1 ...6 7 8 10 11 12 ...28 Und bis dahin denke ich, sollten wir uns jetzt vielleicht mal die beiden Videos anschauen, deren Wahrheitsgehalt Sie, Herr Minister Tian – genauso, wie Ihr russischer Kollege ja offenbar bezweifeln. Ich schlage daher vor, dass wir nach den beiden Filmen eine Pause einlegen und das Ergebnis des MIT abwarten. Und übermorgen können Sie uns dann ja mitteilen, zu welchem Ergebnis Ihre eigenen Wissenschaftler gekommen sind.“
Damit startete der hinzugeeilte Oskar 5 auf den Wink des inzwischen von seiner Jacke und aller Rangabzeichen entblößten Admirals die erste, nur wenige Minuten dauernde Videosequenz, die mit einer ins Englische übersetzten Tonspur unterlegt war und die aus dem besagten, in der Schlacht vernichteten phaetonischen Schiff stammte.
„Das meine Damen und Herren, war nur ein kurzer Eindruck dessen, was sich damals in Ihrem Sonnensystem, das damals auch das meine war, tatsächlich abgespielt hat. Gefilmt von einer Fregatte meiner Raumflotte, die bis zu ihrer vollständigen Vernichtung mutig versuchte, die damals auf der Erde lebenden Menschen vor Schlimmerem zu bewahren“, erklärte Admiral Mero-Khan mit bitterer Stimme.
Übergangslos folgte das zweite Video, das aus den auf CERES geborgenen Datenbanken der Raumhafenkommandantur stammte, und das nicht nur die Aufzeichnung des verzweifelten Abwehrkampfs der damaligen Raumflotte, sondern darüber hinaus auch die durch Kernbrand herbeigeführte Zerstörung des Planeten PHAETON bis unmittelbar vor dessen Auseinanderbrechen zeigte.
Als die Videosequenz zu Ende war, erhob sich ein erneuter Tumult, der vorwiegend durch subalterne Vertreter der chinesischen und russischen Regierung sowie durch einige Diplomaten eines Teils der asiatischen Staaten initiiert worden war.
„Unglaublich! Betrüger! Lügner! Aberwitzige Behauptungen!“, waren nur ein paar der vernehmbaren, ziemlich abfälligen Worte, die jetzt, trotz der verzweifelten Beschwichtigungsbemühungen des UN-Generalsekretärs in den Saal gebrüllt wurden.
„So, jetzt reicht’s mir aber!“, rief in diesem Augenblick die von ihrem Besucherstuhl sichtlich erbost an das Rednerpult herangepreschte Mora Klausner-Kranz.
„Mir sind eure dämlichen taktisch-diplomatischen Spielchen und internationalen Macht-Techtelmechtel nämlich sowas von Wurscht! Das glaubt Ihr gar nicht! Wie idiotisch! – Und das geht gleichermaßen an die Adresse der am lautesten schreienden Delegationen – oh, ich vergaß – an die ‚Herren Exzellenzen’.
Wie überaus borniert muss man denn eigentlich sein, um dem bislang vorgelegten Beweismaterial nicht zu glauben? Ich bin eine wissenschaftlich ausgebildete Frau von der heutigen Erde und ich war bis vor kurzem noch Professorin der Archäologie an einer renommierten deutschen Universität.
Darüber hinaus war ich sowohl bei der Entdeckung des Raumhafenfragments auf CERES als auch bei der Bergung der Datenspeicher aus einem der damaligen phaetonischen Verteidigungsschiffe im Meteoritengürtel als Kommandantin des Explorerschiffs KUNTUR an vorderster Front dabei. Und jetzt sagen Sie mir bitte nochmal ins Gesicht, dass ich und meine irdische Besatzung Sie alle hier anlügen.“
Damit wandte sich Mora mit zornblitzenden Augen an den russischen Präsidenten. „Darf ich Sie vielleicht mal daran erinnern, dass wir Ihnen noch vor wenigen Wochen ein geklautes russisches Atom-U-Boot zurückgebracht haben, von dem aus Terroristen Europa mit Atomraketen beschießen wollten?“
Damit erhob Mora demonstrativ ihre ausgestreckten Arme und zeigte damit in die Runde der Versammlung. „Und darf ich Sie alle zudem daran erinnern, dass wir heute nicht hier säßen, wenn die, vor wenigen Tagen auf uns und ihre eigenen Botschafter abgefeuerte atomare Mittelstreckenrakete dieser islamistischen Terrorgruppe ‚Flammendes Schwert’ in Europa eingeschlagen wäre? Halten Sie aberwitzigerweise darüber hinaus auch die Bedrohung durch die Insektenrasse STYXX für ein Märchen?
Nun, Sie haben von dieser Gefahr für die Erde bisher nur über die Medien erfahren, aber wir haben draußen auf der UN-Plaza inzwischen zwei Wracks von Pyramidenschiffen der STYXX per Traktorstrahl zur Besichtigung absetzen lassen.
Sie haben soeben auch den Bericht des letzten kommandierenden Admirals der PHAETON-Raumstreitkräfte gehört. Mero-Khan und seine damalige Stellvertreterin, Kommodore Lara-Thar, haben sich als letzte Überlebende der PHAETON-Katastrophe – trotz der gerade in den Raum gerufenen Schmähungen – bereit erklärt, Ihren Delegationen ab morgen früh detailliertere Fragen zum damaligen Kampf mit den Invasoren bei den weiteren Beratungen im Expertenkreis zu beantworten.
Wenn Sie danach immer noch nicht glauben, was erwiesenermaßen Fakt ist, sind sie nicht nur überaus dumm, sondern Ihnen ist dann wohl auch nicht mehr zu helfen. Und dann werden wir Sie zudem im weiteren Fortgang nur noch schwerlich als potenzielle Verbündete berücksichtigen können.
Sorry, Erzherzogin, aber das musste mal gesagt werden – auch wenn ich damit vielleicht die an diesem Ort sonst übliche, fein ziselierte diplomatische Etikette verletzt haben sollte“, ergänzte Mora mit zornblitzenden Augen abschließend, ehe sie etwas freundlicher mit einer letzten Aufforderung fortfuhr:
„Und jetzt lade ich Sie alle, auch die bislang Ungläubigen, zur Besichtigung der beiden Pyramidenwracks draußen vor dem Gebäude ein.“
Von den einigermaßen irritiert blickenden Regierungsvertretern, überwand der russische Präsident Yuri Semjow das auch in Shira-Khors Gesicht erkennbare Erstaunen am Schnellsten. Und während Mora wegen ihres gerade absolvierten Auftritts noch von ihrem Ehemann Alex ausgeschimpft wurde, meldete er sich formell zu Wort.
„Exzellenzen, meine Damen und Herren – das war gerade ein unerwartet erfrischender Beitrag, der wahrscheinlich in der Geschichte dieses Hauses einmalig sein dürfte, weil er mal die Spinnweben des sonst üblichen diplomatischen Geplänkels beiseite gefegt hat.
Liebe Frau Professor Kranz, ich jedenfalls danke Ihnen für Ihre klare Ansage. Und ich danke natürlich auch Ihnen, Erzherzogin Shira, im Namen aller Nationen, dass Sie jetzt schon zum zweiten Mal einen weltweiten Nuklearkrieg verhindert haben.
Ich bin zwar von dem, was ich bisher gehört habe, noch immer nicht restlos überzeugt – aber ich verspreche Ihnen, dass wir Ihre Beweise unvoreingenommen prüfen lassen. Und wenn’s nach mir geht, sollten wir jetzt zur Tat schreiten und die erhitzten Gemüter draußen bei der Wrackbesichtigung ein wenig abkühlen.“
Als sich Yuri Semjow wieder hingesetzt hatte, herrschte erst einmal allgemeines Staunen über dessen unerwarteten Redebeitrag, ehe der amerikanische Präsident aufstand und seinem russischen Dauerkontrahenten lebhaft applaudierte.
„Na, dann wollen wir mal runter zur UN-Plaza gehen“, meinte der ebenfalls ein wenig aus der Fassung geratene UN-Generalsekretär Mansur-el-Rabat in diesem Moment, während die Sicherheitsbeamten im Hintergrund bereits die Türen zu den Treppen und Aufzügen öffneten.
Kurz darauf trafen sich die Regierungsdelegationen im Vorraum des UN-Gebäudes und spähten murmelnd und überrascht durch die hohen Fenster der Eingangshalle in Richtung der UN-Plaza, wo die 100 Meter hohen Überreste zweier STYXX-Schiffe inzwischen abgeladen worden waren.
Oskar 1 und seine Androidenkollegen teilten alle Anwesenden unverzüglich in Gruppen ein, mit denen sie nacheinander zur eingehenden Besichtigung der beiden Wracks aufbrachen.
Als eine ganze Stunde später auch der letzte Besucher die Wracks wieder verlassen hatte, wurde nur wenig gesprochen. Und man merkte, dass kaum jemand das gerade Gesehene wirklich fassen konnte. Insbesondere hatten die erhalten gebliebenen Überreste der Insektenbesatzungen allgemeine – und zum größten Teil auch erschrockene Aufmerksamkeit erregt.
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