Scheint sich dabei um eine dem Alt-Larojanischen ziemlich nah verwandte Sprache zu handeln – das ist in der Tat äußerst rätselhaft. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – sollte es nicht allzu lange dauern, diesen unverschlüsselt gesendeten Spruch zu enträtseln.
Moment, ich glaube, unser Hauptrechner hat’s geschafft. Ja, das ist eindeutig ein Notruf. Spitzt alle mal die Ohren. Das hört sich wirklich ziemlich seltsam an.“
Wenige Sekunden später übertrug die KHERA die von der Pyramide in einer Wiederholungsschleife in Richtung des Planeten Erde ausgestrahlte Botschaft.
„Raumkreuzer CHRONOS an die erhabenen Herrscher von KERNET auf TERRA. Hier spricht Kommandant Hor-Ench-Amun vom Volk der Horusianer. Wir sind in Not.
Bitte gestattet uns, so wie in den Vorzeiten, bei euch im ‚Schwarzen Land’ zu landen. Wir wurden angegriffen und benötigen zur Reparatur unseres beschädigten Schiffs dringend eure Hilfe, erhabener Pharao.“
„Alle Schiffe Stopp“, befahl Flottenchef Kendo-Khar in diesem Moment, als er die schockierte Sprachlosigkeit der anwesenden Staatschefs und Diplomaten bemerkte.
„Wir brauchen jetzt Ihre Mithilfe“, wandte er sich sogleich an sein Publikum. „Kann jemand von Ihnen etwas mit den Begriffen in dieser rätselhaften Botschaft anfangen?“
Doch noch ehe jemand aus dem noch immer völlig perplexen Auditorium antworten konnte, meldete sich erneut Mora Kranz von Bord der THERRA-X.
„Kendo, ich glaube, dass ich einen Teil des Funkspruchs dieses CHRONOS-Raumkreuzers erklären kann. Als ehemalige Archäologieprofessorin habe ich dazu mehrere Anhaltspunkte.
Der Name ‚Kernet’ in Verbindung mit dem Begriff ‚Schwarzes Land’ und die Anrede des vermeintlichen Herrschers mit ‚Pharao’ deutet auf das alte Ägypten als Zieladresse dieser Botschaft hin.
Das ‚Schwarze Land’ bzw. ‚Kernet’ war nämlich der Begriff für den schwarzen Boden, die nach den jährlichen Überschwemmungen im Umland des Nils die Grundlage für die Fruchtbarkeit dieser Gegend schuf.
Für meine Annahme spricht auch der Volksname ‚Horusianer’. HORUS bezeichnet im altägyptischen einen Sonnengott, dessen Name neusprachlich auch mit ‚Der Ferne’ übersetzt wird.
Und die altägyptischen Pharaonen wurden seinerzeit mit ihm gleichgesetzt, weil sie ja dem damaligen Volksglauben nach, direkte Abkömmlinge des später auch mit dem Namen ‚RA’ bezeichneten Sonnengotts waren.
Und da die Besatzung der CHRONOS um Landeerlaubnis in gerade diesem Gebiet bittet, in dem auch die ägyptischen Pyramiden stehen, scheint es so, als ob der Schiffskommandant einen ihm anscheinend bekannten Platz anfliegen will.“
„Willst du damit sagen, dass dieses Schiff von Außerirdischen geflogen wird, die in der Vergangenheit schon des Öfteren Kontakt zur Erde hatten?
Denn woher sollten sie sonst den von den alten Römern erfundenen lateinischen Namen ‚TERRA’ kennen?“, warf Großfürst Kendo-Khar in diesem Moment ein.
„Das hatte ich noch gar nicht zu Ende überlegt – aber ja, ich denke, dass du damit Recht haben könntest, Kendo“, erwiderte Mora spontan.
„Okay – alle Schiffe haben mitgehört. Mora, wie ich sehe, steht ihr mit der THERRA-X inzwischen hinreichend nahe bei dem Eindringling. Also enttarnt euch und ruft die anfliegende Pyramide an. Sendet eine Grußbotschaft und fragt, wie wir ihnen helfen können.
An alle übrigen Schiffskommandeure: Ihr fliegt weiter getarnt und bleibt abwehrbereit, damit wir keine Überraschung erleben. Also passt auf und hört den Funkverkehr zwischen der THERRA-X und dieser Pyramide mit.“
Wenige Augenblicke enttarnte sich die riesige THERRA-X unmittelbar vor der Pyramide und antwortete der CHRONOS über das in aller Eile programmierte Übersetzungsmodul.
„CHRONOS, wir hören Sie. Hier ist das larojanisch-terrestrische Raumschiff THERRA-X. Ich bin die derzeit stellvertretende Kommandantin, Fürstin Mora Kranz. Welcher Art ist Ihre Notlage und wie können wir Ihnen helfen?“
„Den Göttern von TARES sei Dank, Fürstin Mora. Sie gehören sicher dem Hochadel von Kernet an. Vielen Dank, dass Sie uns zur Hilfe eilen, Durchlaucht. Auch sind wir froh, dass Ihr Volk nach so langer Zeit endlich wieder den Raumflug beherrscht. Ich kann Ihr Schiff mittlerweile orten und schalte jetzt auf Bildkommunikation um. Können Sie unsere Übertragung empfangen?“
„Was denkt sich der Knilch eigentlich?“, schnauzte Mora sogleich. „Glaubt er etwa, er hat hier einen rostigen Kahn aus dem alten Ägypten vor sich? Wir sind fast doppelt so groß, wie er und unser Schiff funktioniert, ganz im Gegensatz zu seinem torkelnden Eimer, überaus prächtig!“
Mit einem Blick auf den stirnrunzelnden Alex besann sie sich aber sofort eines Besseren und antwortete einigermaßen höflich: „THERRA-X an den horusianischen Raumkreuzer CHRONOS. Ja, ich denke, dass wir das hinbekommen – ich schalte jetzt unsere Bildsprechverbindung ein.“
Was kurz darauf auf den in Konferenz geschalteten Bildschirmen zu sehen war, überraschte alle Zuschauer dieser Videoübertragung.
Das Bild von der Brücke der CHRONOS zeigte nämlich vier silbergrau uniformierte, ziemlich stämmig gebaute Personen, die sich nur durch ihre gedrungene Statur sowie ihre tiefbronzene Hautfarbe und ihre blauschwarz schimmernden Haare von einem auf der Erde geborenen Menschen unterschieden.
„Ich bin Hor-Ench-Amun, der Kapitän dieses Schiffs“, stellte sich der in der Mitte stehende Kommandant der CHRONOS in diesem Augenblick vor.
„Und neben mir stehen mein erster Offizier, Chephren-Raneb, mein Funk- und Navigationsoffizier Votan-Nur sowie seine Schwester Huni-Nur, unsere Bordingenieurin.
Wir haben, einschließlich meiner Besatzung, über 1.000 Frauen und Männer an Bord und wir kommen von LUXOR, einem rund 1.400 Lichtjahre entfernten Sonnensystem, das im von Euch so genannten Sternbild Schwan liegt.
Unser Heimatplanet LUXOR 2 wurde vor wenigen Tagen von grausamen Aggressoren überfallen, die bereits vor vielen Millionen Jahren unsere Urväter aus deren damaliger Heimat LUXORIA vertrieben haben.“
„Entschuldige, dass ich dich unterbreche, Kapitän Hor. Kannst du uns sagen, wie diese Angreifer ausgesehen haben?“, fragte Mora mit einem spontanen Zwischenruf.
„Ja natürlich, denn das Bild dieser verbrecherischen Insektenrasse kennt bei uns jedes Kind. Sie selbst nennen sich STYXX und sie ziehen in kleineren Horden raubend und mordend durch unsere Milchstraße und die benachbarten Galaxien.
Ursprünglich kommen sie aus der Nachbargalaxis, die Ihr auf TERRA ‚ANDROMEDA’ nennt. Und dort lag auch LUXORIA, die Heimat unserer Ahnen, die von den STYXX schon vor sehr langer Zeit überfallen und ausgeraubt wurde und von wo aus nur wenige von uns zurück in die heimatliche Milchstraße nach LUXOR 2 fliehen konnten.“
„Achtung CHRONOS, hier spricht der Oberbefehlshaber des dich anfliegenden Schiffs. Ich bin Großfürst Kendo-Khar von LARO 5 und ich befinde mich derzeit auf TERRA. Ich habe soeben mit unseren terranischen Partnern gesprochen und weise euch jetzt einen Landeplatz auf dem nordamerikanischen Kontinent zu.
Folgt der in eurer Nähe befindlichen THERRA-X. Sie wird euch zur Edwards Air Force Base in Kalifornien leiten. Dort gibt es einen ausgetrockneten See, der ausreichend Platz für die Landung eures großen Schiffs bietet.
Benötigt ihr darüber hinaus noch weitere Hilfe? Wir beobachten nämlich, dass ihr anscheinend Antriebs- und Navigationsprobleme habt und könnten euch von der THERRA-X aus mit Traktorstrahlern bei der Landung unterstützen.“
„Dafür wären wir sehr dankbar, Großfürst Kendo. Unser Unterlichtantrieb wurde bei unserer Flucht offenbar beschädigt“, erwiderte Kapitän Hor-Ench-Amun höflich. „Aber warum lassen Eure Exzellenz uns nicht bei den Pyramiden des Pharaos landen?“
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