“Too bloody hot to run.” Greg kicherte.
Er setzte mich am Farmhaus ab. Es gab ein schnelles Lunch aus kaltem Fleisch, Brot und Wassermelone. Rhonda war nirgends zu sehen.
So vertrödelte ich den Nachmittag teils im Schwimmbad von Birds Nest, aß noch einen Hamburger im Pub (the lot - mit Spiegelei, Speck und Grünzeug), und verbrachte den Rest des Tages damit, meine Harley zu warten - eine Sache, die ich ungern andern überlasse, wenn’s nicht sein Muss, und schon gar nicht irgendeinem Dorfmechaniker, der seine Wurstfinger normalerweise nur in Traktoren steckt; ach, und die Stadtmechaniker sind auch nicht besser: die schreiben dir nur tausend Sachen auf, die angeblich gemacht worden sind und hinterher dauert es keine hundert Kilometer und irgendwas wirklich wesentliches kackt dir ab..
Ich mache mir lieber selber die Finger dreckig, dann weiß ich wenigstens was Sache ist. Ich kann nicht behaupten, dass mir die Fummelei Spaß macht, aber es ist ein gutes Gefühl, in jeder Hinsicht unabhängig zu sein. Auf langen, einsamen Strecken wie hier ist es sowieso ratsam, sein eigener Mechaniker zu sein und außer den üblichen Werkzeugen auch noch Reifenmontiereisen, Schlosserhammer, Kaltmeißel, Kontaktfeile, Fühlerlehre und Prüflampe mit dabei zu haben - eine transportable Miniaturwerkstatt eben. Die Maschine war gut eingefahren, mit Gefühl. Es war nicht viel dran zu machen, nur ein bisschen putzen, durchpusten und schmieren und sie lief wieder wie eine Eins.
3.
Als ich von meiner Probefahrt zurückkam, stand in der Auffahrt ein schwarzer Holden Pickup. Auf der Ladefläche hockten vier Männer und rauchten.
Mike Stark, Snakes, Greg und Janet standen am Fuß der Treppe zusammen. Cindy hüpfte um sie herum wie ein aufgeregter kleiner Hund und war sichtlich wütend.
“Das waren keine Bonbons! Das waren keine Bonbons!”, schrie sie, ”Ich bin doch nicht bescheuert! Ich weiß wie Bonbons aussehen!”
“Cindy!” mahnte Janet.
“Mike, Mike!” Cindy zupfte Mr. Stark an seinem Lederblouson. ”Sie haben gesagt, wir würden hübsche Träume davon kriegen, tolle Sachen sehen, besser als im Kino und so was. Und das waren Pillen und keine Bonbons. Und Päckchen mit weißem Pulver hatten sie auch. Und sie wollten sie uns schenken - nicht verkaufen!”
“Okay, okay, wir glauben dir ja”, sagte jemand, aber es klang herablassend -zweifelnd.
”Fakt ist, Greg: Wir waren da, wir haben die Bude auf den Kopf gestellt, und wir haben nichts gefunden, kein Pulver, keine Pillen, keine Zigaretten - nicht mal Kaugummis!”
Der Sergeant trat den Stumpen aus, auf dem er gekaut hatte, und tätschelte Cindy den Kopf (als ich sechs war, habe ich dafür einem Kerl fast den Finger abgebissen).
“Wir haben auch ihren Wagen untersucht, gründlich Jane! Sie waren nicht gerade erfreut. Ich nehme an, sie sind ziemlich sauer auf euch. Ich weiß nicht, vielleicht war alles nur ein dummer Scherz. Ein Missverständnis. Ihr wisst doch, wie Kinder manchmal sind ... ”
Greg zuckte die Achseln, aber nicht Janet. Janet schwoll der Kamm.
“Mike Stark! Wenn meine Tochter sagt, sie haben ihr Pillen angeboten, dann haben sie ihr Pillen angeboten! Meine Tochter ist nicht dumm, und sie lügt niemals.”
“Ja Janet, ist ja gut, Janet...”
“Komm mir bloß nicht so!”
“Okay, also es war Rauschgift, nehmen wir mal an. Aber dann haben sie’s nicht im Haus oder unterm Haus oder irgendwo in der Nähe versteckt. Was sollen wir machen? Ihnen auf Verdacht die Rübe abhauen?”
Janet schnaubte verächtlich. Greg versuchte, die Stimmung in den Griff zu kriegen: ”Mike, Snakes, danke, dass ihr nach dem Rechten gesehen habt. Ich denke, wir sollten alle diese Leute im Auge behalten.”
Mike Stark reagierte sichtlich erleichtert - eine erboste Mutter kann gefährlicher werden als ein halbes Dutzend hungriger Dingos..
“Sicher, Greg, sicher. Ich sag meinen Leuten Bescheid, dass sie auch den Schulhof und die Bushaltestelle ein bisschen im Auge behalten, und wenn sie Ärger machen, dann ruft an. Jederzeit! “ Er tippte sich an den Hut - ein geringfügig ansehnlicheres Exemplar als üblich, ein offizieller Hut eben - ”Janet! Greg!”
Sie fuhren ab. Die Männer auf der Ladefläche winkten im Vorbeifahren Cindy zu und lachten. Die Kleine stapfte stinkwütend die Treppe hoch und knallte sich vor den Fernseher. Janet verschwand in ihre chaotische Küche, und wir hörten sie von dort schimpfen: ” ... Steuern zahlen ... wenn man .... braucht ... zu blöd .... ”
Sie steckte ihren Kopf aus der Tür: ”Wahrscheinlich hat Mike die Durchsuchung schriftlich angekündigt!” brüllte sie und verschwand wieder.
“Janet! Gib Ruhe! Was hätte Mike denn tun sollen?” Keine Antwort.
“Verbrenn‘ mein Steak nicht, hörst du?!”
Dann kam Rhonda. Mir fiel fast der Unterkiefer runter: steigt aus einem neuen Auto und lässt sich von einem Kerl umarmen. Arm in Arm kamen sie die Auffahrt hoch, ich konnt’s nicht glauben: mit so einem Affen geht sie? Von so einem lässt sie sich begrapschen? Es muss der Dorftrottel gewesen sein, zehn Zentimeter kleiner als sie, trug den Bauch über der Hose und hatte ein Gesicht wie eine pelzige Kartoffel.
Nein! Rhonda! Und dabei war ich der Meinung, so gut auszusehen wie nie: sonnengebräunt und total fit. Ich war fassungslos. (Später hat sie mir gesagt, dass es mein waidwunder Blick in diesem Augenblick war, der den Funken überspringen ließ).
Aber sie verabschiedete sich von der Kartoffel unsentimental vor der Türschwelle, “Hi gaby!” und ging zu ihrer Mutter in die Küche. Das Monster wechselte ein paar höfliche Worte mit Greg und verschwand.
Der Ärger musste Janets Kochkünste beflügelt haben, es gab einen wunderbaren Eintopf aus Lammfleisch, Möhren, Süßkartoffeln und dicken Stücken orange-farbenem Kürbis.
“Ich habe Sandwiches gemacht für nachher, fürs Koala spotting”, sagte Janet .
Oh yeah, dachte ich.
“Das hattest du doch vor, Greg?”
Oh no, dachte ich.
Greg verzog das Gesicht. ”Ja eigentlich, aber ich habe wieder solche Kopfschmerzen...”
“Oh, wenn es ihnen nicht gut geht, Mr. Stephens, es ist durchaus nicht nötig. Sie haben mir doch schon heute früh die Kängurus gezeigt. Bitte - keine Umstände meinetwegen.”
Aber Janet bestand darauf: ”Aber nicht doch, Gabriel, das machen wir immer mit unseren Gästen. Das steht auch in unserem Werbeblatt.”
Rhonda, das Biest, hatte die ganze Zeit über mit amüsiertem Gesichtsausdruck zugehört; jetzt schaltete sie sich endlich ein.
“Kein Problem, Pa. Geh du ruhig ins Bett. Ich übernehme das. Ich hab’s Gaby schon vorgestern versprochen, stimmt’s, Gaby?”
Ma Stephens war noch nicht überzeugt.
”Aber Rhonda, das wär nicht freundlich, wenn wir unseren Gast allein losschicken würden. Und wenn ich mitkomme?”
Mrs. Stephens, es könnte nichts Freundlicheres auf der Welt geben, als mich allein mit ihrer Tochter loszuschicken. Ich versuchte, Janet zu hypnotisieren: müde - müde - du wirst jetzt wahnsinnig müde ...... die Arme werden schwer ...... die Beine werden schwer ....
“Kommt nicht in Frage, Ma. Du und Pa, ihr ruht euch schön aus. Ich kann das übernehmen.”
Cindy sah uns beide sehr aufmerksam an, mit diesem fiesen Grinsen, das kleine Geschwister so an sich haben, und fragte dann: “Darf ich mitgehen, Ma?”
Rhonda muss sie unter dem Tisch getreten haben, sie schrie kurz auf, aber sie beharrte darauf:
”Ma, darf ich? Ich kenn’ die besten Stellen für Koalas! Ma?”
“Kommt nicht in Frage. Du hast morgen früh Schule.”
Und so zogen Rhonda und ich allein los, in eine samtweiche, sternglitzernde australische Nacht; mit Stablampen, Sandwiches und Decken. Rhonda vor mir her mit wehenden Haaren, eine Stunde lang über Feldwege und Weiden, leuchtete in die Kronen alter Eukalyptusbäume und behauptete bei jedem grauen Klumpen, der da oben irgendwo am Stamm klebte, das dort(!) sei ein Koala.
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