“Tja, Jungs - und dann sagt Bob: ‘Tut mir leid, ich hätt’s euch gegönnt, Leute, aber das hier ist kein Gold. Das ist Katzengold, gelber Glimmer. Macht euch nichts draus. Darauf sind schon viele reingefallen. Was glaubst du, wie viele Kilo von dem Dreckszeug wir schon auf dem Tresen hatten. Tut mir ehrlich leid.‘ Und wie wir dann nach Hause geschlichen sind, wisst ihr, was meine Janet zu mir sagt?”
Wussten sie, aber den Gesichtern nach zu schließen, schätzten sie diesen Teil der Geschichte besonders.
“Janet, nachdem sie ihr Taschentuch vollgeheult hat, sagt zu mir: Ach weißt du, Greg, was soll’s - unser Reichtum sind unsere Kinder.”
Alles mächtig gerührt, Greg rutschte vom Hocker, klebte sich seinen Speckhut auf den Gnomenkopf und latschte zur Tür. Fabelhaft! Welch ein Abgang!
Als wir aus dem kühlen dunklen Pub auf die Straße traten, traf mich die volle Mittagshitze wie ein Faustschlag in den Magen. Ich bedauerte augenblicklich, Bier getrunken zu haben und tastete halbblind nach meiner Sonnenbrille.
Greg legte Kopf in den Nacken und kneistete in den Himmel: “Wir könnten ein bisschen Regen gebrauchen, aber es sieht nicht danach aus. Oben in Townsville schüttet es seit Tagen.”
Wir kletterten wieder in den Laster. Am Ortsausgang hielt Greg vor einem kleinen rosa gestrichenen Haus, das neben dem Eingang ein Schaufenster hatte. In der Auslage entdeckte ich Fossilien, Gesteinsbrocken und polierte Kiesel.
Vor dem Haus stand ein großer, hagerer Mann unter einem schattenspendenden
Unterstand, nichts weiter als vier Pfosten mit einem Dach aus Palmenwedeln, und bearbeitete einen Stein mit einer Fußpedal-betriebenen Schleifmaschine.
Greg musste mehrmals hupen, bis der Alte uns wahrnahm und von seiner Arbeit hochschaute. Greg winkte ihm zu, und er kam zum Wagen, tippte sich an den Hut - wieder so ein ausstellungsreifes zeitgegerbtes Stück - nickte.
“Heathrow, sieh mal, das ist unser Gast. Gabriel - kommt aus Deutschland.”
Ich sagte brav Guten Tag Sir, und wie geht es Ihnen.
“Er interessiert sich für Gold!”
Ein kurzes hustendes Lachen.
“Heathrow ist der letzte echte Goldsucher hier in der Gegend. Du kannst ihn jederzeit besuchen. Er kann Dir ein paar gute Tipps geben!”
Kann er sprechen, war ich versucht zu fragen. Da gab er Laut, brummte, nickte und ließ uns stehen.
Greg ließ den Motor wieder an, winkte noch einmal und fuhr weiter.
”Geh ruhig mal hin. Er freut sich über Besuch.”
Ach ja? Aber immerhin, ich nahm mir vor, es in den nächsten Tagen mal zu versuchen. Vielleicht gab es ein Zauberwort, um ihn zum Sprechen zu bringen. Ich hatte genug Zeit, das herauszufinden.
Zeit: Ich war zwar noch nicht im Karrierestress, aber Zeit war doch bereits etwas gewesen, das ich mir einteilen musste, eine Sache von Aufteilen und Wegschieben oder sogar Streichen; etwas, vom dem nie genug da war.
Hier leistete ich mir den großen Ausbruch aus der Tretmühle der Effektivität, und das freute mich. Ja, ich hatte in den letzten Wochen die Zeit als Planungsgrundlage meines Lebens fast vergessen. Die Faktoren hießen jetzt Lust und Interesse, Intuition - der totale Luxus.
Greg fuhr ein Stück Hauptstraße, nein: Straße entlang und bog dann ab auf einen Sandweg, der über die Weiden führte. Nach ein paar Metern kam ein Gatter und Greg zeigte mir, wie es zu öffnen war.
Es hatte statt Schloss oder Angel Aufhängungen aus Drahtschlingen und einen raffinierten Öffnungsmechanismus, der ebenfalls nur aus den einfachsten Mitteln bestand, Draht und Holzstangen, aber so angelegt, dass er für einen Fremden nicht ohne weiteres zu durchschauen war. Ich klemmte mir den Daumen, ließ mir einen schweren Balken auf den Fuß fallen, aber dann hatte ich es kapiert.
Das, erklärte Greg, war eine Sache, auf die australische Farmer stolz sind: aus nichts etwas machen, auskommen mit dem was da ist, früher eine Notwendigkeit bei den Wegen die zurückzulegen gewesen wären, um ein fehlendes Teil zu besorgen; heute gibt es zwar alles, aber es ist eine Tradition, auf die man stolz ist und die man deshalb weiter pflegt: make do.
Von da an, wenn ich mit Janet oder Greg fuhr, war es meine Aufgabe auszusteigen, die Tore zu öffnen und zu schließen und auf den anfahrenden Wagen aufzuspringen, und es gab mir ein wenig das Gefühl dazuzugehören.
So lächerlich gering der Dienst auch war, aber wortlos etwas von der Routine zu übernehmen, das machte mich auch zu einem Teil des Ganzen, und ich mochte dieses Gefühl.
Während wir über die Weiden fuhren, erklärte er mir ausführlich die unterschiedlichen Rinderrassen, die da herumstanden, aber ich hörte nicht so recht zu.
Für mich ist eine Kuh eine Kuh ist eine Kuh - sie gibt Milch. Und ich hasse Milch.
Noch ein Gatter und wir kamen in einen Wald, einen hellen duftenden Eukalyptuswald, in dem das Licht ungehindert durch die beinahe senkrecht hängenden lanzettförmigen Blätter fällt, ein Wasserfall aus Licht und Schatten, der auf dem Boden Tropfen und Lachen von silber, hellblau, und sanften Brauntönen macht.
An manchen Stellen war der Boden mit abgefallenen Blättern und Rindenschalen bedeckt, aber dann kam ein Stück, das sah ganz anders aus: die Rinde der Bäume vom Boden bis zu einem Drittel Höhe schwarz verkohlt, das Unterholz sauber weggebrannt. Statt dessen hob sich gegen die geschwärzten Stämme frisches junges Gras ab, ein hellgrüner Teppich.
“Buschbrand?” fragte ich, der ich die wildesten Geschichten über mordsgefährliche Buschbrände und explodierende Baumkronen gelesen hatte.
“Nein”, lachte Greg, “das war ich. Wir haben das von den Aboriginals gelernt: an einem Tag, wo der Wind richtig steht, ein Streichholz hinein geworfen, fsssst! Das ganze trockene alte Zeug geht hoch und frisches Grün kann wachsen. Wenn man das zur richtigen Zeit und beim richtigen Wetter macht, dann hilft es, richtig böse Brände zu verhindern.”
“Und die Tiere?”
“Oh - die meisten kommen weg bei einem kleinen kontrollierten Brand. Sogar die Frösche. Du müsstest sie mal hüpfen sehen! Die klettern einfach ein Stück in die Bäume hoch und warten ab. Und hinterher kommen die Emus und die Kängurus und fressen sich an dem frischen Gras satt.”
Er hielt den Wagen an und stellte den Motor aus.
“Das ist die Stelle. Da drüben, bei den Felsen, da sind sie immer um die Zeit, dösen, solange es heiß ist.”
Wir stiegen aus und schlichen langsam und geduckt auf eine Gruppe von Riesen-Findlingen zu, die am Fuß eines glatzenhaft abgerundeten Felsens lagen.
Als ich auf einen trockenen Ast trat, zischte mein Guide mich an. Vorsichtiger kletterte ich hinter ihm her die glatten Steine hinauf. Oben, auf gleicher Höhe mit den Baumkronen , legten wir uns flach auf den Bauch.
Die harten Eukalyptusblätter rieben trocken gegeneinander, und von weitem war wieder das irrsinnige Gelächter eines Kookaburra zu hören. Lichtflecken tanzten vor meinen Augen und ich sog tief und genüsslich den würzigen Geruch der Myrrhensträucher ein.
Und dann sah ich sie: eine ganze Gruppe, fünf oder sechs von ihnen, graubraun, aber viel kleiner als die Kängurus, die ich bisher gesehen hatte. Es waren Felsenkängurus, rockwallabies, die ich dann eigentlich noch hübscher fand als ihre großen Verwandten. Sie stinken nicht so und haben große feuchte Rehaugen - Bambi auf australisch. Eines kaute träge und mit halbgeschlossenen Augen, eines verlagerte sein Gewicht auf seinen muskulösen Schwanz, richtete sich auf und schnupperte prüfend, konnte uns aber nicht wahrnehmen.
Als wir uns aufrichteten, hopsten sie zwar los, schienen uns aber nicht recht ernst zu nehmen: nach zwanzig Metern hielten sie an und sahen sich nach uns um. Als sie sich vergewissert hatten, dass wir keine Anstalten machten, hinterherzukommen, kauerten sie sich wieder hin und setzten ihren Mittagsschlaf fort.
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