Dabei hatte er mit den Kriegen gar nichts zu tun. Er liebte es, wenn sich Menschen selbst im Wege standen, oder etwas zerstörten, aber Krieg war nicht sein Ding. Auch wenn die Menschen zu gerne Wörter wie Höllenqualen oder Höllenpein benutzten, so hatte von denen keiner eine Ahnung, wie es bei ihm wirklich zuging. Er mochte Intrigen, kleine Streitereien und sicher Qualen, wenn sich die weiblichen Dämoninnen unter ihm bewegten und ihre Lust hinaus schrien. Aber die Qualen, die die Menschen meinten, die gab es nur auf Erden. Das war hausgemacht.
Warum sich daher die Schnepfe da oben so aufregte, wenn er sich ein wenig einmischte, konnte Luzifer nicht verstehen. Die Unzufriedenheit war ganz allein auf deren Mist gewachsen. Damit hatte er nichts zu tun. Es wurde Zeit, dass er sich einmal wieder in die Menschenwelt begab und sich umschaute, was sich alles in den letzten Jahren so verändert hatte.
Luzifer trat vor den Spiegel und musterte sein Äußeres. Er musste immer wieder schmunzeln, wenn er Beschreibungen seines Aussehens mitbekam, die Hörner, Klauen, scharfe Zähne und fratzenartige Gesichter enthielten. Wenn er in den Spiegel schaute, blickte ihm stattdessen ein höchst attraktiver Mann Anfang 30 mit wuscheligen dunkelbraunen Haaren, einem Dreitagebart und braunen Augen entgegen. Würde er kein schwarzes Hemd und Jackett anhaben, würde man einen durchtrainierten Körper sehen. Muskeln an den richtigen Stellen, nicht übertrieben, sondern wohl dosiert.
Er hielt nichts davon, sein Aussehen zu verunstalten oder sich hässlich zu machen. Was sollte das bringen? Er wollte beim Sex sicher nicht seine Gespielin mit den Hörnern aufspießen oder mit einem hässlichen Gesicht verschrecken. Er wiederholte sich nicht gern, aber ja, die Menschen waren wirklich primitiv.
»Herr«, sein Diener kam wieder angekrochen. Noch nie hatte er ihm ein Leid zugefügt und doch zwang es Barofan jedes Mal in die Knie, wenn er vor Luzifer stand. »Ich habe Ihnen im Four Seasons das Ty-Warner-Penthouse gebucht.«
Luzifer zog die Augenbrauen hoch. »Warum nicht im Baccarat Hotel?«
»Sir, Sie wünschen immer, in der teuersten Suite zu residieren, wenn es Sie wieder einmal auf die Erde zieht, obwohl Sie da …«
»Schluss mit dem Geschwätz. Ich hoffe, wenigstens am Fortbewegungsmittel hat sich nichts geändert!«
»Nein Sir, die Limousine steht schon bereit und das Gepäck ist verstaut.«
»Verändere dein Aussehen, du kommst mit.«
Gehässig grinste Luzifer ihn an, als Barofan nach Luft schnappte. Er wusste, dass er seinem Diener gerade das Schlimmste antat, das er nur konnte. Barofan durfte sich keinem seiner Befehle widersetzen. Gleichzeitig war er aber von denen da oben wegen irgendwelchen lächerlichen Kleinigkeiten für 500 Jahre in die Hölle verbannt und es war ihm untersagt, einen Fuß auf die Erde zu setzen.
Da aber auch Luzifer eigentlich dort nicht hindurfte, machte es nichts aus, wenn er gleich noch ein paar Vereinbarungen, Regeln, oder wie auch immer die Hellsten da oben es nennen wollten, mehr brach.
»Mach schon und trödle nicht. Ich möchte endlich die Erde mit ihren minderbemittelten Bewohnern wieder mit eigenen Augen sehen. Außerdem muss ich dringend wieder eine Menschenfrau haben. Ich bin doch sehr erstaunt, wie ausdauernd sie sein können. Das hätte ich nicht vermutet.«
Wobei, wie ging dieser Menschenspruch? Irgendetwas mit dumm vögelt gut ? Außerdem würde er mal den Menschenmännern zeigen, wie es richtig ging. Da waren die acht Mal, die dieser Cop das Kindermädchen zum Schreien gebracht hatte, ein Witz. Er würde es genießen, Tage mit einem dieser weiblichen Wesen im Bett zu verbringen. Und er wäre ganz sicher nicht so blöd und würde seinen Samen weitergeben. Somit war es eigentlich kein Wunder, dass die Menschen so geworden waren, wenn sie von Wesen erschaffen worden waren, die nicht viel schlauer waren.
»Wir können, Herr.«
Luzifer löste sich von seinen Gedanken und musterte seinen Diener. Dann schüttelte er seufzend den Kopf. Der kleine Wicht hatte eindeutig zu oft die falschen irdischen Filme geschaut. Warum hatte er sich nicht in Alfred, den Butler von Batman, verwandeln können? Nein, es musste Quasimodo sein und wahrscheinlich würde ihn sogar eine wunderhübsche Menschenfrau von seinem Leiden befreien.
So wie die Männer dort auf Frauentränen und deren Körper reagierten, schienen die Frauen magisch von leidenden und hilfebedürftigen Männern angezogen. Dies galt es zu erforschen, damit er endlich seine Intrigen besser einsetzen und diesem kleinen Engelchen einen Strich durch die Rechnung machen konnte. Ein Hochgefühl machte sich in ihm breit. Oh ja, er würde es ihr eindeutig zeigen, wie gut er war.
»Dann wollen wir mal die Hölle auf Erden verbreiten«, lachte Luzifer und Barofan zog noch ein wenig mehr den Kopf ein.
Angelique- Ein Engel auf Erden
Ein leises Knacksen ertönte aus dem Lautsprecher. »Der Engel mit der Nummer 238874 wird gebeten, sich in Halle 1 zu melden, der Engel mit der Nummer 238874 bitte!« Erneut knackste es und Angelique seufzte.
Wie, um sich zu vergewissern, blickte sie auf das kleine Schildchen, das sie wie jeden Morgen an ihrer Bluse befestigt hatte – obwohl sie wusste, was sie dort lesen würde. ›Angelique, Personalnummer 238874‹ stand in großen Lettern auf diesem. Seufzend erhob sie sich.
In Gedanken ging sie durch, was sie heute gemacht hatte, und was jetzt dazu führen konnte, dass man sie in Halle 1 rief. In dieser Halle saß Gabriel, einer der neun Erzengel, und wenn man zu ihm gerufen wurde, konnte man sicher sein, etwas wirklich Übles ausgefressen zu haben.
Gemächlichen Schrittes schlenderte sie die Allee entlang, an deren Ende sich der Weg in mehrere neue aufteilte, und über den sie zu den Hallen gelangen würde. Wieder knackte es in den Lautsprechern. »Engel 238874, heute noch!«, erklang es und Angel zuckte schuldbewusst zusammen.
»Jaja, ein Engel ist doch kein D-Zug!«, murrte sie leise, legte aber einen Zahn zu. Wenn Gabriel rief, ließ man ihn nur warten, wenn es einen triftigen Grund dafür gab. Und den hatte sie eindeutig nicht. Kurz danach erreichte sie die Tore von Halle 1 und atmete ein letztes Mal tief durch, bevor sie ein Lächeln aufsetzte und nach einem Klopfen eintrat.
Gabriel saß auf einem breiten Stuhl mit kopfhoher Lehne, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihr finster entgegen. Sein Schreibtisch war, im Vergleich zu ihrem eigenen, sehr aufgeräumt, nur ein einziger Aktenordner lag auf diesem. »Erzengel, du hast nach mir gerufen?«, lächelte Angelique ihn an und die Falte zwischen seinen Augenbrauen wurde noch ein wenig tiefer.
»In der Tat!«, knurrte er sie an. »Hast du mir was zu sagen?«
Sie schüttelte leicht den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste!«
Wortlos deutete Gabriel auf den kleinen Zimmerbrunnen, der neben ihm stand und sie trat näher. »Oh, der ist aber hübsch!«
»Engel 238874 – sehe ich so aus, als wäre ich zu Späßen aufgelegt?«, donnerte ihr Gabriel entgegen und Angelique zog den Kopf zwischen ihre Schultern.
»Im Moment gerade nicht ist vermutlich die falsche Antwort?«, murmelte sie.
Der Todesblick, den sie jetzt zugeworfen bekam, ließ ihr jeden weiteren Scherz im Hals stecken bleiben. Beschwichtigend hob sie beide Hände. »Schon kapiert, bin still. Wo liegt denn jetzt das Problem?«
»Schau dir den Brunnen an.«
»Also, Gabriel. Ich dachte, ich habe etwas ausgefressen. Ich weiß nicht, ob ich dann jetzt wirklich ...«
»Sieh! In! Den! Brunnen! Angelique!«
Hastig warf sie einen Blick auf das Wasser. Kleine Blasen stiegen aus ihm auf, wurden langsam immer größer und zerplatzten dann schließlich an der Oberfläche. Nachdem sich das Brodeln beruhigt hatte, erschien auf der Wasseroberfläche ein Bild. Angelique sah einen riesengroßen Gebäudekomplex mit verspiegelten Fenstern vor sich. Dann wechselte das Szenario und zeigte einen Raum im Inneren, offenbar eines der Appartements in diesem Haus.
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