Dieser Pub hier war mit Geldscheinen tapeziert, mit Geldscheinen aus England, Frankreich, Schweden, Holland, vielen aus Japan, amerikanischen Dollars und Deutschen Mark (Ost und West, wobei das Ostgeld als interessanter empfunden wurde)),außerdem hübsch buntes Papiergeld von den Philippinen, aus dem Königreich Tonga und von einigen Orten, von denen ich noch nie was gehört hatte.
“Hallo Jungs! Das ist Gabriel. Er kommt aus Deutschland und studiert Literatur!” rief Greg beim Eintreten.
“No problem - macht nichts”, war die prompte Antwort.
“Ah! Das da, son, ist unser Polizeichef. Wie ich sehe, hat er schon ein paar Drinks verhaftet. Mike Stark - das ist Gabriel aus Deutschland, wohnt bei uns; Gabriel - das ist Mike, und das hier ist sein Assistent, heißt Snakes. Den kannst du alles über Reptilien fragen, stimmt’s Snakes?!”
Sergeant “Snakes” bestellte mir ein Bier und begann sofort freundlich Konversation zu machen; mein Kindermädchen, während die Männer ernste Sachen zu besprechen hatten.
Er war ein komischer Kauz, Anfang Zwanzig, schlaksig, und sein Gesicht war ständig in Bewegung, alles darin war ständig in Bewegung: Ohren, Nase, Mund und Augen und auch alles dazwischen. Er gestikulierte beim Sprechen mit dem Gesicht, so wie es andere Leute mit Händen und Füßen tun. Ich war fasziniert.
Er nahm das als Interesse für sein besonderes Fachgebiet und stürzte sich nun ernstlich in den Vortrag:
“Du kommst doch gerade aus dem Norden, stimmt’s? Da ist doch gerade Regenzeit, stimmt’s? Jede Menge Wasser, oben, unten, überall, stimmt’s? Und hast du diese Frösche gesehen, die großen, giftgrünen? Ja? Weißt du, die tauchen gern in Klos auf, in den Häusern. Wirklich wahr, ich bin da oben aufgewachsen, in den Kimberleys. Und eine Regenzeit lang hatten wir mal viel Spaß mit den Fröschen.
Wir haben sie rausgeangelt und markiert - so, weißt du, das geht ohne sie zu verletzen. Wir haben ihnen Buchstaben auf die Rücken gemalt um zu sehen wo sie wieder auftauchen, und sie dann runtergespült.
Hey, zwei Monate lang wenn sich die Leute auf der Straße getroffen haben, hieß es nur: Wen hast du heute gesehen? A? Ich hatte D oder F und K. Oder: tut mir leid, meine Katze hat heute B gefressen.”
In der Zwischenzeit hatten Greg und Sergeant Stark ihre geschäftliche Besprechung beendet und gesellten sich zu uns. Greg zwinkerte mir zu und sagte:
”Wisst ihr Jungs eigentlich, dass Gabriel hier ein Goldgräber ist?”
So war Greg, redete nicht viel, sah aber eine ganze Menge. Er hatte bei meinem Gepäck wohl auch die Pfanne zum Goldwaschen entdeckt. Ich dachte eben, ich versuche es mal.
Man kann immer noch Gold finden in Australien, nicht viel, nicht wie beim großen Goldrausch; aber man hört immer wieder, dass einer Glück gehabt und für ein paar tausend Dollar Nuggets gefunden hat.
Die Geschichte vom Goldrausch in Australien ist auch eine Geschichte von technischem Fortschritt und Umweltzerstörung.
Anfangs hat man mit einfachsten mechanischen Hilfsmitteln, mit Picke, Schaufel und Sieb oder Pfanne die gröberen Stücke aus der Erde geklaubt. Wenn man keine Nuggets mehr fand, wurden die Minen und Schächte aufgegeben, und die Natur hatte Zeit, sich zu regenerieren.
Aber dann kamen die großen Minengesellschaften, die rechnen in Gramm per Tonne Erde, durchwühlen ganze Berge mit ihren Bulldozern und filtern noch das kleinste Stäubchen chemisch heraus.
Was sie hinterlassen sind Mondlandschaften, in denen für 10 oder vielleicht sogar hundert Jahre nichts mehr wächst. Ich habe Bilder von Boulder und Calgoorlie gesehen, im Gold-Tagebauzentrum von Australien, da habe ich mich wirklich gefragt - eine naive Frage, aber naive Fragen sind manchmal die einzigen die zu stellen sich lohnt - ist es das wert? So viele Arbeitsplätze bringt das nicht. Und soviel zerstörtes, verletztes, zerrissenes Land, nur damit ein paar Barren Metall in irgendeinem Banksafe lagern und einen Fettsack im Armani-Anzug ruhig schlafen lassen?
Was Leute wie ich machen, hinterlässt kaum Spuren. Man wäscht Pfanne für Pfanne den Flusssand durch, und wenn man irgendwo ein Loch gräbt, buddelt man es hinterher wieder zu.
Der Buckel, den Australien in die Sonne hält, ist schon sehr alt, erdgeschichtlich gesehen. Es hat kaum geologische Aktivitäten gegeben, z.B. die Macdonnell Ranges im Northern Territory sind seit 400 Millionen Jahren nur von Wind und Regen bearbeitet worden.
Deshalb findet man in Australien besonders viel sogenanntes alluviales Gold, ausgewaschen, bereits vom umgebenden Gestein getrennt und je nach Länge des zurückgelegten Wegs zu Nuggets, Flocken oder Staub zermahlen. Die großen Fundorte gehören alle den großen Minengesellschaften oder sind so ausgequetscht, dass es sich für die Profis schon lange nicht mehr lohnt; aber ein Freizeit-digger kann sich hier immer noch ein paar Dollars und ein bisschen Spaß verschaffen.
Gegen eine geringe Gebühr kriegt jeder im örtlichen Mining-Department eine Schürfgenehmigung, und damit darf man überall auf staatlichem Land buddeln, vorausgesetzt man arbeitet nur mit einfachen mechanischen Hilfsmitteln, reißt keine Bäume aus oder ruiniert die Landschaft übermäßig. Das darf man nur im großen Stil.
Gold- und Edelsteinsuche ist immer ein gutes Gesprächsthema in Oz, und ich habe kaum einen getroffen, der es noch nicht wenigstens einmal versucht hätte.
So war es hier auch. Kaum hatte Greg mein kleines Hobby erwähnt, da waren wir auch schon mitten im fachsimpeln über die besten Geräte, die Technik des Schwenkens und Siebens, die vielversprechendsten Fundorte und woran man sie erkennt.
“Ich habe zwar noch nie Gold gefunden, aber wenn ich losziehe, fange ich jedes Mal mindestens eine interessante Schlange, einen neuen Frosch oder einen Goanna,” sagte Snakes, ”für mich lohnt es sich also immer.”
“He Greg! Erzähl ihm doch mal von deinem Wahnsinns-Fund!” dröhnte Stark, und alles brach in wieherndes Gelächter aus. Greg wand sich ein bisschen for show, aber dann rückte er auch schon mit seiner Goldgeschichte heraus:
“Okay Jungs, ihr wisst ja, dass wir nicht gerade reich sind. Es kommt gerade so hin, um die Bankzinsen und die Steuern zahlen zu können, und ich beklag’ mich nicht, aber manchmal hängt mir die Schufterei schon zum Hals raus!”
Zustimmendes Grunzen rundum.
“Scheißbanken!”, ”Bloody G’vment”, ”God damn the taxman!” - Scheißregierung, der Herr verdamme den Steuereintreiber ... darauf eine neue Runde.
“Gut - und eines Tages”, machte Greg weiter, “da kommt meine missest zu mir auf die Weide gerannt - wir sind grade beim Mustern - und schreit und schreit schon von weitem. Ich hör immer bloß: Reiiich, Greg, wir sind reich, reich, reich! Und sie schwenkt etwas in ihrer Schürze. Die trägt sie so vor sich her, zu einem Sack zusammengehalten. Wir steigen ab, sie kniet sich hin und öffnet die Schürze. Ein Windstoß und die Luft flimmert und glitzert von goldenem Staub. Na - ich muss zugeben, dass es mich ganz schön gepackt hat, in dem Moment, wir springen in den Wagen, ab in die Stadt zur Bank, und Mike: hättest du versucht mich zu stoppen, ich hätte dich über den Haufen gefahren. Völlig verrückt waren wir! Wir legen die Schürze in der Bank auf den Tresen und strahlen und plappern beide wie zwei Idioten. Bob kommt angerannt, der Bankdirektor, und er beugt sich über das Zeug. Er krümelt so ein bisschen davon in den Fingern herum. Er zerdrückt ein Bröckchen davon mit dem Taschenmesser auf dem Tisch und sagt ... ” hier legte Greg seine Kunstpause ein, um einen langen Zug Bier zu nehmen. Ich schaute in die Runde, und es war mir klar, dass die anderen die Geschichte schon auswendig kannten und sie genossen - einschließlich der Pause - wie einen liebgewonnenen alten Film.
Читать дальше