Anziehend, verboten und gefährlich
ROMAN
TIRA BEIGE
2. überarbeitete Auflage 2021
Copyright © 2020 Tira Beige
Verlag:
c/o AutorenServices.de
Birkenallee 24, 36037 Fulda
tira.beige@gmx.net
Umschlaggestaltung: Constanze Kramer
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Bildnachweis:
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Satz: Constanze Kramer
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Warnhinweis
Der nachfolgende Roman thematisiert an etlichen Stellen ernstzunehmende Themen: Mobbing, sexuelle Gewalt, psychische Störungen bzw. Depression sowie Suizid.
Dies könnten einige Leser/innen beunruhigend
oder verstörend finden. Lesen auf eigene Gefahr
und erst ab 18 Jahren.
Auf die Verwendung von Kondomen wird aus Gründen des Leseflusses verzichtet. Das heißt aber nicht, dass Tira Beige sie als bedeutungslos erachtet. Im Gegenteil: Kondome schützen vor ungewollter Schwangerschaft und vor anstreckenden Geschlechtskrankheiten.
Prolog
Mitschnitt aus der Vernehmung der Zeugin Alicia Heger
[…]
Polizist:
Wie bist du auf die ganze Sache aufmerksam geworden?
Alicia:
So wie jeder andere. Er brachte irgendwie bei dem Schulfest das Mikrofon an sich. Keine Ahnung, wie er Philipp aus der Zwölften überredet hat. Der achtet normalerweise immer darauf, dass er sich um die Technik allein kümmern darf.
Und dann stand er da, auf der Bühne. Er machte einerseits den Eindruck, als wisse er nicht so recht, wohin mit sich, aber seine Worte waren absolut klar. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, als er anfing zu sprechen. Wir wussten zuerst gar nicht, warum er da überhaupt stand, haben uns angesehen und gelacht. So wie wir uns öfter über ihn lustig gemacht haben.
Aber was danach kam, das schockierte uns alle! Und dann schauten wir nur noch auf sie.
Anziehend
»Machst du jetzt etwa einen auf Domina?«
»Du sahst gerade so aus, als würdest du darauf stehen …«
Rebeccas Fuß ruhte auf der Brust ihres Freundes, während ihr der warme Wasserdampf ins Gesicht schlug. Paul lag auf dem Rücken lang gestreckt in der Badewanne, lächelte süffisant und schaute an ihrem nackten, schlanken Körper hinauf. Ein letztes Mal kreuzten sich ihre Blicke, bevor Rebecca ihren Fuß anhob und aus der Badewanne stieg.
»Morgen werde ich wieder die Schüler dominieren«, sagte sie. Pauls Grinsen verzog sich zu einer spöttischen Grimasse. »Warum lachst du so boshaft?«, entfuhr es ihr.
»Mal sehen, wer wen dominieren wird«, amüsierte er sich.
»Idiot!«
Rebecca griff mit einer blitzartigen Bewegung zu ihrem flauschigen weißen Handtuch und trocknete sich ab.
»Ach komm schon, Beccy, war doch nicht so gemeint.« Was für ein unbesonnener Satz! Sie drehte sich demonstrativ weg. Reichte es nicht, dass sie selbst an sich zweifelte?
Vom Spiegel aus beobachtete sie, wie Pauls Blick von ihrem Oberkörper nach unten zu ihrem Po wanderte. Dann tauchte er, auf dem Rücken liegend, seinen Kopf in das warme Badewasser, um sich die Haare zu waschen.
Rebecca drehte sich um und warf einen letzten Blick in die Wanne, wobei ihr die langen braunen Haare gegen die Wange klatschten und eine feuchte Strähne dort kleben blieb.
Pauls untersetzter Oberkörper wippte bei jeder Bewegung, die er unter Wasser an seinem Kopf vollzog, leicht auf und ab. Vor sieben Jahren sah er noch besser aus. Ihre Liebe zu ihm auch.
Ihre trockenen Füße trugen Rebecca ins gegenüber vom Bad gelegene Schlafzimmer, wo sie sich ein frisch duftendes Nachthemd überwarf. Nichts konnte die Angst überdecken, der sie sich unweigerlich stellen musste, wenn sie morgen wieder die Schule betrat. Mal sehen, wer wen dominieren wird. Pauls lose daher gesprochenen Worte waren gar nicht so abwegig; machten sie Rebecca doch auf das Problem aufmerksam, wer die wirkliche Autorität im Klassenraum besaß. Sein unüberlegter Satz traf einen wunden Punkt in ihr, den sie am liebsten ausradiert hätte.
Im Vergleich zu den letzten zwei erholsamen Winterferienwochen löste der kleinste Gedanke an den Unterricht morgen und an den in den kommenden fünf Wochen bis zu den Osterferien Gruselgefühle in Rebecca aus. Sie sah schon jetzt die nervtötenden Siebtklässler, ihre unberechenbaren Achter und die langweiligen Oberstufenschüler aus Klasse 11 vor sich.
Rebecca verließ das Schlafzimmer und sank auf das Sofa in der Wohnstube nieder. »Oh man …«, flüsterte sie, als sie den Fernseher einschaltete, kein passendes Abendprogramm fand und wahllos durch die Fernsehkanäle zappte. Den Ellenbogen legte sie auf der Lehne ab und stützte den Kopf schwer lastend in die Handfläche.
Nach zweimaligem Durchschalten blieb sie bei einer Reisesendung hängen. Die Moderatorin schlenderte an einem fernen Ort über weißen Sand. Rebecca verzog neidisch den Mund, als sie die Frau betrachtete, die weit weg von jeglichem Alltagsstress aller Sorgen frei am Strand entlang spazierte. Im Hintergrund rauschte das Meer vor der Küste. Es musste später Nachmittag sein, denn das warme Licht umfing die blonden Strähnen ihres Haares und ließ es in der Sonne wie goldenes Stroh aufblitzen.
Erinnerungen an den ersten Urlaub mit ihrem Freund bildeten sich vor Rebeccas innerem Auge ab, verschwanden aber sofort, als sie Paul im Bad rufen hörte: »Beccy? Kannst du mir mal neues Shampoo holen?«
Sie rennt über den Gang. Geräuschlos. Der viele Sand, der in kleinen weichen Dünen aufgeschichtet vor ihr liegt, erschwert das Fortkommen. Weiter hechten. Vorwärts. Aber der feine weiße Strandsand liegt vor den Türen und es bleibt nur ein Springen von Düne zu Düne übrig. Fast hätte sie die Decke des Gebäudes berührt. Noch ein großer Sprung. Das Klassenzimmer der Siebener. Svenja, Steven, Mona und Jonas laufen gegenüber der Tür in einer Nische über ein aufgeschüttetes Eiland. In der Hand halten sie Eisbecher, Cocktails und Sonnenschirme. Wo sie das herhaben, will sie von den Kindern wissen. Aus La Reunion. Von außen fällt gleißendes Licht in das Gebäude, sodass die blonden Haare von Svenja fast weiß erscheinen. Mechanisch, mit herabgesenkten Köpfen laufen sie stur hintereinander im Kreis das Eiland der Nische ab. Noch rechtzeitig den Klassenraum erreicht. Stimmengewirr ertönt.
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