1 ...6 7 8 10 11 12 ...24 Fieberhaft sah sich Tado nach einem Ausgang um. Da entdeckte er die quadratische Öffnung in der Felswand zur Rechten. Hoffnung breitete sich in ihm aus, als er die anderen darauf aufmerksam machte.
Die vier sahen hinein. Vor ihnen lag ein dunkler, verlassen aussehender Gang.
„Sieht doch ganz vielversprechend aus“, meinte Spiffi.
Kaher holte aus der Höhle des Trolls eine Fackel und zündete sie an.
Der Boden war uneben und rau. Das flackernde Licht der Fackel spendete kaum Helligkeit. In der Luft hing ein Modergeruch. Jede Bewegung schien ein Echo zu verursachen.
„Hahahallo!“, rief plötzlich eine Stimme. Tado fuhr erschrocken zusammen und Spiffi stieß einen halblauten Schrei aus. Die vier drehten sich mit einem Ruck um - und blickten auf eine merkwürdige, kleine Gestalt mit langen, schmalen Ohren, faustgroßen Augen und Armen, die beinahe so lang wie die Kreatur groß waren. Das Geschöpf hockte auf dem Boden und maß nicht mehr als einen Meter.
„Wer seid ihr?“, fragte es. „Und was ist das für ein helles Ding?“ Das Geschöpf deutete auf die Fackel.
„Fackel“, brachte Tado hervor. „Eine Fackel.“ Mehr konnte er nicht sagen, der Schreck saß noch zu tief.
„Dann werft die Fackel weg, sie verdirbt die Augen!“, jammerte es.
Tado machte ein verdutztes Gesicht. Ohne das wenige Licht der Fackel würde hier stockfinstere Nacht herrschen.
„Wir können sie nicht wegwerfen“, meldete sich nun Kaher zu Wort. „Ansonsten können wir nichts sehen.“
Die kleine Gestalt maß ihn mit einem Blick, als überlege er, ob er schon einmal solche Wesen gesehen hat. Nach einigen Sekunden des Schweigens sagte sie endlich: „Ich wusste doch, dass mit euch etwas nicht stimmt. Ihr habt komische Augen!“
Tado runzelte die Stirn: „Wer bist du eigentlich?“
Das Wesen sah ihn mit seinen großen Augen an, die Pupillen kaum noch sichtbar: „Ich heiße Allo, vom Volk der verrückten Kobolde.“
Die vier waren sichtlich verwirrt.
„Wieso denn verrückt?“, fragte Regan, während er den Kobold mit einem merkwürdigen Blick musterte.
„Wir haben uns den Namen selbst gegeben, ohne zu wissen, was er eigentlich bedeutet.“
Das sieht ihm ähnlich, dachte Tado. Laut sagte er: „Ich würde gerne wissen, wo wir uns befinden.“
Der Kobold machte ein erstauntes Gesicht, offenbar verwirrte ihn der Themenwechsel. Er brauchte nämlich eine Viertelminute, um zu antworten: „Natürlich im Reich der verrückten Kobolde.“
Seine Worte klangen, als verstünde er überhaupt nicht, warum Tado diese Frage gestellt hatte.
„Er meint, wo genau“, sagte Spiffi schnell.
„Im Mauergebirge“, erwiderte Allo, immer noch verwirrt. Die vier Gefährten verdrehten innerlich die Augen.
„Was ist das hier?“, fragte Kaher in leicht genervtem Ton.
„Du musst nicht gleich böse werden“, meinte der Kobold, der selbst den leisesten Unterton des Goblinkönigs richtig zu deuten schien. „Das hier ist ein unterirdischer Gang.“
Auf des Augenrollen der vier fügte er hastig (wobei er sich fast verhedderte) hinzu: „Es schließt sich ein Labyrinth an.“
Tado blinzelte. Egal, in was für einer Situation er und die anderen sich befanden, sie wurde immer schlimmer.
„Lass mich raten: Du kennst den Ausweg nicht“, meinte er seufzend.
„Doch“, erwiderte der Angesprochene, woraufhin ein Funken Hoffnung in den Vieren aufglomm. „Wenn ihr ungefähr zehn Schritte weitergeht - und mich dabei nicht umlauft - kommt ihr zu einer Öffnung im Felsen. Aber ich würde mich vorsehen, dahinter haust ein Troll.“
Die vier mussten sich sehr zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
„Von dort kamen wir“, sagte Spiffi, der sich nur schwer unter Kontrolle hatte.
„Dann geht wieder zurück“, meinte Allo unbeeindruckt.
„Das geht nicht“, erwiderte Kaher. „Der Troll ist zwar tot, hat aber den Höhleneingang einstürzen lassen.“
„Der Troll ist tot?“, fragte der Kobold und ignorierte die Bemerkung über den zerstörten Eingang. Seine Miene hellte sich deutlich auf.
„Ja, aber...“, Tado wurde von einigen Jubelschreien unterbrochen, die Allo rief, während er einige merkwürdige Bewegungen vollführte. Es dauerte einige Zeit, bis er sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte.
Natürlich dachte er auch jetzt nur an den Tod vom Troll: „Ihr müsst wissen, er hat uns gedroht, dass er uns auffrisst, wenn wir ihm nicht ständig etwas zu essen besorgen. Leider wurde er von den Würmern, die hier unten leben, nicht satt und wir mussten uns tief ins Labyrinth vorwagen, um ein paar der Kreaturen dort zu erlegen. Aber das hat nun endlich ein Ende.“
Tado brachte ihn wieder auf den Boden der Tatschen zurück: „Ja, und die, denen ihr diesen überaus glücklichen und durch kaum etwas zu übertreffenden Vorfall zu verdanken habt, sitzen jetzt hier fest und würden gerne wieder herauskommen, daher bestand unser Anliegen darin, dass wir wissen wollten, ob du zufällig den Ausgang des Labyrinths kennst.“
Allo war sichtlich verwirrt über diesen recht komplexen Satz, der ihm eben ihm Eiltempo heruntergebetet wurde, und musste ziemlich lange überlegen, bis er seine Gedanken zu einer Antwort geordnet hatte: „Natürlich kenne ich den Weg, aber vorher möchte ich euch zu mir nach Hause einladen.“
Da die vier keine andere Möglichkeit sahen, von ihrem momentanen Aufenthaltsort wegzukommen, kamen sie der Einladung nach. Erst jetzt bemerkten sie die vielen Türen auf beiden Seiten des Gangs, in denen vermutlich die Behausungen der Kobolde lagen.
„Ich wohne gleich dort drüben“, sagte Allo und deutete auf eine Tür, auf dessen Oberfläche die Worte „Allo“ und „Eins“ eingemeißelt waren. „Falls ihr euch wundert, warum ihr hier keine anderen Kobolde seht“, fuhr er fort, „so kann ich euch sagen, dass es wegen des Trolls ist. Kaum einer traut sich mehr aus seinem Haus, höchstens, um etwas Essbares zu suchen.“
Während sie auf die Tür zuschritten, ließ sich Tado etwas zurückfallen, sodass er neben Kaher ging.
„Um noch mal auf den Troll zurückzukommen“, sagte er leise zu dem Goblinkönig. „Es ist schon eine Weile her, dass er die Quelle besetzt hält, nicht wahr? Der Weg, durch den wir in seine Höhle gelangten, war viel zu schmal, als dass sich ein Troll, der mehr als doppelt so breit wie zwei von uns zusammen ist, hindurchzwängen könnte.“
„Ich sagte doch, dass ein schweres Beben vor einigen Tagen eine Verkleinerung des Pfades bewirkt hat“, erwiderte Kaher.
„Sagtet ihr nicht, die Trolle hätten die Quelle heute Morgen eingenommen?“, fragte Tado ungehalten, da ihn der König anscheinend für sehr dumm hielt. „Insofern müsste das Beben heute Morgen stattgefunden haben, allerdings hätten wir es spüren müssen, wo wir doch in unmittelbarer Nähe nächtigten.“
„Du hast Recht“, gestand Kaher. „Er besetzt sie schon seit einem halben Jahr, und es ist auch nicht unsere einzige Trinkwasserquelle. Aber du musst verstehen, dass Goblins, und ich schließe mich damit nicht aus, eine Art Gier nach besonderen Dingen haben. Und diese Quelle ist nun mal einmalig. Also warteten wir, bis ein paar Wanderer vorbei kamen und beschlossen, uns ihre Hilfe zu erzwingen.“
Das hatte Tado vermutet. Er nahm es dem Goblin aber nicht besonders übel, schließlich war niemand verletzt worden.
Inzwischen hatten sie die Tür erreicht. Allo drückte die Klinke hinunter. Das massive Holz schwang quietschend nach innen auf und offenbarte den Blick in einen sehr langen Raum (der in der Breite aber höchstens sechs Fuß maß), an dessen Ende sich eine weitere Tür befand. Natürlich herrschte auch dort fast vollkommene Finsternis, nur das wenige Licht der Fackel ließ Umrisse einer spärlichen Einrichtung erkennen. Etwa in der Mitte des in den Fels gehauenen Zimmers stand ein schmaler, sehr niedriger Tisch an der linken Wand, jedoch fehlte von Stühlen jede Spur. Ein paar Regale waren auf Bauchhöhe darüber angebracht, in denen sich Küchenutensilien und allerlei Gebrauchsgegenstände befanden. Über die gesamte Länge des Raumes bedeckten Matten den Boden.
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