„Devius, Du weißt doch hoffentlich, dass Du mir alles erzählen kannst, ohne Angst davor haben zu müssen, dass ich mich darüber lustig mache oder Dich für geisteskrank halte.“ meinte Jasper daraufhin mit ernstem Gesicht.
„Aber ich denke, wir können ja später nochmal darüber sprechen. Jetzt sollten wir uns erst mal auf den Weg in Stadt machen.“
Devius bewohnte eine Dreizimmerwohnung im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses in Darmstadt Bessungen, einem der schönsten Stadtteile Darmstadts. Von seiner Wohnung aus blickte man direkt auf den Orangeriegarten und nur ein paar Minuten Fußweg von seiner Wohnung entfernt war eine Haltestelle der Straßenbahnlinie drei. Zu dieser Haltestelle hatten die beiden Freunde vor, sich auf den Weg zu machen.
Kurz vor ihrem Aufbruch wollte Devius allerdings im Bad noch einen kurzen Blick auf sein Spiegelbild werfen. Dieser Blick dauerte dann aber doch so unvermutet lang, dass Jasper langsam ungeduldig wurde. Er klopfte sachte an die Tür und fragte:
„Alles klar bei Dir, Devius?“ Plötzlich hörte er ein Stöhnen seines Freundes. Jetzt klopfte Jasper mit aller Kraft gegen die Badtür und rief besorgt nach Devius. Es war nichts zu hören. Ein dunkles Gefühl der Besorgnis machte sich rasend schnell in ihm breit. Er versuchte die Badtür aufzudrücken. Einen Spaltbreit konnte er sie öffnen, aber dann wurde sie durch irgendetwas blockiert. Nochmals trommelte Jasper voller Panik heftig mit seinen Fäusten gegen die Tür. Jasper war völlig verzweifelt und fragte sich, was er jetzt tun sollte. Dann hörte er wie Devius erneut aufstöhnte und rief ihm zu, dass er ein Stück zur Seite rutschen sollte. Sofort versuchte Jasper erneut die Tür zu öffnen und diesmal gelang es ihm. Er sah nun, dass Devius an die Badewanne gelehnt dasaß und einen völlig weggetretenen Ausdruck machte. Er schien nicht bei sich zu sein.
Jetzt fing Devius auf einmal an zu schreien und verdrehte dabei die Augen, so dass nur das Weiße darin zu sehen war. Dabei sah er so verwirrt aus, dass Jasper fast schon Angst vor ihm bekam. Immer wieder schrie er, dass die dunkle Göttin ihn in Ruhe lassen sollte. Dann begann er auch noch, wild um sich zu treten. In jedem Fall war er durch Jasper allein nicht mehr zu bändigen. Dieser entschied daher einen Rettungswagen für seinen Freund zu rufen.
Kurz bevor der Rettungswagen eintraf, beruhigte sich Devius erneut und war er auch wieder besser ansprechbar. Nachdem Jasper seinem Freund etwas zu trinken geholt hatte, fragte Devius ihn, was denn überhaupt geschehen war. Jasper erzählte ihm, dass er völlig von Sinnen gewesen war und dass er während der ganzen Zeit immer wieder etwas von einer dunklen Göttin geschrien hätte. Das nahm Devius mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis.
„Ich kann mich nur noch daran erinnern, in den Spiegel geschaut zu haben, danach hatte ich ein Blackout. Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist, aber langsam habe ich Angst, den Verstand zu verlieren, Jasper“
„Das glaube ich, aber ich bin mir sicher, dafür lässt sich eine Erklärung finden. Wichtig ist, dass Du Dich jetzt erst einmal untersuchen lässt. Nicht dass sich hinter Deinem Alptraum und diesem Anfall von eben etwas Schlimmeres verbirgt.“ Devius, der sich noch sehr schwach fühlte, musste seinem Freund recht geben und ließ sich daher ohne Probleme von den inzwischen eingetroffenen Rettungssanitätern mitnehmen.
Auf der Fahrt ins Krankenhaus machte sich Devius sehr viele Gedanken. Was war nur mit ihm los? War er vielleicht gerade dabei wahnsinnig zu werden? Und wer zum Teufel war diese dunkle Göttin? All das beschäftigte ihn, während er in der Notfallambulanz des Krankenhauses aufgenommen wurde. Später als er schon Krankenbett lag, grübelte er noch lange darüber nach. Irgendwann gelang es ihm dann schließlich doch noch einzuschlafen, aber es war kein erholsamer Schlaf, der über ihm seine Flügel ausbreitete und ihn die Dunkelheit zog.
2. Kapitel
Das Erste, was ich bemerkte, war, dass die Sonne mir ins Gesicht schien und mir heiß war. Wo war ich hier? Ich lag in einem Bett, aber das war nicht mein Bett. Und dieses Zimmer gehörte ganz sicher nicht zu meiner Wohnung. Was mir noch auffiel war, dass Stimmen außerhalb des Zimmers zu hören waren und es seltsam roch. Was war nur mit mir passiert und wo befand ich mich hier? Ich konnte es nicht sagen.
Da hingen Bilder und Fotos an der Wand. Die Menschen darauf kamen mir irgendwie bekannt vor, aber ich wusste nicht woher. Das Bett in dem ich lag, sah fast wie ein Krankenhausbett aus. Es hatte Seitengitter und eine Vorrichtung, mit der man sich hochziehen konnte, so eine Art Galgen. Ich versuchte mich hochzuziehen, da fühlte ich, dass das nicht ging. Ich konnte meine Arme nicht bewegen. Sie waren festgebunden, genauso wie meine Beine.
Wer hatte mich hier gefesselt und warum? Ich konnte mich nicht erinnern. Langsam stieg ein panisches Gefühl in mir hoch. Wieso war ich hier gefangen und was wollte man von mir? Dann noch dieser Geruch. Es stank hier richtig. Eben bemerkte ich es. Dieser seltsame Geruch ging von mir aus. Ich hatte eine Windel an und die war randvoll mit Scheiße gefüllt. Ich lag in meiner eigenen Scheiße und war gefesselt. Außerdem konnte ich mich nicht mehr an meinen Namen erinnern. Es fiel mir nicht mehr ein, wer ich war. In diesem Moment war mir alles Zuviel und fing ich an lauthals zu schreien.
3. Kapitel
Clarissa hatte seit sechs Wochen das Gefühl, verfolgt und beobachtet zu werden. Nein, inzwischen war sie sich ganz sicher, dass sie verfolgt und beobachtet wurde. Aber nicht wie in irgendeinem zweitklassigen Kriminalfilm durch einen Mann mit Trenchcoat, Hut und Sonnenbrille, sondern von einer eleganten und gutaussehenden Frau mittleren Alters, die ihr seit ein paar Wochen wie ein Schatten folgte. Anfänglich war ihr das noch nicht richtig aufgefallen, aber nachdem diese Frau immer wieder an den verschiedensten Orten wie in der S-Bahn auf dem Weg zur Arbeit oder im Supermarkt bei der Erledigung ihrer abendlichen Einkäufe in ihrer Nähe auftauchte, kam ihr langsam dieser Verdacht.
Je mehr sie darauf achtete, desto deutlicher wurde ihr, dass ihre Verfolgerin eigentlich fast immer in ihrer Nähe war. Zumindest, wenn sie nicht gerade arbeitete oder sich in ihrer Wohnung aufhielt.
Sobald Clarissa die Wohnung verließ oder in der Mittagspause mit ein paar Kollegen etwas Essen ging, bemerkte sie nach wenigen Augenblicken, dass ihr Schatten in der Nähe war und sie nicht mehr aus den Augen ließ. Sie wurde durch diese Fremde sehr genau beobachtet, fast schon begutachtet.
Clarissa konnte sich die Verfolgung durch die Fremde nicht erklären.Was konnte dahinter stecken? Clarissa führte ein ganz normales Leben ohne besondere Aufregungen, fuhr ein- bis zweimal im Jahr in Urlaub und bewohnte eine hübsche kleine Zweizimmerwohnung im Frankfurter Ostend. Sie hatte nicht viele Freunde, aber ihres Wissens nach auch keine Feinde. Die junge Frau war bei ihrer Großmutter aufgewachsen, nachdem ihre Eltern bei einem schweren Autounfall ums Leben kamen. Sie hatten ein sehr enges und liebevolles Verhältnis. Leider sah sie ihre Großmutter nicht mehr sehr oft, da sie beruflich sehr eingespannt war und vor drei Jahren den Job bei der Bank in Frankfurt angenommen hatte. Damals bot es sich an, von Darmstadt wegzuziehen, wo ihre Großmutter immer noch lebte.
Clarissa war eine junge Frau mit einem sehr ansprechenden Gesicht und langen lockigen blonden Haaren. Außerdem hatte sie strahlend blaue Augen, die schon so manchen Mann mit ihrem Glanz verzaubert hatten. Sie war relativ groß und sehr sportlich. Allerdings war sie nicht besonders selbstsicher, sondern litt eher an Selbstzweifeln. Dies führte dazu, dass, wenn sie sich in einer Beziehung zu einem Mann befand, sehr schnell Angst bekam, ihn wieder zu verlieren und deshalb eifersüchtig wurde, wenn er ihr nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte. Daher hielten ihre Beziehungen oft nicht sehr lang und die Phasen zwischen den Beziehungen wurden immer länger. Und in einer solchen Phase befand sie sich nun schon seit einem Jahr.
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