Heidi war noch nie in ihrem kurzen Leben so erschrocken gewesen. Sie konnte nicht begreifen, was gerade hinter ihrem Rücken geschah. Um sie herum lagen die Fleischfetzen, Fellreste, zersplitterte Knochen und das Gefieder einer ihr unbekannten Kreatur. Voller Panik lief sie davon. Sie wäre jetzt gerne wieder bei ihrem Großvater in Sicherheit gewesen, aber ihr Pflichtbewusstsein war stärker als ihre Angst, sodass sie schnell Richtung Dorf lief, gemeinsam mit ihrem Freund, der die ganze Zeit nur »Hogro! Hogro! Hogro!« stammelte und natürlich dem Beleidigungs-Homunkulus, der in seinem Käfig kräftig durchgeschüttelt wurde und – so wie es seine Bestimmung war – unflätig schimpfte.
(Bei den beiden Felsen, die Heidi so sehr faszinierten, handelte es sich tatsächlich um Trolle. Die beiden Jungtrolle »Gnarf der Zerfetzer« und »Bloto der Bärenschänder« wetteten einst auf dem Heimweg nach einem Rockkonzert, wer von ihnen länger in der Morgensonne verweilen könne – ohne sich gänzlich in massives Gestein zu verwandeln. Sie warteten gemeinsam auf die ersten Sonnenstrahlen und … Nun ja, die Wette endete mit einem Unentschieden.)
3Der jahrelange Transport von magischen Schriftrollen mit Pestflüchen, Unglückszaubern und (Zer-)Störungssprüchen sowie mit Krankheitserregern gefüllte Hexenbeutel, hatte ebenfalls seine Spuren bei ihm hinterlassen.
4Seine Hauptaufgabe bestand allerdings im Sammeln von Wiedkraut, eines sehr beliebten Rauschmittels, dass sowohl Weeno als auch seine Großmutter genüsslich in ihren Pfeifen rauchten.
5Hogros Großmutter
6Seit eines tragischen, magischen Unfalles in seiner früheren Kindheit konnte er nur dieses eine Wort sagen.
»Multiple exclamation marks are a sure sign of a diseased mind. Wall!!!!!«
Donald J. Trump
»Fünf Ausrufezeichen sind ein sichährähr Hinweis auf geissige Umnach-Übernachtung!!!!!«
Til Schweigähr
Widerwillig humpelte der Alte zu dem Schuppen hinter seinem Haus. Seit einigen Wochen schmerzte sein Fuß aus unerfindlichen Gründen. Seine Motivation, an diesem Nachmittag Gartenarbeiten zu erledigen, hielt sich stark in Grenzen. Aber es war allerhöchste Zeit, die Hecke zu schneiden. Zumindest behauptete seine Frau das.
Mühsam öffnete er die Schuppentür und entnahm eine mittelgroße Heckenschere. Nein, er hatte wirklich keine Lust auf diese lästige Arbeit. Der Hauptgrund für seinen Widerwillen lag allerdings nicht in seiner Faulheit begründet, sondern in seinen neuen Nachbarn, für die das Belästigen, Beobachten, Beschimpfen, Bespucken, Bestehlen und Bewerfen anderer Leute die primäre Freizeitbeschäftigung war. »Zufälligerweise« befanden sich diese widerlichen Leute an diesem Nachmittag ebenfalls in ihrem Garten, in unmittelbarer Nähe zu seiner Hecke.
Als er langsam zu den Sträuchern ging, nahm er bereits die kleinen Drecksäcke und deren Drecksköter wahr. Und deren hämisches Lachen, dass sich regelmäßig mit dem Gebell ihrer verhaltensgestörten Töle abwechselte. Generell hatte der Alte nichts gegen Hunde, er besaß viele Jahre lang eigene. Für ihn waren sie bemerkenswerte Tiere, die wie niemand sonst in der Lage waren, das Verhalten ihrer Besitzer zu assimilieren. Anständige und zurechnungsfähige Hundebesitzer hatten anständige und zurechnungsfähige Hunde. Nervtötende und geisteskranke Hundebesitzer hatten … blöde Mistviecher.
Und natürlich mussten Hunde bisweilen bellen, andernfalls wären sie keine Hunde mehr, sondern extrem hässliche und dumme Katzen! Jedoch gab es genau zwei Arten von Gebell: Es gab zum einen kurzes, notwendiges Hundegebell, das der Kommunikation mit der Außenwelt diente, um beispielsweise Hunger, Durst oder Angst zu signalisieren. Und es gab das pausenlose Gekläffe, das signalisieren sollte, dass der Hund entweder starke Schmerzen hatte, psychische Probleme oder von seinen Besitzern zum permanenten Bellen gereizt wurde. Die Laute von dem Tier dieser »Nachbarn« waren der zweiten Kategorie zuzuordnen …
Nun gab es also für den Alten kein Entkommen mehr. Er stand an der Hecke und begann, sie trotz des unerträglichen Lärms auf der anderen Seite zu schneiden. Er erinnerte sich an einen kurzen Streit, den er mit seiner Frau am Morgen hatte. Zum wiederholten Male ging es um das gleiche Thema: Auch sie hatte ihre Probleme mit diesen niveaulosen »Nachbarn« und wie immer waren sie sich über den Umgang mit diesen schrecklichen »Personen« uneinig. ER versuchte, IHR klarzumachen, dass er mit seiner sprachlichen Eloquenz durchaus in der Lage sei, mit diesen »Typen« fertigzuwerden. Schließlich habe er einst als zwölfjähriger Junge mit seinen Worten seinen neunjährigen Bruder zum Weinen gebracht … SIE versuchte, IHM klarzumachen, dass sie die Belästigungen dieser »Leute« nicht hinnehmen müssen, denn für solche Probleme gab es die Dorfmiliz, Anwälte und andere Lösungen …
Seine Gedanken befanden sich nun wieder in der Realität und in seiner Schläfe hämmerte es aufgrund der Pöbeleien in seiner unmittelbaren Umgebung.
»Na, Herr Käfeviel, haft du wieder fuviel Käfe gegeffen? Hehehehe …«
»Du bift scheiffe!«
»Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Yeek-Yeek-Yeek-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff-Wuff …«
»Ihr seid … -äh- … Pfeifen … auch!«, erwiderte der Alte, der das Wort »scheiffe« falsch interpretierte.
* * *
Ein beliebtes Mittel, um sich vor pöbelnden Nachbarn zu schützen, waren Beleidigungs-Homunkuli. Wenn man diese Wesen, die weder schlafen noch essen mussten, und nur (eigene) verbale Entgleisungen als Lebensgrundlage benötigten, in einem Käfig in der Nähe des Gartenzaunes verbrachte, konnte man sich gut gegen aggressive Nachbarn wehren. Warum soll man auch selbst auf das Gekeife anderer Leute reagieren, wenn man diese Tätigkeit auch outsourcen kann?
Zu den Opfern nachbarlicher Bosheit gehörte das ältere Ehepaar Käseviel, dass sich gegen ihre neu hinzugezogenen Nachbarn, ein deutlich jüngeres Giftzwerge 7-Paar, verteidigen musste.
Giftzwerge. Sie gehörten zu den übelsten Launen der Natur. Trotz ihres Namens waren diese reptilienartigen Wesen eher mit den Gnomen als den Zwergen verwandt. Den meisten Menschen reichten sie nur bis zu den Knien, aber ihre mangelnde Körpergröße machten sie durch ihre Lautstärke und ihren schlechten Charakter wett.
Insgeheim beneideten sie ihre »Möchtegern«-Verwandten, die zumeist doppelt so großen Zwerge: Zwerge wurden allerorts geachtet und respektiert, Giftzwerge jedoch nicht! Die Gründe dafür konnten die Giftzwerge nie verstehen und das anfängliche Misstrauen gegenüber anderen Rassen verwandelte sich schnell in Hass!
Um ihren Vorbildern, den Zwergen, so ähnlich wie möglich zu sein, trugen Giftzwerge ähnliche Kettenhemden und Helme wie sie, allerdings sahen sie mit ihren klitzekleinen Kampfäxten eher lächerlich als furchteinflößend aus. Die Ponys der Zwerge trugen edle Rüstungen, ebenso wie die Kampfdackel 8, auf denen die Giftzwerge ritten. Zwerge hatten rosige Wangen, auf denen dichte Bärte wuchsen. Giftzwerge waren haarlos auf ihren schuppigen, grünen Häuten.
So wie alle unbe- und ungeliebten Wesen neigten sie dazu, ein übertriebenes Selbstbewusstsein zu entwickeln und den Wunsch, sich ständig in den Vordergrund drängen zu müssen. Sowie laute und nervige Stimmen. Sie waren besessen davon, sich anderen Rassen gegenüber »beweisen« zu müssen, allerdings begriffen sie nicht, dass man dies auch mit »Freundlichkeit« und »Rücksichtnahme« erreichen kann. Ihre Hütten und Grundstücke waren nur geringfügig kleiner als die der Menschen, oft waren sie sogar noch größer, aber niemand wollte Giftzwerge in seiner Nachbarschaft haben, denn die Menschen waren nur die zweitintolerantesten Wesen, die von der Schöpfung hervorgebracht wurden …
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