1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 „Hi Josh, wie geht’s?“
„Du sollst ins Büro kommen, sofort.“
„Das habe ich verstanden.“
Er wartete einen Moment aber die Leitung blieb stumm.
„Brennt das Haus, oder was ist los?“
„Es sind ein paar Männer hier, die dich sehen wollen, jetzt.“
Joshuas Stimme klang seltsam nachdrücklich.
„Für heute Nachmittag habe ich keine Termine gemacht.“
„Eddie, ich sage dir, du sollst jetzt ins Büro kommen. Hier sind Leute die mit dir sprechen wollen, jetzt!“
„Leute, Joshua? Ich dachte du sagtest Männer. Was nun? Weißt du, das ist ein ziemlicher Unterschied und vielleicht ausschlaggebend für meine Entscheidung ins Büro zu kommen oder nicht, weil – “
„Männer, Leute,… Eddie, hör‘ jetzt sofort auf mit dem Scheiß und komm hier her!“ Die Leitung war tot.
Eddie erwartete, Joshua gefesselt und geknebelt auf seinem Stuhl vorzufinden, als er einige Minuten später das Vorzimmer seiner Kanzlei betrat, aber alles sah aus wie immer. Joshua nickte in Richtung der geschlossenen Tür von Eddies Büro und wandte sich wieder seinem Computer zu wie er es immer tat. Wortlos durchquerte Eddie den Raum und öffnete die Tür zu seinem Büro.
Dort wartete bereits ein in der Tat beeindruckendes Empfangskomitee auf ihn. Drei Männer und eine Frau brachten Eddies kleines Büro an die Grenze seiner Kapazität. Er hatte nur zwei einfache Besucherstühle, auf denen einer der Männer und die Frau Platz genommen hatten. Die beiden anderen lehnten an der Wand. Der gelangweilte und etwas verächtliche Gesichtsausdruck, den alle vier gemeinsam hatten, wies sie eindeutig als Polizisten aus, zumindest für jemand wie Eddie, der tagtäglich mit den Gesetzeshütern zu tun hatte.
Eddie fragte sich, was dieses massive Aufgebot an Staatsmacht in seinem Büro bedeuten könnte und versuchte seine Autorität zu demonstrieren, indem er sich ruhig und ohne Hast hinter seinem Schreibtisch in Position brachte. Niemand sagte ein Wort, Eddie studierte die Männer und die Frau und wartete darauf, dass etwas geschah.
Den Chef der Abordnung hatte Eddie sofort ausgemacht. Der Mann auf dem Stuhl trug denselben Anzug wie A-Hörnchen und B-Hörnchen, die an der Wand lehnten, aber er war um einiges älter und sein Gesicht strahlte eine unübersehbare Autorität aus. Mit seinen militärisch kurz geschnittenen Haaren, dem drahtigen Körper und der rahmenlosen Brille sah er aus wie ein pensionierter Astronaut, der jetzt einen Gebrauchtwagenhandel betrieb.
Die Frau neben ihm hatte kurz geschnittene blonde Haare und ein etwas rötliches Gesicht. Bestimmt irische Abstammung, aber gar nicht schlecht, für einen Cop zumindest. Dann bemerkte Eddie etwas wirklich Interessantes an der Frau mit dem rötlichen Teint. Mit ihren Brüsten hätte sie problemlos einen Güterzug zum Entgleisen bringen können.
Eddie erinnerte sich an eine Kommilitonin, die behauptet hatte, es sei eine Bürde, mit großen Brüsten zu leben. Die Männer würden Frauen mit wirklich großer Oberweite nicht ernst nehmen. Eddie hatte daraufhin versucht, sie zu trösten und ihr zu erklärt, wie falsch sie doch mit ihrer Meinung lag. Natürlich hätte er ihr alles erzählt, was seine Hände in ihre Bluse gebracht hätte. Jetzt fragte er sich, ob einer Frau so ein gewaltiger Vorbau tatsächlich in die Quere kommen könnte. Rein beruflich, natürlich.
Als sonst niemand das Schweigen brach fragte er schließlich „Was kann ich denn für die Kommissare tun?“
„Wir sind nicht von der Polizei, Mr. Dare.“ Der Mann auf dem Stuhl hatte gesprochen ohne seine Mine dabei zu verziehen.
Oh-Oh.
Er holte eine dünne schwarze Brieftasche aus der Innentasche seiner Jacke und legte sie aufgeklappt vor Eddie auf den Schreibtisch.
„Ich bin Agent Reidy, United States Secret Service“ Seine zwei Begleiter und die Frau stellte er durch leichte Kopfbewegungen vor, die so ökonomisch waren, dass es Eddie irgendwie unheimlich wurde. „Das sind die Agenten Booth, Evans und Sanchez.“
Reidy steckte seinen Ausweis wieder ein und musterte Eddie eindringlich. „Wissen sie, Dare, sie erinnern mich an jemanden.“
Oh Himmel, das jetzt nicht auch noch!
„Genau, sie sehen aus wie – “
Eddie hob abwehrend beide Hände, mit den Handflächen nach vorn.
„Ja, ja, sicher. Und draußen an der Schreibmaschine sitzt Julia Roberts.“ Eddie lächelte, sonst lächelte niemand im Raum.
„Wir untersuchen einen Vorfall, Mr. Dare“ sagte Agentin große Hupen mit einer Stimme, die wie eine Computeransage klang, „und wir denken, sie können uns dabei helfen.“
Eddie versuchte nach Kräften, ihr in die Augen zu blicken, als er antwortete
„Das ist ein interessanter Ausdruck.“
Reidy und seine Kollegin sahen einander kurz an.
„Was genau meinen sie, Mr. Dare?“ fragte die Agentin, wieder an Eddie gewandt.
„Vorfall. Ich meine den Begriff Vorfall.“
„Und was bitte schön finden sie daran so interessant?“
Eddie merkte, dass es ihm nicht gelang, die Konversation in die von ihm gewünschte Richtung zu lenken. Also machte er ein nettes unverbindliches Gesicht, hielt den Mund und wartete ab. Nach einem weiteren Blickwechsel zwischen den beiden Agenten übernahm Reidy wieder die Wortführung.
„Könnte es sein, dass sie bereits wissen, warum wir hier sind, Mr. Dare?“
Reidy war ein anderes Kaliber als Agentin große Hupen, dachte sich Eddie. Er wurde vorsichtig.
„Vielleicht sollten wir dieses Gespräch noch einmal von vorn beginnen.“ Eddie versuchte seiner Entschuldigung mit einem verbindlichen Lächeln den gebotenen Nachdruck zu verleihen. Keine Reaktion. Deshalb fuhr er fort „Nein, ich weiß nicht warum Sie hier sind. Vermutlich haben Sie Probleme mit irgendeinem meiner Klienten. Dann werde ich ihnen jetzt das Lied von der anwaltlichen Schweigepflicht vorsingen müssen, aber das kennen sie ja bereits. Ich könnte ihnen dann noch ein paar nette Sätze aus der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika zitieren und zum Abschluss wünschen wir uns alle gegenseitig noch einen schönen Tag.“
Reidys Augen verengten sich zu Schlitzen und er beugte sich ganz leicht vor.
„Sie sind ein sehr guter Redner, Mr. Dare. Ich frage mich, ob sie auch genauso gut zuhören können.“
„Das kann ich auch.“
„Sehr gut.“ Reidy nickte ernst. „Dann darf ich jetzt mal für ein paar Minuten um deine ungeteilte Aufmerksamkeit bitten, Eddie.“
Da ging er hin, der ‚Mr. Dare‘. Kein gutes Zeichen, wenn man die geballte Staatsmacht vor sich hatte.
„Ich höre.“
„Dann kommen wir jetzt endlich zur Sache.“ Reidy sah seine Kollegen an, nickte leicht mit dem Kopf und verzog den Mund zu einem Grinsen, etwa so, als hätte er etwas sehr lustiges von sich gegeben. Wie auf Kommando grinsten alle zurück. Danach richtete er sein ganzes Augenmerk wieder auf Eddie.
„Du warst bei der Marineinfantrie, Eddie, nicht wahr?“
„Wollten sie mir nicht sagen, worum es geht?“
Eddie war schon etliche Male vernommen worden, aber diese vier Komiker hielten sich einfach nicht an die Spielregeln.
„Du warst in Vietnam, 1975 im April?“
Eddie sah Reidy schweigend an, fest entschlossen die Sache auszusitzen.
„Ja. Im April 1975 warst du in Vietnam. In Saigon, um etwas präziser zu sein. So viel wissen wir.“
„Warum fragen sie mich dann?“
„Was waren deine Aufgaben?“
„Das wissen Sie doch sicher auch schon.“
„Wofür warst du zuständig?“
Allmählich ging dieser Reidy ihm gehörig auf die Nerven. „Ich habe bei den Barmädchen Abstriche genommen.“
Eine Gefühlsregung beim Agent große Hupen. Eddie hatte es genau gesehen. Nur ein leichtes Zucken um die Augen, mehr nicht. Reidy fuhr einfach fort.
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