend »Mittwald« genannt wurde. Je schmaler der Weg wurde, desto üppiger wurde der Bewuchs.
Diesen Waldweg beschritten eine junge und hübsche Frau mit einem kleinen Koffer in der Hand, sowie ein kleines, rotbäckiges Mädchen von fünf Jahren, das, obwohl es bereits Mitte Juni war, mehrere Schichten Kleidung übereinander trug. Ständig musste die Frau über die Ranken der Waldpflanzen stolpern, gelegentlich stieß ihr Kopf mit hervorstehenden Ästen zusammen, einmal verfing sich ihr Blumenkleid in einem Wacholderbeerenstrauch. Es war für sie eine Tortur, dem Mädchen zu folgen, aber das Kind hatte anscheinend sehr viel Freude an diesem » Parcours «. Doch es wurde langsamer, was die junge Frau bemerkte.
»Bist du müde, Heidi?«, frug die junge Frau.
»Nein, mir ist heiß!«, erwiderte das Kind.
»Schon bald sind wir da! Dort, wo wir hingehen, wirst du die warme Kleidung brauchen …«, antwortete die junge Frau zur Be(un)ruhigung des Mädchens. Lustlos trottete sie dem übermütigen Kind hinterher, das voller Freude durch den finsteren Wald wanderte.
Es verging fast eine weitere Stunde, ehe sie von weitem die Spitze eines Turmes sahen.
»Puh, ich schaffe das nicht mehr!«, rief das Kind, während es sich der oberen Kleidungsschichten entledigte. Sonntagskleidchen, Unterröckchen sowie Unterunterröckchen warf es von sich, während die junge Frau ihm verärgert hinterherrief: » Adelheid , du Unglücksvogel, was machst du da?«
Das Kind ignorierte sie jedoch und lief in ihrem Unterhemdchen unbeirrt in Richtung des Turmes.
Nachdem die junge Frau die Kleider der Kleinen aufgelesen hatte (es handelte sich hierbei um Ebru, die Tante 1des Waisenkindes mit dem Namen Adelheid, genannt »Heidi«), erreichte auch sie die Lichtung mit dem imposanten, obsidianfarbenen Magierturm.
Sie sammelte das Kind, das übermütig um den Turm herumtollte, ein und betätigte den Klopfer, der an der schweren Eisentür hing. Es dauerte eine Weile, bis beide Schritte hörten, und sich ein kleines Sichtfenster an der Tür öffnete. Trübe Augen blickten sie an, dann hörten sie eine resolute Stimme: »ICH KAUFE NICHTS!«
»Guten Abend, Großvater!«, antwortete Heidi.
»Wer?«, entgegnete die Stimme hinter der Tür.
»Ich wünsche Euch einen von allen 49 Göttern gesegneten Tag, Mächtiger Weeno!«, sagte Ebru. »Hier ist Ebru, die Großtochter Eurer Schwester. Ich bringe Euch hier das Kind von Eurem Sohn Toblos und Adelholde. Ihr habt das Gör’ seit ihrer Geburt nicht mehr erblickt!«
»Und was soll sie bei mir?«
»Es muss von nun an bei Euch bleiben! Man hat mir eine Stelle als Dienerin von Baron Lecsó angeboten! Ich habe mich die letzten fünf Jahre um sie gekümmert und jetzt seid Ihr dran!«, gab Ebru zurück.
»Ach so. Und was soll ich machen, wenn das Kind herumflennt und wieder zurück zu dir möchte?«, frug der Alte.
»Also das wird garantiert nicht geschehen …«, kicherte Ebru.
Sehr langsam öffnete sich die Tür. Es erschien ein älterer Mann mit langem, weißgrauen Bart. Er trug ein schwarzes Gewand, auf dem sich seltsame Zeichen befanden und hielt eine Tabakspfeife in der Hand.
»Großvater!«, rief das Kind, lief auf ihn zu und umarmte kräftig seine untere Körperhälfte.
Verlegen schaute der Magier in alle Richtungen, aber er konnte seine Großnichte Ebru nirgends sehen.
1Obwohl ihre verwandtschaftliche Beziehung etwas komplizierter war, wurde sie von dem Kind immer » Tante Ebru « genannt und nach mehreren Jahren fand sich die junge Frau damit ab …
»All unser Übel kommt daher,dass wir nicht allein sein können.«
Gollum
Weeno, der mächtigste Zauberer von Ostland, sah ratlos hinab. Ein fröhliches Kind umklammerte seine Beine, es war ein zutiefst unbehagliches Gefühl.
Die kindliche Schraubzwinge frug hoffnungsvoll: »Ab jetzt wirst du für mich da sein, nicht wahr, Großvater, nicht wahr?«.
»Ich weiß, wie man Kreaturen aus der Unterwelt beschwört, wie man Veganer in leichenfressende Ghouls verwandelt und ich kann aus Religionslehrerinnen dienstbare Imps machen. Aber von Kindererziehung habe ich nicht den blassesten Schimmer!«, bekannte Weeno der Mächtige.
»Den hatte Tante Ebru auch nicht, als sie mich aufnahm!«, sagte Heidi und im selben Atemzug: »Ich will sehen, was du drinnen hast, im Turm!«
Weeno der Mächtige versuchte zu antworten: »Äh, ich weiß nicht, ob -äh- das, was du sehen wirst für -äh- Kinder geeignet …«, aber noch bevor er sein Gestammel beenden konnte, rannte Heidi bereits freudig die gewundene Steintreppe hinauf und betrat den Evokationsraum. Weeno folgte ihr, nachdem er ihre Kleidung und ihren Koffer aufgenommen hatte. (Ebru deponierte beides kurz vor ihrer Flucht neben der Eingangstür.)
»Die kommen hier in die Truhe«, sagte er und legte Heidis Kleider beiseite.
Heidi befand sich in einem dunklen Raum voller fremdartiger Utensilien, wundersamer Kreaturen in kleinen Käfigen sowie Götzenbilder und Symbolen an den Wänden. Das Mädchen wirkte so deplatziert wie ein Oger in einem Buchclub.
»Was ist in den Flaschen hier?«, frug Heidi und deutete auf ein Regal mit Glasphiolen, in denen sich verschiedenfarbige Flüssigkeiten befanden. Während in dem ganzen Raum das blanke Chaos herrschte, war dieses spezielle Wandregal ordentlich aufgeräumt, die Phiolen sauber beschriftet, alles war abgestaubt und frei von Spinnweben.
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