„Das sind wir. Ms. Brooks hat Sie über den Fall informiert?“
„Sie hat mir ein bisschen was erzählt und mir einen Bericht schicken wollen, aber den habe ich nicht erhalten. Die Verbindung zum Internet war miserabel und brach immer wieder ab.“
„Ich verstehe. Jeremy?“
Der reagierte prompt, wenn auch mit skeptisch gehobenen Augenbrauen.
„Mein Kollege Mr. Campbell wird das nachholen. Er weiß so ziemlich alles.“
Er winkte Jerry zu sich. Das dieser verdrießlich dreinsah und ihm damit sagen wollte, er ließe sich nicht herumkommandieren, ignorierte Lucas gekonnt. „Ich sage Lucy und Scott Bescheid, sie kommen zu euch.“ Er sah zu Ms. Banks. “Sie können Ihnen sagen, was zu tun ist.“
Sie nickte hilfsbereit und er sah ihr hinterher, wie sie in Jerrys Gesellschaft den Raum verließ.
Gerry schob sich in sein Sichtfeld und unterbrach Lucas Gedanken zu Schwarzmäntelchen Harold. Er hatte auch nur eine Sekunde an sie gedacht. Ganz sicher nur eine.
„Wie geht es jetzt weiter. Sie ist hier, aber …“
„Jeremy, Lucy und Scott werden alles Wichtige mit ihr besprechen. Ich denke wir sollten es noch heute Abend versuchen.“
Er sah wie in Gerry Freude mit Angst rang, also klopfte er ihm aufmunternd auf die Schulter. „Nur keine Sorge. Es wird alles gut ausgehen. Wir sind nicht umsonst soweit gekommen.“
„Danke Austen.“
Lucas nickte ihm zu, dann ging er hinaus in Richtung seines Zimmers. Hier konnte er ungestört mit Ms. Brooks telefonieren.
Das Gespräch verlief nicht erbaulich, endete aber auch nicht mit einer Katastrophe. Er hatte Dylan versprechen müssen, nicht noch mal ohne ihre Zustimmung eine ihrer Mitarbeiterinnen mit so einem Ritual in Gefahr zu bringen. Er hatte sich von ihr rügen und belehren lassen, danach aber war ihre Munition verschossen und sie gab ihr Einverständnis dazu, dass Ms. Banks ihnen half. Sie mahnte ihn zur Vorsicht, sie wünschte, dass ihrer begabten Heilerin nichts passierte und sie wollte über Fortschritte informiert werden. Lucas versprach, sich an alles zu halten, an alles zu denken und dann legte er zufrieden auf. Erst nach dem Gespräch erlaubte er es sich kurz innezuhalten und durchzuatmen. Er war nicht überrascht, er hatte immer daran geglaubt, dass er es möglich machen würde – das Unmögliche – aber es war bisweilen anstrengender als erwartet. Satek war ein harter Brocken, härter als es Lucas eingeschätzt hätte. Umso mehr würden sie alle den kleinen Sieg feiern, sobald Rhylee gerettet war. Denn Lucas war sich sicher, Satek rechnete nicht damit, dass es ihnen gelänge.
„Lucas?“
Er sah zur Tür, in die braunen Augen von Lucy.
„Lucy, willst du was Bestimmtes von mir?“
Sie lächelte wegen dem Unterton in seiner Stimme, doch schüttelte gleichzeitig den Kopf.
„Ms. Banks möchte es jetzt gleich versuchen. Sie scheint sehr nett. Jedenfalls war sie ehrlich ergriffen von der Sache und hat sich bereit erklärt, es sofort anzugehen. Sie sagt, sie kann nichts versprechen, aber sie wird alles probieren.“
„Na das ist doch toll.“
Lucy sah nicht aus, als teile sie seine Freude.
„Was ist, hast du Bedenken?“
„Sie ist noch so jung, Lucas. Ich bezweifle, dass sie schon weit genug ist, so etwas zu schaffen. Ich bin nicht sicher, ob sie in Anbetracht der Zweifel, die man am Gelingen der Sache haben muss, das Risiko eingehen sollte. Es könnte auch nach hinten losgehen und wir verlieren nicht nur Rhylee.“
„Wenn wir es nicht probieren, dann verlieren wir sie ganz sicher.“
„Du weißt, dass ich das nicht will.“
Sie klang verletzt. Seine Worte hatten sich zu sehr nach einer Anklage angehört. Er nahm sie in den Arm, indem er ihr einen Arm um die Schulter legte und sie zu sich zog.
„Natürlich weiß ich das. Wir alle wissen das. Es gibt keinen, der daran zweifelt, Lucy. Ich weiß, dass du dir um Ms. Banks Sorgen machst, aber es ist ihre Entscheidung. Ihre Gabe. Sie kennt die Risiken und wenn sie sich dafür entscheidet, uns zu helfen, dann weil sie weiß, dass sie nicht anders kann. Sie ist eine von uns.“
Lucy sah ihn an, dann nickte sie ernst. „Sie ist ein Talamadre.“
„Ja, das ist sie. Sie weiß, was das heißt. Wir alle wissen es. Wir wissen dagegen nicht, ob sie nicht Wunder vollbringen kann, diese kleine Ms. Banks. Dylan jedenfalls ist der Meinung, dass sie unsagbar talentiert ist.“
„Dylan?“ Lucy klang nun amüsiert.
„Denk gar nicht dran, sie hat mich abserviert.“
„Du hast es tatsächlich versucht?“ Lucy lächelte dieses Psychologenlächeln. Lucas hatte es so getauft, weil sie trotz dem Lächeln in den Augen so aussah, als könnte sie einem bis in die Teile der Seele sehen, die man gerne versteckt hielt. Vor allen vor Frauen.
„Versuche ich das nicht immer?“, erwiderte er ihr Lächeln selbstbewusst.
„Lernst du je dazu?“
„Muss ich das?“, konterte er. Dieses Spiel konnten sie ewig spielen. Vielleicht mochte sie ihn deswegen, obwohl sie offensichtlich nicht auf ihn stand. Er war so was wie eine geistige Herausforderung. Kein Wunder. Seine Gedanken waren der reinste Irrgarten und bestimmt ein gefundenes Fressen für jeden guten Psychologen. Und Lucy war die Beste. Nicht umsonst arbeitete sie für Wescott. Jetzt ihn. Das erinnerte ihn daran, dass die anderen auf ihn warteten. Er nahm Lucy am Arm.
„Komm lass uns zu den anderen gehen.“
Auf dem Flur kam Ihnen Jeremy entgegen.
Lucy lächelte halbherzig. „Ach ja, Jeremy wollte dich dringend sprechen.“
Sobald sein Kollege vor ihnen stand, hielt er inne. Lucy ging vor und ließ sie beide allein. „ Auf ein Wort, Austen!“
Bevor Lucas etwas sagen konnte, ergriff Jerry erneut das Wort.
„All der Aufwand für den lächerlichen Hauch einer Chance, Rhylee zu retten? Das ist Wahnsinn! Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie das hinkriegt? Hast du gesehen wie grün sie hinter den Ohren ist?“, zischte er Lucas an. Doch mehr als ein überzeugtes Lächeln bekam er heute nicht. Sorry, Jerry .
„Dann ist das heute Abend ihr großer Moment. So was wird nicht jedem gegeben, diese Chance etwas zu tun, das dich für immer unsterblich macht. In den Archiven der Talamadre wenigstens.“
„Du bist verrückt“, konterte Jerry ablehnend. Er glaubte an das alles hier nicht. Das war sein Problem.
„Und derjenige, der die Verantwortung hat, also danke für deine herzerwärmende Sorge um mich und meinen Kopf, sollte das hier nach hinten los gehen.“
Das nahm Jeremy den Wind aus den Segeln. Stattdessen lächelte er.
„Krieg ich deinen Posten, wenn du versagst?“
Lucas war sich nicht sicher, wie viel Ernst hinter der Frage steckte. Aber er entschied sich, nicht weiter darauf einzugehen. Jeremy verstand nicht, dass eine Niederlage nicht in Lucas‘ Plan vorkam. Er hatte ein verdammtes Wunder versprochen und nicht weniger würde Rhylee nun bekommen.
„Vertrauen, Jeremy. Vertraue einmal in deinem Leben jemandem mehr als dir. Sie wird es schaffen und jeder, der an sie glaubt, wenn sie es versucht, hilft ihr dabei. Selbst wenn du daran zweifelst, springe dieses eine Mal über deinen Schatten und glaube an das hier. Denn Glaube versetzt bekanntlich Berge. Und wir, mein Freund, sind gerade im Begriff den Mount Everest zu besteigen.“
Lucas hatte es nur so gesagt und nicht wirklich geglaubt, dass Jerry sich von seiner pessimistischen Einstellung abbringen ließe. Aber der Talamadre überraschte ihn, als er jetzt zögernd nickte.
„Gut. Besteigen wir den Mount Everest. Ich hoffe nur, uns geht der Sauerstoff beim Aufstieg nicht aus.“
Mit Bergsteigen kannte er sich also auch noch aus? Gab es überhaupt irgendwas, über das Jeremy rein theoretisch nicht alles wusste?
Jeremy klopfte ihm lächelnd auf die Schulter. „Die Antwort lautet nein, Lucas.“
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