„Haben die Amerikaner noch andere Heiler vor Ort?“
„Wir haben bisher nur Kontakt zu denen hier an der Ostküste. Dylan sagt, sie haben noch einen anderen Heiler, der ist jedoch in einem Teamup irgendwo in Alaska unterwegs und kann da nicht weg.“
„Was ist mit den anderen Abteilungen?“ Jeremy blieb hartnäckig. Wenn er sich einmal mit der Sache beschäftigte, dann richtig. Wahrscheinlich hielt Wescott deswegen so viel von ihm. Eine nützliche Eigenschaft.
„Okay, das wäre ein Versuch. Lucy, du nimmst Kontakt zu den anderen Abteilungen und Organisationen auf, lass dir von Dylan helfen. Nimm alles, was du kriegen kannst. Jerry, du kümmerst dich weiter mit Annabelle um die Recherche bezüglich Satek. Ich brauche da unbedingt Ergebnisse.“
Die beiden nickten und ließen ihn allein. Das war doch schon mal was. Jetzt musste er mit Gerry reden. Der brauchte Aufmunterung und so wie Lucy ihm verraten hatte, verlangte er Antworten, die sie ihm nicht geben wollte, solange sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Er hatte den Wink dahinter verstanden. Er war der Teamleiter, er machte das schon.
Auf dem Gang begegnete er Emily.
„Hey, Em. Wie lief es gestern? Habt ihr was entdeckt?“
„Nichts Auffälliges. Wir sind den Amis begegnet und mit ihnen gegangen. Gähnende Leere und von Satek sowieso keine Spur.“
Das beruhigte ihn. Auch wenn er nicht erwähnte, dass sie nicht nach ihm suchen sollte. Emily war niemand, die sich sagen ließ, dass sie nicht nach einem Bösewicht suchen sollte, der Schuld daran war, dass ihre Freundin im Sterben lag. Er ließ es auf sich beruhen und nahm dankbar an, das Satek nicht aufgetaucht war. Was immer das bedeutete, es war sicher nichts Gutes. Irgendwas heckte er aus. Irgendwas plante er. Lucas musste nur herausfinden was.
„Gut, wie läuft es mit dem Training?“, lenkte er Emily ab.
„Super. Elise, Will und Matty sind schon dabei. Ich stoße jetzt zu ihnen.“
„Macht nicht zu viel, fragt Jeremy und Annabelle, ob ihr ihnen helfen könnt.“
„Schreibtischarbeit?“
„Schreibtischarbeit ist, was wir im Moment brauchen.“
Sie rollte mit den Augen, nickte aber und Lucas ging weiter. Er nahm dabei 2 Treppenstufen auf einmal, grüßte Aldwyn, den er im Flur traf und öffnete dann die Tür zu Rhylees Zimmer.
Gerry sah sofort zu ihm. Sein Blick wirkte angespannt und Lucas beobachtete ihn dabei, wie er den Oberkörper aufrichtete. Als wappnete er sich für schlechte Nachrichten. Gerry war eben nicht dumm. Er wusste, dass Lucas derjenige war, der ihm die Wahrheit nicht vorenthalten würde und zudem nicht dazu neigte, die Dinge zu beschönigen. Dafür hatte er genug Optimismus, um selbst in der schwierigsten Lage noch ein Körnchen Hoffnung zu entdecken. Da war er auf Beschönigung nicht angewiesen.
Lucas zog sich den zweiten Stuhl ans Bett von Rhylee. Daniel war auch im Raum, Lucas erkannte wie er an der Wand gelehnt dastand. Er hatte ihn nicht sofort gesehen.
„Hi Gerry. Daniel“, grüßte er beide. „Scott sagt, Rhylee ist im Augenblick stabil.“
„Ja, er sagt auch, dass es ihr schlechter geht.“
„Trotzdem. Im Augenblick ist sie stabil und noch bei uns.“
„Wann kommt die Heilerin?“, fragte Daniel dazwischen.
Gleich zur Sache, wie er es von Daniel nicht anders erwartet hatte. So war er eben. Süßholzraspeln hatte Daniel Kent noch nie beeindruckt.
„Lucas?“ Gerry warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Nicht heute.“
„Aber du hast gesagt, sie würde heute kommen.“ Gerrys Stimme bebte aufgebracht und Lucas erkannte, wie schwer es ihm fiel die Verzweiflung zurückzuhalten.
„Warum nicht?“ Daniels Zwischenfrage beruhigte Gerry, oder hielt ihn wenigstens davon ab, gleich weiter auf ihn einzureden.
„Das Unwetter, sie haben immer noch die Flüge gesperrt. Ms. Banks kommt nicht da weg.“
„Fuck.“
Daniel sprach ihm aus der Seele. Gerry dagegen schwieg und sein Blick ruhte abwesend auf Rhylee. Er wirkte ganz in seiner eigenen Welt. Lucas gab es nicht gerne zu, aber wie er so dasaß und ihre Hand hielt, gefiel ihm das nicht. Die Trauer des Moments legte sich auf sein Gemüt und Trauer entsprach so gar nicht dem, was er gern fühlte.
„Wir versuchen alles. Momentan kümmert sich Lucy um einen anderen Heiler, den wir kontaktieren können. Vielleicht bringt das was. Die Recherchen bezüglich Satek haben auch noch nicht gebracht, was wir uns erhofft haben. Momentan drehen wir uns in einem Kreis, aus dem wir noch ausbrechen müssen, um vorwärts zu kommen.“
„Was ist mit einem Ritual?“
Lucas sah zu Daniel. „Was für ein Ritual?“
Gerry war nun ebenfalls aufmerksam und sah zu seinem Partner.
„Eines mit dem wir das Glück etwas beeinflussen. Alles was dem im Moment im Wege steht, ist der Sturm.“
„Wir haben niemanden, der die Wetterelemente beeinflussen kann“, brachte Lucas an. Daniels Idee bot dennoch seinen Reiz. Er war aufgestanden und ging im Raum auf und ab. Wenn er jetzt Kaffee hätte, ging es sicher noch besser. „Was wir brauchen ist jemand …“
„Will.“
„Was?“ Lucas sah zu Gerry.
Daniel nickte zustimmend. „Will kann uns helfen.“
„Er kann Wind beeinflussen, aber nicht über die Entfernung“, wiegelte Lucas den Vorschlag ab.
„Nein, das nicht. Aber wenn wir ein Ritual machen, bei dem wir eine Entfernungsbrücke schaffen.“
„Nein!“ Er schüttelte den Kopf. Er war der Teamleiter und als solcher gehörte es dazu, dass er sich auch mal unbeliebt machte. So ‚charming’ wie er war, mochte man ihn so sehr, dass er das ab konnte.
„Nein?“ Gerry fragte ungläubig nach. „Es könnte die einzige Möglichkeit sein, Lucas. Bis die Heilerin hier ist, könnte …“
Obwohl er es nicht aussprach, wussten sie alle drei was er meinte. Lucas schüttelte dennoch den Kopf.
„Auf keinen Fall.“ Abwehrend hob er die Hände. „Will ist zu jung und zu unerfahren. Auf keinen Fall werden wir ein Ritual probieren, dessen Gelingen mehr an Wahnsinn als an Glück grenzt und dabei riskieren, das Will neben Rhylee Platz nehmen kann. Ganz ohne Sateks Einfluss.“
Die beiden Männer schwiegen und er erkannte in Gerrys Blick die Tiefe seiner Niedergeschlagenheit.
Lucas lächelte breit. „Aber ein Ritual werden wir trotzdem machen.“
„Spuck es aus, Austen und mach es nicht so spannend.“
„Genau, das ist unerträglich. Was hast du für eine Idee?“, wollte auch Gerry wissen, in dessen Augen langsam wieder Leben kam.
„Das ist keine Idee, Gerry, es ist ein Plan. Wir werden ein Portalzauber machen.“
„Portal was? Was soll uns das bringen?“
„Du willst Ms. Banks hierher teleportieren?“
Daniel verstand, worauf er abzielte und Lucas nickte mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ohne Daniels Erwähnung eines Rituals wäre er nie darauf gekommen, aber der Plan war genial.
„Ich war bereits zweimal bei so einem Zauber dabei, ich weiß wie es geht. Er ist zwar mächtig, aber weniger gefährlich und wir können alle mitmachen. Daniel, du lässt dir von Jeremy alle Informationen geben und spann die anderen mit ein. Heute Nachmittag werden wir das Ritual machen. Ich besorge die notwendigen Utensilien.“
„Und ich?“
Lucas sah zu Gerry.
„Du wirst auch mitmachen müssen. Wir können nicht auf dich verzichten, aber wir holen dich, wenn es soweit ist. Solange bleibst du bei Rhylee. Sag ihr, dass alles gut wird. Sie muss noch ein bisschen länger durchhalten, aber wir helfen ihr. Noch Fragen?“
„Woher weißt du, was wir brauchen?“
„Weiß ich nicht. Frag Jeremy und dann schreibst du mir eine SMS. Ich brauch ne halbe Stunde bis zu dem Laden, also beeil dich.“
Damit klopfte er Kent auf die Schulter, nickte Gerry noch mal zu und verließ das Krankenzimmer. Endlich gab es einen Weg, ein Ziel, etwas zu tun!
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