„Ach was, ich bin einfach froh, dass du da bist.“
„Das hast du aber lieb gesagt.“
Leetha setzte sich hin und sah ihrer Freundin zu, wie sie gemächlich ihre Badesachen auspackte.
„Musst du dich noch umziehen?“
„Nein ich habe meinen Bikini unten drunter.“
„Mmh … sag mal Anja, fällt dir nicht etwas auf?“
Anja sah verwundert auf und überlegte ein paar Minuten, schüttelte dann jedoch ihren blonden Lockenkopf.
„Nein, wieso? Was denn?“
„Fällt dir denn wirklich gar nichts auf?“
„Nein, tut mir leid. Könntest du mich jetzt endlich mal aufklären?“
Leetha schaute Anja entgeistert an, doch die meinte es ernst.
„Es ist so gespenstisch still! Wir haben bombenmäßiges Wetter, müsste das Freibad nicht brechend voll um diese Uhrzeit sein?“
Anjas Augen weiteten sich und sie schien endlich begriffen zu haben. Schnell wirbelte sie herum, sodass ihre Locken wild hin und her wogen.
„Du hast recht … aber was soll’s! Umso besser für uns beide.“
Schwungvoll stand sie auf und streckte sich genüsslich. Leetha hingegen blieb sitzen und musterte sie von unten.
„Steh schon auf. Lass uns schwimmen gehen, bevor ich hier noch schmelze.“
Auffordernd streckte sie ihrer Freundin die Hand entgegen, die diese nach kurzem Überlegen ergriff.
„Stört dich das denn gar nicht? Findest du es nicht irgendwie … unheimlich?“
„Machst du Witze? Klar ist es außergewöhnlich, doch wo ist dein Optimismus? Wir haben das gesamte Freibad für uns und es ist astreines Wetter! Besser kann es doch gar nicht werden.“
„Na, wenn du meinst …“
„Natürlich meine ich und jetzt lass uns endlich ins Wasser springen, bevor es sich die Leute doch noch anders überlegen und das Freibad stürmen!“
Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte Anja los.
Fassungslos starrten die Freundinnen auf das sieben Quadratmeter große runde Becken, in dem sich etliche Goldfische wie Farbkleckse tummelten.
„Was … was ist das denn?“
„Keine Ahnung, aber letzte Woche war das Becken noch nicht da“, antwortete Anja und konnte den Blick nicht abwenden.
„Wie schnell kann man denn ein neues Becken bauen? In einer Woche bestimmt nicht. Bist du sicher, dass du es nicht übersehen hast?“
„Ich bitte dich, wie sollte ich das denn übersehen haben?“
Anja deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Fische, während Leetha leicht fröstelnd, trotz der Hitze, die Arme um ihren Körper schlang.
„Meinst du, die beißen?“
„Keine Ahnung.“ Anja zuckte mit den Schultern.
„Sowas kann doch nicht gesund sein. Wie kommt man nur auf eine derartige Idee? Ob das wirklich Absicht ist?“
„Also bitte, wie sollen die denn sonst reingekommen sein? Mit dem Wind wurden sie jedenfalls nicht hier her geweht.“
Anja schnalzte mit der Zunge und stieg dann entschlossen in das dubiose Wasserbecken.
„Was machst du denn da?“, rief Leetha entsetzt aus und tastete automatisch nach dem Arm ihrer Freundin. Die lachte und befreite sich aus dem Griff.
„Nach was sieht es denn aus? Wir sind in einem Freibad. Dies ist ein neues Wasserbecken, es ist irre heiß und ich möchte endlich ins Wasser.“
„Ja, aber da … da …“
„Jetzt mach dir nicht ins Hemd wegen ein paar winzigen Goldfischchen. Die sind doch süß.“
„Schon, im Aquarium, aber nicht im Schwimmbad!“
„Wie du meinst, ich probiere es jetzt aus.“
Mit einem entschiedenen Nicken ließ sich Anja ins Wasser gleiten und genoss das kühle Nass. Mit einem erfreuten Quieken setzte sie sich auf die Erhöhung am Rand, sodass sie bis zum Hals im Wasser saß. Ein Schwarm neugieriger Fische näherte sich ihr und umschwärmte sie vorsichtig. Fasziniert beobachtete Leetha die Szene und wartete auf eine Reaktion von Anja, die seelenruhig in dem Becken saß und die Fische um sich herum betrachtete. Als nach drei Minuten noch immer kein abwertender Ausruf von Anja gekommen war, fasste Leetha Mut und stieg achtsam neben ihre Freundin in das Becken.
„Na also, geht doch. Siehst du, dass ist gar nicht schlimm. Ich finde es sogar richtig cool“, sprach Anja ihr gut zu. Leetha nickte leicht, traute sich jedoch nicht, etwas zu sagen. Sie wollte die Zierfische nicht erschrecken – letztendlich bissen sie vielleicht doch.
Anja gab ihr noch ein paar Minuten, in denen sie einfach genüsslich die Augen schloss und die Situation sacken ließ. Leetha begann schließlich, sich an die kleinen Mitnutzer des Beckens zu gewöhnen, aber richtig Gefallen daran finden konnte sie nicht. Überhaupt kam ihr die ganze Situation so unwirklich vor, fast so, als würde sie träumen.
„Und, wie isses?“
„Ganz okay, denke ich.“
„Also, dann … was war denn heute Morgen mit dir los? Kanntest du die Frau?“
Leetha sah ihrer Freundin für einen Moment, irritiert über den plötzlichen Themawechsel, ins Gesicht. Dann musste sie leicht lächeln. Das war typisch Anja. Von einem Thema zum nächsten ohne Vorwarnung und Übergang.
„Nicht direkt …“
„Wie nicht direkt? Jetzt sprich schon Klartext mit mir bevor ich vor Neugier vergehe.“
Anja gab Leetha einen auffordernden Stoß in die Seite und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. Ihre Freundin holte tief Luft und beschloss lieber gleich mit der Wahrheit herauszurücken, auch wenn die noch so verrückt klang.
„Ich habe von ihr geträumt.“
„Wie jetzt? Ist das dein Ernst?“
Anja schaute sie verdutzt an und es war offensichtlich, dass sie ihr nicht glaubte. Sie seufzte leise auf und fuhr dann einfach mit ihrer Erklärung fort.
„Ich habe schon längere Zeit Albträume und immer wieder sterben darin junge Frauen mit dem Namen Maria. Jedes Mal werden sie von einem unheimlichen Mann umgebracht und dieses Mal … sie ist wirklich tot!“
Für einen Moment herrschte eine seltsame Stille. Anja beobachtete ihre Freundin und wartete darauf, dass die lachte und zugab, sie zu veräppeln. Jedoch geschah dies nicht. Irritiert runzelte sie ihre Stirn.
„Träume können nicht wahr werden. Nicht in dieser Form.“
„Das dachte ich bisher auch, aber wie erklärst du dir das dann?“
„Bist du sicher, dass es dieselbe Frau wie aus deinem Traum war? Vielleicht bildest du dir das nur ein. Ich meine, es war ein Traum. Den vergisst man meistens, wenn man aufwacht. Du kannst dich bestimmt nicht mehr an alle Details erinnern.“
„Du meinst also, ich spinne?“
„Nein, nein, das habe ich nicht gesagt. Jetzt versteh das doch nicht gleich wieder falsch. Ich kann gut nachvollziehen, dass du geschockt bist und so.“
„Aber?“
„Was, aber?“
„Es hört sich so nach einem aber an.“
„Nein, kein aber.“
Sie schwiegen für einige Sekunden und es herrschte eine angespannte Stimmung. Leetha wusste nicht, ob Anja sie tatsächlich ernst nahm. Auch ein Seitenblick auf ihre Freundin half ihr nicht dabei, sie einzuschätzen.
„Und wie sah er aus? War er heiß?“
„Wie bitte?“
„Na der Mörder? Macht er was her?“
Leetha blickte entgeistert in Anjas grinsendes Gesicht. Wut stieg in ihr hoch wie Feuer in einem Heizkessel.
„Ich finde das nicht lustig! Wie kannst du darüber Scherze machen?“
„Oh Manno, jetzt komm mal wieder runter. Den Mist glaubst du doch selbst nicht, den du mir da gerade auftischst.“
Leethas Kinnladen klappte herunter und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Entschlossen stand sie auf und funkelte böse auf Anja herab.
„Manchmal bist du echt zum kotzen! Wenn du mir nicht glaubst ist das eine Sache, doch lustig brauchst du dich echt nicht über mich machen!“
„Ach du Schande. Bitte, dann sei halt sauer. Sag mir Bescheid, wenn du wieder normal tickst. Ist ja echt nicht auszuhalten! Ich wollt dir helfen, Mädel. Und du? Du zickst hier rum!“
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