Mila Brenner
Talamadre
Licht und Schatten
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Mila Brenner Talamadre Licht und Schatten Dieses ebook wurde erstellt bei
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Danksagung
Impressum neobooks
Lucas
“ Some things are so big, they crush you completely. Especially without a cup of coffee.”
Miami, 11.03.2017
Das Sonnenlicht schien heute gedämpft durch die hohen Fenster. Der Himmel war von grauen Wolken verhangen. Trotzdem sah es nicht nach Regen aus. Das Frühjahr galt als beste Reisezeit für Miami, da die Temperatur angenehm warm bei durchschnittlich 25 Grad lag und es mit neun Sonnenstunden am Tag immer schön draußen war. Woher Lucas das wusste? Sein Reiseführer kannte eben nicht nur die schicken Restaurants, Hotels und die hübschen Sehenswürdigkeiten.
Es traute ihm keiner zu. Ihm, der nicht mal die Akten vor Fallbeginn las, aber seinen Reiseführer hatte er von der ersten bis zur letzten Seite durchgeblättert. Gut, es war nicht sein Engagement dafür verantwortlich, sondern Rhylee. Statt den gestrigen Abend in einer Sushibar und anschließend in einem angesagten Club zu verbringen, hatte Lucas über schwerer Kost gebrütet. Weil er danach nicht mehr schlafen konnte, hatte er den Reiseführer gelesen. Wenigstens war er davon tatsächlich müde geworden.
Jeremy, Annabelle und Lucy beschäftigen sich Tag und Nacht mit der Untersuchung des Rituals und versuchten an Informationen über Satek zu gelangen. Also lag die Suche nach einer Möglichkeit, Rhylee zu helfen, in seinen Händen. Alles kein Problem. Eigentlich. Denn er hatte da einen genialen Plan. Immerhin hatten die Amerikaner was sie brauchten. Eine junge Heilmagierin, mit wenig Erfahrung zwar, doch Lucas nahm, was er kriegen konnte. Nicht sein Stil, aber die Lage war zu ernst. Fürs „wählerisch sein“ blieb ihm keine Zeit mehr. Im Grunde ließ er sich von so was nicht verrückt machen. Er war ein wahrer Quell an Ruhe und Gelassenheit. Normalerweise. Aber in Miami schien alles anders. Statt wilder Partys und gutem Sex, saß er über Magiebüchern und suchte nach irgendwas, was ihnen helfen konnte, Rhylees Bewusstsein zurückzuholen. Laut Doc Larson war das das Problem. Satek hatte mit seinem Eindringen in das Ritual ihr Bewusstsein verletzt. Wie er das geschafft hatte?
Keine Ahnung. Ob er ihr Bewusstsein nur verletzt hatte oder gefangen hielt? Sie wussten auch das nicht mit Sicherheit.
Was machte er sich vor?
Sie wussten gar nichts. Es schien als hätten die Talamadre bisher keine Berührungspunkte mit solchen Fällen gehabt. Kein Wunder. Rhylees Gabe war selten. Die Durchführung eines Rituals, wie sie es gemacht hatten, um zu erfahren, was Steven Craine zugestoßen war, nutzte man ebenfalls selten. Lucas schipperte in unbekannten Gewässern. Was ihn nicht ängstigte, denn damit hatte er kein Problem. Er war immer schon neugierig gewesen. Zu neugierig, würden andere behaupten. Allerdings frustrierte es ihn, sich Abende und Nächte um die Ohren zu schlagen und trotzdem noch immer orientierungslos auf einem reißenden Fluss zu treiben. Mit jeder Stunde führte die Machtlosigkeit ihn weiter weg vom eigentlichen Ziel, Rhylee zu retten.
Er war kein Experte für Rituale. Aber er hatte mehr Erfahrung als die meisten in seinem Team. Er arbeitete seit sechs Jahren im Orden und schon davor hatte er mehr Erfahrung, als jemand wie er haben sollte. Allerdings nicht in dem Bereich Bewusstseinsentführung. Oder wie immer er das, was Satek getan hatte, nennen sollte. Lucas versuchte, nicht zu ausführliche darüber nachzudenken. Das hätte ihn abgelenkt und er durfte seinen Fokus nicht verlieren. Es reichte, dass Gerry Tag und Nacht an Rhylees Bett saß und sich mit jeder Stunde ein bisschen mehr verlor. Lucas beschränkte sich darauf, dass Satek ihm seine geplanten Partys und heißen Nächte zerstörte. Das machte ihn wütend. Diese Wut motivierte ihn, sich nach sechs Stunden Recherche den nächsten dicken Wälzer zu greifen und seinen Verstand mit Kaffee wach zu halten, statt ihn in Scotch zu ertränken. Dabei war ihm danach. Ja, wirklich. Denn neben dem Druck, der auf seinen Schultern lastete, ein Wunder zu vollbringen, gab es diese Blicke in die Schatten. Das Gefühl verfolgt zu werden. Er fürchtete, jeden Moment aufzufliegen. Mr. Wescott würde garantiert nicht begeistert reagieren, wenn er erfuhr, dass Lucas gegen seine direkte Order agierte.
Es lag also auf der Hand, weshalb er einen Anflug von Nervosität verspürte, als Aldwyn ihn beim Frühstück bat, unverzüglich in das Büro des Oberen zu kommen. Nicht mal der Kaffee war ihm gegönnt. Er ahnte Schlimmes und atmete noch mal durch, bevor er mit selbstsicherem Lächeln an die Zimmertür klopfte und dann eintrat.
Als er langsam die Tür hinter sich schloss, brachte ihm das die dringend benötigten Sekunden, die Verwunderung abzuschütteln, die ihn überkam, sobald er Holly gesehen hatte. Sie stand am Fenster und sein Blick war direkt auf ihre gutaussehende Gestalt gefallen. Sie wandte ihm jedoch den Rücken zu und so hatte er nicht sehen können, ob ihre Anwesenheit für ihn gut oder schlecht war. Sie war auf jeden Fall verwirrend. Denn es passte nicht zum Oberen, über interne Abläufe in der Gegenwart von Nicht-Mitgliedern zu sprechen.
Aber halt, stop!
Lucas blinzelte heftig und blieb dabei mitten in der Bewegung stehen. Das war selbst für ihn, einen bekannten Schauspielkünstler, wenn es um seine Mimik und Gestik ging, zu viel, um es zu überspielen. War das...?
„Guten Morgen, Mr. Austen.“
Ja, das war James Wescott, der in seinem Büro stand. Seine Stimme; dieser kühle, autoritäre Ton darin, würde er überall wiedererkennen. Aber wo war der dazu passende Gesichtsausdruck, der einen schaudern ließ? Das Lächeln, das ihm entgegenschlug, passte gar nicht zum Oberen. Es sah nicht mal so aus, als wolle es Lucas in eine gut gestellte Falle locken.
„Setzten Sie sich, bitte. Ich hoffe, ich habe Sie nicht vom Frühstück abgehalten?“
Er folgte der Anweisung und bemerkte, dass sogar er sprachlos sein konnte. Das war neu. Alles an dieser Situation war neu. Als der erste Schock verwunden war, fiel sein Blick wieder auf Holly. Das Lächeln in ihrem Gesicht zu deuten, fiel ihm wesentlich leichter. Sie war zufrieden. Und eindeutig amüsiert über seine Fassungslosigkeit. Sie hatte ja auch absolut keine Ahnung, was es bedeutete James Wescott so zu erleben. Ohne Anzug, Weste und Krawatte. Ohne die kühle Berechnung und Überlegenheit im Blick. Stattdessen mit einem Lächeln, das nicht nur freundlich wirkte, sondern beinah ... entschuldigend. Lucas begann, sich ernsthaft Sorgen um die Führung der Talamadre zu machen. War das Sateks Werk oder war dafür diese süße, humorvolle Archäologin verantwortlich? Die Frage lag ihm bereits auf den Lippen. Aber nur, weil ihm sonst nichts einfiel. Außer: Was hatte sie mit James Wescott gemacht?
„Holly hat mir erzählt, dass Sie in Kontakt mit Ms. Banks stehen.“
Vielleicht sollte er sich überlegen, besser Autos mit großem Airbag zu fahren. Denn gerade fühlte sich Lucas erschlagen von den Worten seines Chefs, der so gar nicht mehr sein Oberer war.
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