Winnebago wollte etwas erwidern, doch Eddie stoppte ihn mit einer Handbewegung und fuhr fort.
„Überleg‘ doch mal. Erst schickt mir jemand diese Fotos. Dann, ein paar Tage später, tauchen diese Typen vom Secret Service in meinem Büro auf und fragen mich, was ich mit den 400 Millionen gemacht hätte, die ich in Saigon bewacht habe. Das kann doch kein Zufall sein. Und wenn es irgendwie zusammenhängt“ Eddie klopfte Winnebago mit der Hand auf die Schulter „dann gibt es außer dem Secret Service irgendwo da draußen noch jemanden, der glaubt, ich wüsste etwas darüber.“
Sie erreichten das andere Ende des Washington Square und Eddie steuerte auf eine leere Parkbank zu, von der aus sie einen guten Blick auf die Kirche hatten.
Dort saßen sie eine Weile lang schweigend nebeneinander. Winnebago massierte sich mit der Hand den Nacken, dann räusperte er sich.
„Was, wenn das gar nicht der Secret Service war, sondern dieselben Typen, die dir die Fotos geschickt haben?“
„Das war auch mein erster Gedanke, als diese vier Clowns in meinem Büro standen. Aber es ergibt keinen Sinn. Wieso sollte sich jemand erst die Mühe mit den Fotos machen, wenn er dann doch mit der Kavallerie bei mir anrückt?“ Eddie sah auf die Uhr. „Egal, vielleicht kann uns Wuntz noch einmal weiterhelfen. Er wollte um neun Uhr hier sein.“
„Bist du sicher, dass du mit ihm darüber reden willst, Eddie?“
Eddie sah Winnebago von der Seite an. „Seit wann bist du denn so misstrauisch?“
„Seit dem Moment, als ich diesen roten Kreis um meinen Kopf gesehen habe.“
Eddie erinnerte sich an Wuntz‘ Gesichtsausdruck, als sie sich über seinen Sohn unterhalten hatten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich nie Gedanken darüber gemacht, ob und wie sehr er Wuntz vertrauen würde. Darüber war er sich jetzt sicher, aber er hatte keine Ahnung, wie er das Winnebago erklären sollte. Also sagte er schließlich „Mach‘ dir keine Gedanken über Wuntz. Der ist okay.“
Eddie lieferte keine weiteren Erklärungen für seine Behauptung und Winnebago gab sich zufrieden mit der Antwort. Stattdessen stellte er seine eigenen Vermutungen an:
„Das ist doch alles Schwachsinn. Wie soll denn so viel Geld verschwinden? Das wiegt doch alles zusammen mindestens eine Tonne oder so. So was steckt doch keiner einfach in die Hosentasche und haut ab.“
„Um die zehn Tonnen.“
„Zehn Tonnen Geld ?“
Eddie nickte und Winnebago stieß einen leisen Pfiff aus. Jetzt erst schien ihm langsam klar zu werden, worum es hier eigentlich ging.“
„Das mit unserem alten Hauptmann ist ja richtig traurig“ begann Winnebago nach einer respektvollen Pause, „der hätte sicher eine Erklärung für all das gehabt.“
Eddie hatte versucht, möglichst wenig an Austin zu denken, aber das Bild, wie er dalag, mit verdrehtem Körper mit dem zertrümmerten Schädel in irgendeiner Gasse von Bangkok, es ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
„Sag mal, Eddie, du glaubst aber nicht, dass der Hauptmann wegen dieser Sache dran glauben musste.“
Eddie drehte sich ganz langsam zu Winnebago und blickte ihm fest in die Augen.
„Das“ sagte er, „hätte uns jetzt gerade noch gefehlt, nicht wahr?“ Winnebago wich Eddies Blick aus und sah in Richtung Kirche.
Ein schmutziger brauner Ford bog ein wenig links von ihrer Bank auf einen Behindertenparkplatz ein und machte zweimal kurz Lichthupe. Wuntz stieg aus, kam gemächlich auf sie zu und ließ sich neben Eddie auf die Bank fallen.
„Behindert bist du aber noch nicht, oder?“ fragte Eddie.
„Doch“ antwortete Wuntz freudig, „schwere Psychose.“
Wuntz blickte an Eddie vorbei auf Winnebago, zeigte mit dem Daumen auf ihn und fragte „Wer ist er denn?“
„Der zweite rote Kreis.“ erklärte Eddie.
Winnebago beugte sich ebenfalls vor und bot Wuntz die Hand an „Winnebago Jones.“
„Halbchinese oder sowas?“ fragte Wuntz als er ihm die Hand schüttelte.
„Amerikanischer Ureinwohner.“ antwortete Winnebago und Eddie sah ihn verwundert an.
„Dann lasst mal eure heißen Neuigkeiten hören“ sagte Wuntz, lehnte sich dabei zurück und verschränkte die Arme hinter dem Nacken. „Die Nacht rückt näher und ich muss nachher noch ein paar Nutten hochnehmen.“
Nun starrten sie zu dritt auf die beiden Türme der St. Peter and Pauls Cathedral vor ihnen, während Eddie seinem Bekannten die Geschichte von den vier Besuchern in seinem Büro in allen Einzelheiten erzählte.
„Das ist ja ein Hammer“ sagte Wuntz eine ganze Weile nachdem Eddie fertig war.
„Kannst du für uns herausfinden, wer genau diese Typen waren?“
„Du hast dir doch ihre Dienstmarken zeigen lassen. Waren die echt oder nicht?“
„Zumindest sahen sie echt aus.“
„Und du hast wirklich keine Ahnung von alldem?“
„Wuntz, habe ich dich jemals belogen?“
„Nein, wahrscheinlich nicht. Aber bisher haben wir auch noch nie über 400 Millionen Dollar gesprochen, oder?“
„Das machen wir jetzt auch nicht. Wir sprechen über vier Typen, die behaupten sie seien vom Secret Service und die denken ich wüsste, wo die 400 Millionen sein könnten. Weiß ich aber nicht.“
Wuntz sagte nichts. Nach einer Weile zog er das Telefon aus der Innentasche seiner Jacke, stand auf und ging tippend soweit von der Parkbank weg, bis er außer Hörweite war.
Winnebago steckte sich eine Camel an und Eddie streckte die Beine vor sich aus. Keiner der beiden sprach ein Wort während sie auf Wuntz warteten. Winnebago wollte sich gerade die nächste Zigarette anzünden, als der Polizist zurückkam.
„Rauchen ist in San Francisco mittlerweile fast überall verboten“ sagte er, als er sich wieder hinsetzte und das Telefon in seiner Jacke verstaute. Winnebago bot Wuntz eine Zigarette an und der der griff gern zu. Dann beugte er sich vor, damit Winnebago ihm mit seinem Zippo Feuer geben konnte. Er zog den Rauch tief ein und seufzte ein wenig beim Ausatmen.
„Deine Besucher sind tatsächlich vom Secret Service und jetzt halt Dich fest: Reidy ist der Leiter irgendeiner Sonderermittlungsgruppe beim Finanzministerium. Aber keiner scheint so genau zu wissen, was die da eigentlich treiben. Task Force Volare . Komischer Name. Genau wie Dean Martin schon gesungen hat:
Volare … oh oh
E contare … oh oh oh oh
No wonder my happy heart sings
Your love has…
Eine ältere mit Einkaufstüten bepackte Chinesin schlurfte an der Parkbank vorbei und warf einen verstohlenen Blick auf das seltsame Trio. Wuntz hielt inne.
„Voltaire, Wuntz“ sagte Eddie leise. „Nicht Volare. Die Task Force heißt Voltaire.“
„Vol-was bitte?“
„Himmel noch mal“ mischte Winnebago sich ein, der sich jetzt auf literarischem und somit sicherem Terrain wähnte. „Lest ihr Bullen denn gar nichts außer Micky-Maus-Heften? Voltaire war einer der meistgelesenen und einflussreichsten Autoren der französischen und europäischen Aufklärung.“
Wuntz sah ihn an. „Was mich betrifft, hat das mit der Aufklärung auch ohne die Franzosen ganz gut geklappt.“
Winnebago verdrehte die Augen und suchte bei Eddie nach Unterstützung. Der aber hatte von dem kleinen Wortgefecht seiner Freunde kaum etwas mitbekommen. Stattdessen saß er in gedankenversunken zwischen den beiden, kaute auf seiner Unterlippe und starrte in die Nacht. Das alles war ihm ziemlich unheimlich.
„Hör‘ mal“ sagte Wuntz. „Wenn du nichts von alldem weißt, Eddie, woher zum Teufel willst du dann wissen, das es Voltaire und nicht Volare ist?“
„Reidy hat es erwähnt. Er sagte, der Plan, das Geld aus Saigon heraus zu schaffen, bevor der Vietcong es in die Finger bekam, hieß Operation Voltaire .“
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